Der Schweizer Wald bedeckt gemäss dem vierten Schweizerischen Landesforstinventar (LFI4) eine Fläche von 1,32 Millionen Hektaren. Das entspricht 32% der Landesfläche. Zur Waldfläche werden auch Gebüschwälder gezählt; das sind zum Beispiel Grünerlen- und Legföhrenwälder oder Haselniederwälder. Gebüschwälder kommen praktisch nur in den Alpen und auf der Alpensüdseite vor. Sie machen 5,5% der Schweizer Waldfläche aus. Besonders stark bewaldet ist die Alpensüdseite mit 54% (Abb. 1 und 2). Weniger als halb so gross ist der Waldanteil hingegen im Mittelland mit durchschnittlich 24%. Im Landesdurchschnitt sind die Höhenlagen zwischen 1000 und 1800 m ü.M. zu 60% und damit am stärksten bewaldet.
Waldfläche im Alpenraum zunehmend
Seit über 150 Jahren nimmt die Waldfläche in der Schweiz zu. In den acht Jahren zwischen dem LFI3 (2004–2006) und dem LFI4 (2009–2017) betrug die Zunahme jährlich 0,30%, was 3900 ha oder etwas mehr als der Fläche des Kantons Basel-Stadt entspricht. Zwischen LFI2 und LFI3 war die Waldflächenzunahme mit jährlich 0,43% noch deutlich grösser. Insgesamt sind in den 30 Jahren seit dem LFI1 130'000 ha Wald dazugekommen. Die in der Schweiz festgestellte Entwicklung entspricht dem allgemeinen Trend in Europa.
Ein Blick auf die verschiedenen Landesgegenden zeigt, dass die Waldfläche hauptsächlich in den Alpen und auf der Alpensüdseite zugenommen hat (Abb. 3), wo aufgegebene Alpweiden und Maiensässe von Natur aus langsam wieder zu Wald wurden. So befinden sich über 80% der zwischen LFI3 und LFI4 entstandenen Waldflächen in diesen beiden Regionen und über 75% oberhalb von 1400 m ü.M. Im Mittelland hat sich die Waldfläche dagegen nicht wesentlich verändert.
In der Schweiz sind 69% der Waldfläche in öffentlichem und 31% in privatem Eigentum. Die Privatwälder befinden sich mehrheitlich in den Voralpen und im Mittelland, wo 51% bzw. 41% des Waldes Privatpersonen oder privaten Gesellschaften gehören. Im Jura, in den Alpen und auf der Alpensüdseite besitzen dagegen überwiegend öffentliche Eigentümer Wald, mit Anteilen zwischen 75% und 82%. Weil hier den Wald stärker zugenommen hat als in den übrigen Regionen, hat demzufolge hauptsächlich der öffentliche Wald an Fläche zugelegt.
Abb. 4 - In gewissen Landesgegenden hat sich die Holznutzung im Privatwald stark erhöht. Foto: Simon Speich (WSL)
Höhere Vorräte und stärkere Nutzung im Privatwald
Der Vorrat, d.h. das Holzvolumen der lebenden Bäume, beläuft sich im Schweizer Wald auf 421 Mio. m3. Davon befinden sich 61% im öffentlichen Wald und 39% im Privatwald. In privaten Wäldern steht damit pro Hektare deutlich mehr Holz: im Durchschnitt 419 m3/ha gegenüber 317 m3/ha im öffentlichen Wald (Abb. 5). Dieser grosse Unterschied lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass der Privatwald mehrheitlich an produktiveren Standorten wächst. Indiz dafür ist zum Beispiel, dass auch der Zuwachs im Privatwald mit 10,8 m3/ha/Jahr deutlich höher als im öffentlichen Wald (8,6 m3/ha/Jahr) ist.
Allerdings war vom LFI1 (1983–1985) zum LFI2 (1993–1995) ein massives Auseinanderdriften der Holzvorräte pro Hektare zu beobachten. So betrug die Vorratsdifferenz zwischen öffentlichem und privatem Wald im LFI1 erst 56 m3/ ha, im LFI2 dann aber 92 m3/ha. Seither hat sich die Schere nur noch wenig mehr geöffnet (Abb. 5). Aufgrund des rasanten Vorratsanstiegs im Privatwald wurde zahlreiche Initiativen zur Holzmobilisierung im Privatwald initiiert. Die Bewirtschaftung des Privatwaldes wird allerdings durch die kleinen Parzellen stark erschwert: Im Durchschnitt gehören jedem der rund 246'000 privaten Waldeigentümer lediglich etwa 1,5 ha.
Trotz diesen erschwerenden Umständen hat die Holznutzung im Privatwald seit dem LFI3 um gut 20% auf 3,1 Mio. m3/Jahr zugenommen. Insgesamt stieg sie in vier von fünf Produktionsregionen mindestens tendenziell an. Gar um fast 50% bzw. 70% gesteigert wurde die Nutzung in den beiden Wirtschaftsregionen Mittelland Mitte und Voralpen Ost. Im öffentlichen Wald verharrte die Nutzung dagegen mit insgesamt rund 4,5 Mio. m3/ Jahr etwa auf dem Niveau des LFI3. Alles in allem nahm so die Nutzung in der Schweiz um etwa 6%, von 7,2 Mio. m3 auf 7,6 Mio. m3, pro Jahr zu.
Die vom LFI ausgewiesenen Nutzungsmengen sind deutlich höher als diejenigen der Schweizerischen Forststatistik. Die Erklärung ist einfach: Es wird nicht gleich gemessen. Im LFI wird für die Nutzung das Volumen der genutzten Bäume vom Stammanlauf bis zum Wipfel stehend im Wald ermittelt. Das ist das sogenannte Schaftholz in Rinde. Für die Forststatistik wird dagegen die Menge Stamm-, Industrie- und Energieholz erfasst, die im Berichtsjahr an der Waldstrasse bereitgestellt wurde. Die beiden Erhebungen sind damit nicht vergleichbar.
Abb. 6 - Holzbringung in einem Privatwaldgebiet. Foto: Simon Speich (WSL)
Zuwachs im Privatwald besser ausgeschöpft
Eine Annäherung an das Nutzungspotenzial stellt im LFI das Verhältnis von Nutzung und Mortalität zum Zuwachs dar. Liegen Nutzung und Mortalität unter dem Zuwachs, darf angenommen werden, dass das Nutzungspotenzial nicht ausgeschöpft wird. Liegen sie darüber, wird Holzvorrat abgebaut. Das kann zum Beispiel zwecks Risikoreduktion im Zusammenhang mit dem Klimawandel oder zur Verjüngung wirtschaftlich überalterter Bestände angezeigt sein.
In den vergangenen Jahrzehnten war jeweils festzustellen, dass im Privatwald der Zuwachs weniger stark abgeschöpft wurde als im öffentlichen Wald. So machten Nutzung und Mortalität zwischen LFI1 und LFI2 im Privatwald nur 62% des Zuwachses aus, im öffentlichen Wald aber 80%. Auch in der Zeit zwischen LFI2 und LFI3, die stark vom Orkan Lothar vom 26. Dezember 1999 geprägt war, zeigte sich dieses Bild (88% bzw. 99%). Zwischen LFI3 und LFI4 hat sich die Situation nun aber grundlegend verändert. Zum ersten Mal seit Beginn des Landesforstinventars ist nämlich die Abschöpfung des Zuwachses im Privatwald mit 93% zumindest tendenziell höher als im öffentlichen Wald (86%; Abb. 7).
Abb. 7 - Verhältnis von Nutzung und Mortalität zum Zuwachs in der Periode LFI3–LFI4, unterteilt nach öffentlichem Wald und Privatwald, in Prozent. In der Periode LFI3–LFI4 hatte die Nutzung im Durchschnitt einen Anteil von 82% und die Mortalität einen solchen von 18% am Gesamtvolumen von Nutzung und Mortalität. Angegeben ist jeweils der Mittelwert ± der Standardfehler.
Der Hauptgrund dafür ist, dass im Mittelland und in den Voralpen die Nutzung im Privatwald in der Periode nach Lothar nicht wie im öffentlichen Wald zurückgefahren, sondern nochmals gesteigert wurde. In diesen beiden Regionen machten Nutzung und Mortalität im Privatwald 114% (Mittelland) bzw. 100% (Voralpen) des Zuwachses aus. Die Programme zur Mobilisierung der Holznutzung im Privatwald, wie sie zum Beispiel im privatwaldreichen Kanton Luzern lanciert wurden, scheinen Wirkung gezeigt zu haben.
In den Alpen und insbesondere auf der Alpensüdseite ist die Abschöpfung des Zuwachses auf einem bedeutend tieferen Niveau – sowohl im Privatwald als auch im öffentlichen Wald. Dies liegt an den schwierigen Bewirtschaftungsbedingungen infolge steilen Geländes und schlechter Erschliessung.
Dieser Beitrag ist der erste Teil einer Artikelserie zu den Ergebnissen des vierten Landesforstinventars LFI4, dessen Feldaufnahmen zwischen 2009 und 2017 stattgefunden haben. Die weiteren Beiträge sind:
2) Deutlicher Rückgang der Fichte im Mittelland
3) Effizientere Forstbetriebe in der Schweiz
4) Momentan schützt der Schutzwald besser
5) Die Waldbiodiversität entwickelt sich weiterhin positiv
6) Die Erholungsnutzung im Wald nimmt zu
7) Wildverbiss: wichtige Baumarten unter Druck
8) Pathogene, Schädlinge und Trockenheit setzen dem Wald zu
9) Wie gut ist der Schweizer Wald für die Holzernte erschlossen?
(TR)