Nach einer im Vorjahr für die Waldgesundheit günstigeren Witterung waren in der Vegetationszeit 2022 die Niederschläge wieder weitestgehend unterdurchschnittlich, während die Temperaturen über dem langjährigen Mittel lagen. Korrespondierend hierzu sind die von den forstlichen Dienststellen gemeldeten Trockenschäden wieder auf rund 8.900 ha gestiegen. Neben anderen Baumarten waren weit überwiegend Buchen, aber auch Kiefern und Tannen stark betroffen. Im Winter und Frühjahr sind gleich mehrere Orkantiefs aufgetreten. Diese haben im Wald zwar keine überregional katastrophalen Spuren hinterlassen, jedoch war gegenüber dem Vorjahr in der Summe ein deutlicher Anstieg des angefallenen Sturmholzes auf 0,58 Mio. Fm (Festmeter) festzustellen. Davon waren zu 79 % weitestgehend Fichten betroffen. Dort stellten die oft kleinflächig angefallenen Sturmhölzer in Bezug auf Borkenkäfer ein besonderes Risiko dar.

Im Verhältnis zum Gesamteinschlag lag der außerplanmäßige Holzeinschlag aufgrund abiotischer oder biotischer Ursachen (zufällige Nutzungen) im Jahr 2022 bei 36 % und mit rund 3,54 Mio. Fm wieder deutlich über dem Vorjahresniveau. Die Einschlagsursache „Insekten“ hatte mit rund 1,95 Mio. Fm erneut den weitaus größten Anteil (55 %), gefolgt von „Dürre“ (0,62 Mio. Fm, 18 %), „Sturm“ (0,58 Mio. Fm, 16 %) und „Pilze“ (0,27 Mio. Fm, 8 %).

Der im Vorjahr feststellbare deutliche Rückgang der gemeldeten Schadereignisse war 2022 nicht mehr gegeben (Tab. 1). Während der Umfang der betroffenen Flächen insgesamt leicht zurückging, stieg die Anzahl der Meldungen wieder an.

Tab. 1: Schädlingsmeldungen 2017 bis 2022 der forstlichen Dienststellen (bis 2019: Meldungen der Unteren Forstbehörden; seit 2020: Meldungen der Unteren Forstbehörden der Landesforstverwaltung (LFV) und der Anstalt des öffentlichen Rechts Forst Baden-Württemberg (ForstBW) im digitalen Waldschutz-Meldesystem; N = Anzahl der Meldungen; Ha = betroffene Fläche in Hektar)

Jahr

Insgesamt

Wirtschaftlich fühlbar

Bestandesbedrohend

N

Ha

N

Ha

N

Ha

2017

11.670

36.946

9.103

24.131

2.408

12.361

2018

24.246

38.295

18.082

20.485

5.543

16.901

2019

25.052

46.437

17.284

19.335

7.219

25.873

2020

20.850

50.487

14.712

22.490

5.709

27.138

2021

14.257

30.944

10.676

13.653

3.373

17.192

2022

17.895

28.588

13.526

14.507

4.369

14.081

Schaderreger an Nadelbäumen

Der im letzten Jahr noch festzustellende Rückgang des mit der Einschlagsursache „Insekten“ angefallenen Nadelholzes hat sich nicht fortgesetzt. Die Gesamtmenge betrug rund 1,83 Mio. Fm und ist damit wieder gestiegen. Davon sind 92 % der Fichte und 6 % der Tanne zuzuordnen. In Bezug auf die absoluten Mengen wurden im Jahr 2022 im Schwarzwald die meisten insektenbedingten Schadhölzer verbucht, während in Relation zur jeweils vorzufindenden Holzbodenfläche keine ausgeprägten Schwerpunkte mehr festzustellen waren. Dies ist auf oft kleinflächig angefallene Sturmhölzer als günstiger Käferbrutraum und analog zu den Jahren 2018 bis 2020 ganz besonders auf die im letzten Jahr noch einmal zu verzeichnende extrem trocken-warme Witterung zurückzuführen. Damit ist für die nächste Vegetationsperiode 2023 erneut mit einer außergewöhnlich kritischen Gefahrenlage zu rechnen.

Fichte

In Bezug auf die Fichte war die Schwärmsaison der Borkenkäfer 2022 geprägt von einer von Mai bis Mitte August nahezu ununterbrochenen Aktivität des Buchdruckers. Daneben wurde verstärkt auch wieder Kupferstecher-Befall beobachtet (Abb. 1). Die für beide Käferarten außergewöhnlich günstige Witterung sorgte dafür, dass das Risiko für Stehendbefall dann in der zweiten Saisonhälfte wieder deutlich anstieg. Zunehmend trockengestresste Fichten wurden erheblich anfälliger gegenüber Käferangriffen. Zudem nahm der Druck durch eine außergewöhnlich große Anzahl von Käfern erheblich zu. Die warmen Temperaturen führten expositionsabhängig bis in Höhenlagen von 700-800 m ü.NN zur Anlage von drei Buchdrucker-Generationen. In den Hoch- und Gipfellagen des Hochschwarzwaldes wurden zwei Generationen angelegt. Der milde Herbst ließ die angelegten Bruten größtenteils bis zur Käferreife durchentwickeln. Eine derartig beschleunigte Entwicklung gab es bisher nur in den Jahren 2003 und 2018. So lag die 2022 insektenbedingt angefallene Holzmenge mit rund 1,67 Mio. Fm landesweit über dem Vorjahresniveau (Abb. 2), auch wenn die zum Buchdrucker gemeldete Fläche gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel auf rund 5.800 ha zurückgegangen ist. Demgegenüber hat jedoch der Kupferstecher auf rund 500 ha erheblich zugelegt. Über die letzten fünf Jahre gesehen lagen die Schwerpunkte der Holznutzungen aufgrund von „Insekten und Dürre“ bezogen auf die Holzbodenfläche mit einem Baumalter über 40 Jahre im Norden, Westen und Süden von Baden-Württemberg (Abb. 3a).

Unter diesen Voraussetzungen ist ab dem Frühjahr 2023 insgesamt wieder von einer sehr hohen Population auszugehen, so dass dem Borkenkäfer-Management unter Beachtung der guten fachlichen Praxis (s. Borkenkäfer an Nadelbäumen – erkennen, vorbeugen, bekämpfen) wieder höchste Aufmerksamkeit entgegengebracht werden muss. Dies betrifft vor allem die konsequente und rechtzeitige Aufarbeitung von potenziellem Brutmaterial aus Sturm oder Schneebruch, insbesondere bei einzelbaumweisem oder kleinflächigem Anfall, sowie die Erfordernisse der bei Befall zu treffenden Sanitärmaßnahmen.

Tanne

Der Gesundheitszustand der Tannen hat in den letzten Dürrejahren vor allem in sub- bis mittelmontanen Höhenstufen bis etwa 800 m ü.NN besonders auf flachgründigen und sonnenexponierten Lagen in den Vorbergzonen des Schwarzwaldes, im Neckarland, am Bodensee und in Teilen der Schwäbischen Alb sehr gelitten (Abb. Karte 3b). So werden infolge der Dürre 2022 seit letztem Herbst wieder zahlreiche rot zeichnende Tannen beobachtet (Abb. 4). Oftmals geht damit Insektenbefall einher, welcher vorgeschwächte Tannen verstärkt zum Absterben bringt. Daran sind verschiedene Tannenborkenkäferarten und Tannenrüssler beteiligt. Zudem wirkt sich intensiver Mistelbefall bei Trockenstress deutlich stärker auf die Vitalität der Tannen aus und kann dadurch das Schadgeschehen verstärken.

Dies lässt befürchten, dass die Schadholzmengen bei der Tanne ähnlich wie nach den Trockenjahren 2003 und 2018 in diesem Jahr wieder ansteigen. Dies steht im Einklang mit Berichten aus dem benachbarten französischen Jura und den Vogesen in der Region Burgund-Franche-Comté (s. Bericht auf Französisch). Während die insektenbedingt angefallene Holzmenge mit 0,11 Mio. Fm in Baden-Württemberg über das ganze Jahr gesehen noch rückläufig war (Abb. 5), ist die bis November 2022 zum Borkenkäfer gemeldete Schadfläche bei der Tanne wieder deutlich gestiegen. Auch wenn die Borkenkäfer an Fichte immer noch als gefährlicher eingeschätzt werden müssen (Abb. 3), macht die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre sehr deutlich, dass mit den klimatischen Veränderungen auch bei der Tanne künftig bis in hohe Lagen ein ausgereiftes Borkenkäfer-Management notwendig sein wird.

Abb. 4: In den Herbst fortschreitende Kronenverfärbung einer Weißtanne nach Borkenkäferbefall im Sommer 2022; links: 25. August, rechts: 25. Oktober (Fotos: FVA BW/Delb, Südschwarzwald)

Kiefer

Unter der erneut trocken-warmen Witterung war in der Oberrheinebene 2022 in den Kiefernbeständen, die seit Jahren von einem vielfältigen Krankheitsgeschehen betroffen sind, keine Erholung zu erwarten. So lagen die gemeldeten Schadflächen mit der Kiefernkomplexkrankheit und dem Diplodia-Triebsterben insgesamt wieder bei rund 4.300 ha. Aber auch in anderen Landesteilen leidet die Kiefer unter der Dürre. Zudem haben Trockenschäden auf rund 1.200 ha wieder massiv zugenommen. In der Oberrheinebene wird der Wassermangel der Kiefern durch chronischen Mistelbefall oft entscheidend verstärkt. Unter diesen Bedingungen kommen schadensverstärkend Kiefernprachtkäfer und -borkenkäfer weit verbreitet vor.  

Douglasie und Lärche

Nach wie vor zeigt die Douglasie örtlich auffällig schüttere Kronen, die mit markanten Vitalitätsverlusten bis hin zur Mortalität verbunden sein können. In diesem Zusammenhang sind oft der Rußige Schüttepilz oder die Douglasien-Gallmücke beteiligt. Auf ohnehin trockenen Standorten setzt der Douglasie die Dürre besonders zu, die auch ohne Beteiligung weiterer Schadfaktoren direkt zum Absterben führen kann. Außerdem werden an der vor mehr als hundert Jahren aus Nordamerika eingeführten Douglasie bei rotverfärbten Kronen in den letzten trocken-warmen Jahren zunehmend häufiger europäische Borkenkäferarten vorgefunden. Bisher sind daran im wesentlichen Kupferstecher, Furchenflügeliger Fichtenborkenkäfer und der Westliche Tannenborkenkäfer beteiligt. Zur Sicherheit ist auch hier eine zeitnahe Sanierung dieser Bäume zu empfehlen.

Zu Beginn 2022 ist an jungen Douglasien vielerorts eine außergewöhnlich ausgeprägte physiologische Nadelröte aufgetreten (Abb. 6). Dies war auf eine ungünstige Abfolge von besonderen Wärme- und Kälteperioden gegen Ende des Winters und zu Beginn der Vegetationszeit zurückzuführen (s. Physiologische Nadelröte der Douglasie: Frosttrocknis).

Im vergangenen Jahr sind die Meldungen zum Großen Lärchenborkenkäfer und zum Lärchenbock um das etwa Vierfache gestiegen. Dies schlug sich auch beim verbuchten Schadholz nieder

Schaderreger an Laubbäumen

Buche

Die aus Buchenwäldern in 2022 gemeldeten Trockenschäden sind mit rund 5.300 ha gegenüber dem Vorjahr unverändert hoch geblieben. Auch wenn der Schadholzanfall durch Dürre und Insekten auf rund 0,32 Mio. Fm leicht zurückgegangen ist, liegt das Niveau nach den jüngsten Dürrejahren noch erheblich über dem zuvor festgestellten Durchschnittswert und weit über den nach dem letzten Jahrhundertsommer 2003 angefallenen Einschlagsgrößen (Abb. 7 und 8). Dabei werden in der Praxis aufgrund der von absterbenden Kronenteilen ausgehenden Gefahren bei Buchen bereits deutlich geschädigte Bäume entnommen. Denn durch den Pilzbefall und die damit verbundene Holzfäulnis verlieren die Buchen schnell an Stabilität. Dadurch ist die Arbeits- und Verkehrssicherheit sowie die Holzqualität im besonderen Maße gefährdet.

Außerdem waren im Spätsommer aufgrund der anhaltenden Trockenheit und Hitze auch in Buchenjungbeständen in einem ungewohnten Ausmaß auffällige Schäden zu beobachten. Eine daraufhin von der Forstdirektion des Regierungspräsidiums Freiburg bei den Unteren Forstbehörden durchgeführte Umfrage ergab für den Kommunal- und Privatwald, dass sich die Schäden auf rund 1.000 ha erstreckten und sich regional auf die Wuchsgebiete Oberrheinisches Tiefland und Neckarland meist kleinflächig auf ohnehin trockenen Standorten konzentrierten.

Im letzten Jahr wurde im Zusammenhang mit deutlichen Vitalitätseinbußen örtlich auch der Kleine Buchenborkenkäfer in einem außergewöhnlich starken Ausmaß festgestellt (Abb. 9). Auch über ganz Baden-Württemberg hat das aufgrund von Insektenbefall verbuchte Schadholz in 2022 zugenommen. Daran ist Beobachtungen auf Monitoringflächen zufolge mit wechselnden Anteilen auch der Buchenprachtkäfer beteiligt. Insgesamt bleibt hier abzuwarten, ob die notwendigen Abwehrkräfte der Buchen bei besseren meteorologischen Wuchsbedingungen in diesem Jahr einen weiteren Aufbau der vorhandenen Populationen rindenbrütender Käfer verhindern können. Insgesamt ist das gravierende und besorgniserregende Ausmaß der Vitalitätseinbußen auch bei der bisher gemeinhin als vergleichsweise stabil eingestuften Buche unverkennbar.

Eiche

Die in den letzten Jahren vergleichsweise geringe Belastung der Eiche durch Schadorganismen wird in diesem Jahr zumindest regional voraussichtlich ein Ende haben. Denn die Befunde des landesweiten Frostspanner-Monitorings zeigen in der Oberrheinebene Werte auf, die deutlich über den kritischen Dichten für zu erwartenden Kahlfraß liegen. Dies setzt voraus, dass die frisch geschlüpften Raupen im Frühjahr auf junges Eichenlaub treffen. Bei dem Monitoring werden die im Winter auf Leimringen gefangenen Weibchen gezählt (Abb. 10). Nach Kahlfraß und zu befürchtendem Mehltaubefall der nachfolgenden Regenerationstriebe kann sich deshalb wieder die Symptomatik einer in diesem Zusammenhang entstehenden akuten oder auch chronischen Eichenerkrankung einstellen. Erfahrungsgemäß steht dies unter anderem in Verbindung mit dem Auftreten des Zweipunktigen Eichenprachtkäfers und des Hallimaschs.

Demgegenüber wurde der Eichenprozessionsspinner (EPS) 2022 auf deutlich geringerer Fläche als im Vorjahr gemeldet, nachdem noch im Frühjahr im Alb-Donaukreis sowohl zur Erhaltung der Waldgesundheit als auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes für Mensch und Tier auf insgesamt 199 ha Regulierungsmaßnahmen aus der Luft erfolgen mussten (Abb. 11).

Edellaubhölzer

Das Eschentriebsterben ist auf rund 4.500 ha noch weit verbreitet. Die im Umfang der gemeldeten Flächen festgestellte Abnahme kann auch darauf zurückgeführt werden, dass die Verbreitung der Esche mittlerweile zurückgegangen ist. In den betroffenen Beständen sind oft Stammfußnekrosen und Befall durch Hallimasch vorzufinden. Daraus resultiert eine rasche Stockfäule und Bruchgefährdung. Die Ahorn-Rußrindenkrankheit wurde auf rund 100 ha gemeldet (Abb. 12). Vor allem für den Berg-Ahorn bleibt die Belastung nach der sommerlichen Dürreperiode in 2022 durch diese Krankheit auf anhaltend hohem Niveau.

Maikäfer

Der Maikäfer schränkt das Potenzial für Waldverjüngung in der Oberrheinebene vielerorts erheblich ein. Das liegt am Wurzelfraß seiner Engerlinge, wovon besonders Jungwüchse und unterständige Bäume betroffen sind (Abb. 13). Aber auch die Vitalität von Baumhölzern wird durch Wurzelverluste ungünstig beeinträchtigt. Insgesamt ist eine Fläche von rund 31.000 ha mit einem Schwerpunkt in den Hardtwäldern betroffen. Darüber hinaus gibt es aber auch in Wäldern nördlich des Kaiserstuhls ein nennenswertes Vorkommen. Im Frühjahr 2023 wird vor allem im Verbreitungsgebiet des sogenannten Südstamms zwischen Raststatt und Bruchsal auf rund 13.000 ha der an warmen Abenden eindrucksvolle Schwärmflug der adulten Maikäfer stattfinden.

In immer lichter werdenden Wäldern der Oberrheinebene hat neben dem Waldmaikäfer nun auch der Feldmaikäfer Einzug gehalten, wodurch die Belastung zunimmt. In Zusammenhang mit den gravierenden Ausfällen in den Kiefernwäldern wird die dringend erforderliche Verjüngung in Frage gestellt. Dadurch stellt der Maikäfer die Waldwirtschaft vor Ort vor sehr große Herausforderungen.

Invasive gebietsfremde Schad- und Quarantäneorganismen

Auf Grundlage einschlägiger EU-Rechtsvorschriften sind in Bezug auf Quarantäneschadorganismen fortlaufend umfangreiche Monitoring-Maßnahmen durchzuführen. Hierunter fallen zum Beispiel der Asiatische Laubholzbockkäfer, der Asiatische Eschenprachtkäfer, der Sibirische Kiefernspinner, die Kiefernholznematoden oder die Tausend-Nekrosen-Krankheit an Nussbäumen, die durch das Zusammenspiel von einem Borkenkäfer und einem von ihm übertragenen Schlauchpilz verursacht werden kann. 2022 wurden erfreulicherweise keine für den Wald relevanten Unions-Quarantäneschadorganismen gefunden.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass der Waldschutz in Zusammenhang mit den im Klimawandel und der Globalisierung entstandenen Herausforderungen bei nur kurzen Erholungsphasen immer mehr zu einer zentralen Daueraufgabe der Waldwirtschaft wird.