Etwa 40% der geschätzten 64'000 in der Schweiz vorkommenden Tier-, Pflanzen-, Pilz- und Moosarten leben im oder vom Wald. Darum spielt der Wald eine massgebliche Rolle für die Erhaltung der Biodiversität in der Schweiz. Die Biodiversität im Wald hängt stark von der Art der Waldbewirtschaftung ab. So kommen zum Beispiel in bewirtschafteten Wäldern in der Regel weniger alt- und totholzabhängige Arten vor als in unbewirtschafteten, umgekehrt ist in bewirtschafteten Wäldern die Vielfalt von Licht und Wärme liebenden Arten oftmals höher als in unbewirtschafteten.

Mehr Mischbestände, weniger standortfremde Nadelbäume

Grundsätzlich gilt, dass Mischbestände, die aus vielen verschiedenen Baumarten bestehen, mehr Tier- und Pflanzenarten beherbergen als Reinbestände und dass auch die Individuenzahl der vorkommenden Arten höher ist. In der Schweiz haben Probeflächen mit nur einer Gehölzart im Baumbestand vom dritten Landesforstinventar LFI3 (2004–2006) zum vierten Landesforstinventar LFI4 (2009–2017) um 2% abgenommen. Berücksichtigt sind Bäume ab 12 cm Brusthöhendurchmesser (BHD). Probeflächen mit mehr als drei Arten haben hingegen um 6% zugenommen. Dies ist ein Trend, der sich seit dem LFI1 (1983–1985) beobachten lässt und sich auch unter Einbezug der kleineren Gehölze (ab 40 cm Höhe) zeigt. Aktuell bestehen noch 26% der Probeflächen aus nur einer Art im Baumbestand.

Parallel zum Rückgang der artreinen Bestockungen hat auch der Fichtenanteil und damit verbunden der Nadelholzanteil im Gebiet der Laubmischwälder abgenommen. Die Fichte wurde in der Schweiz bis etwa in die 1970er-Jahre aus wirtschaftlichen Gründen stark gefördert. Fichtenforste im Laubwaldareal gelten aber als naturfern und weisen oft eine verminderte Artenvielfalt auf, weshalb ihr Rückgang aus Sicht der Biodiversität positiv ist. Derzeit ist aber noch mehr als ein Viertel der Wälder im Jura, im Mittelland und in den Voralpen bezüglich des Nadelholzanteils naturfern (Abb. 2).

Rückgang bei verschiedenen ökologisch wertvollen Gehölzarten

Pionier- und Weichholzarten (Waldföhre, Birken, Weiden, Erlen, einheimische Pappeln) sowie Arten wie die heimischen Eichen, die Edelkastanie oder der Kirschbaum gelten als ökologisch besonders wertvoll, weil sie bestimmten oder vielen verschiedenen Tierarten Lebensraum und Nahrung bieten. Die Entwicklung war bei diesen Arten unterschiedlich:

Während die Stammzahl der Weiden (–4%), der Edelkastanie (–6%), der Eichen (–7%), der Erlen (–9%) und der Waldföhre (–11%) abgenommen hat, haben Birken (+5%), einheimische Pappeln (+6%, Abb. 3) und der Kirschbaum (+12%) zugenommen. Sorbus-Arten haben sich kaum verändert (–1%). Daraus resultiert eine Stammzahlabnahme von insgesamt 5% bei den ökologisch wertvollen Arten.

Hochlagenwälder verdunkeln

Ein grosses Licht- und Wärmeangebot im Wald, das Vorhandensein von vielfältigen Strukturen im Bestand oder das Vorkommen von besonders grossen und somit vielfach habitatreichen Bäumen sind Grundvoraussetzungen für das Vorkommen von zahlreichen Pflanzen- und Tierarten. Die Frage, ob das Lichtangebot im Schweizer Wald zu- oder abgenommen hat, lässt sich mit dem sogenannten Bestandesdichteindex (SDI) beantworten.

Der SDI ist ein objektives Mass, das die Dichte eines Bestandes abbildet und somit Rückschlüsse auf die Lichtverfügbarkeit zulässt. Gesamtschweizerisch hat sich der SDI seit dem LFI3 kaum verändert (+1%). Die Entwicklungen in den Regionen waren aber sehr verschieden: Im Mittelland hat der SDI deutlich abgenommen (–5%), d. h., die Wälder sind dort lockerer geworden. In den Alpen und auf der Alpensüdseite sind die Wälder dagegen deutlich dichter und dunkler geworden (+5% bzw. +7%). Generell hat der SDI in den Tieflagen, in denen eine Bewirtschaftung einfach ist, abgenommen. In den Hochlagen hingegen, insbesondere in der oberen Subalpinstufe, hat er zugenommen. Hier schliessen sich viele aufgelöste Bestockungen langsam (Abb. 4), oftmals, weil sie nicht mehr beweidet werden.

Grössere Strukturvielfalt

Mit dem Indikator «Strukturvielfalt» wird im LFI die Makrostruktur eines Waldbestandes beschrieben. Er berechnet sich insbesondere aus den Merkmalen Entwicklungsstufe, Schlussgrad, vertikale Bestandesstruktur, Starkholzanteil und Totholzvorkommen.

In den Alpen hat sich die Strukturvielfalt nicht verändert. In allen anderen Regionen der Schweiz hat sie sich hingegen positiv entwickelt. Im LFI4 weisen 44% der Schweizer Waldfläche eine hohe Strukturvielfalt auf (Abb. 1), nur für 13% derselben ist sie gering. Eine positive Tendenz ist auch bei den insgesamt 115'000 km Waldrändern festzustellen: So hat sich beispielsweise seit dem LFI2 (1993–1995) in der kollinen/submontanen und in der montanen Stufe der Anteil von Waldrändern mit einer Strauchgürtelbreite von mindestens 5 m von 16% auf 21% erhöht. Das Aufwertungspotenzial bleibt nach wie vor sehr gross, denn in den genannten Höhenstufen fehlt beispielsweise der Strauchgürtel bei 38% der Waldränder gänzlich.

Gigantendichte in 30 Jahren verdoppelt

Starkholzbestände – das sind Bestände, in denen der BHD der dominierenden Bäume mehr als 50 cm beträgt – haben seit dem LFI1 von 19% auf aktuell 31% im LFI4 zugenommen. Im gleichen Zeitraum haben sich die ökologisch besonders wertvollen "Giganten" (BHD ab 80 cm) zahlenmässig gar mehr als verdoppelt, und das nicht nur im landesweiten Mittel, sondern in allen Höhenstufen und Produktionsregionen.

Über die ganze Schweiz sind derzeit 1,9 Giganten pro Hektare vorhanden (Abb. 5). Mit Abstand am höchsten ist die Gigantendichte auf der Alpensüdseite, wo sie im Durchschnitt 3,1 Stück/ha und in der kollinen/submontanen Stufe wegen der historischen Kastanienwirtschaft gar 3,8 Stück/ha beträgt. Im Vergleich dazu gibt es in den anderen Produktionsregionen eher wenige Giganten (1,0 bis 2,1 Stück/ha).

Naturverjüngung dominiert

Naturverjüngung ermöglicht die effiziente Erneuerung einer standortheimischen Baumpopulation. Dennoch ist in gewissen Fällen auch eine Pflanzung angezeigt, beispielweise wenn man wegen des Klimawandels in einem Gebiet noch nicht vorhandene Arten einbringen will.

In der Schweiz sind gemäss LFI4 81% der Bestände aus reiner Naturverjüngung entstanden, weit mehr als die 71% aus dem europäischen Durchschnitt. In Verjüngungsbeständen (Jungwuchs/Dickung, Verjüngung unter Schirm, plenterartiger Hochwald) besteht der Nachwuchs gleich wie im LFI3 zu 92% aus Naturverjüngung. Dabei hat allerdings der Anteil Naturverjüngung in der Subalpinstufe weiter zugenommen, in der kollinen/submontanen Stufe aber abgenommen. Das liegt vermutlich daran, dass viele Lothar-Schadenflächen bepflanzt wurden.

Strauchförmige Neophyten auf dem Vormarsch

Eingeführte Baumarten machen nur 0,6% der Bäume mit einem BHD von mindestens 12 cm aus. Die mit Abstand häufigsten Baumarten sind hierbei die Robinie und die Douglasie. Entsprechend dominieren eingeführte Baumarten auch nur sehr wenige Bestände (0,5%). Auf 3,7% der Probeflächen war im LFI4 aber mindestens ein Exemplar einer eingeführten Baumart ab 40 cm Höhe anzutreffen, im Mittelland gar auf 10,5% der Probeflächen (Abb. 6).

Eingeführte Straucharten kommen derzeit deutlich seltener vor als eingeführte Bäume. Ihre Entwicklung war aber vom LFI3 zum LFI4 ausgesprochen dynamisch. So hat sich ihre Präsenz auf den Probeflächen gesamtschweizerisch verdoppelt (von 0,9% auf 1,9% der Probeflächen), im Mittelland gar vervierfacht von 0,7% auf 2,9% (Abb. 6). Eine solche eingeführte Art ist der Sommerflieder. Dieser wurde im LFI3 auf 9 der insgesamt rund 6500 Probeflächen gefunden, im LFI4 aber bereits auf deren 50.

Weitere Zunahme von Totholz

Totholz spielt eine Schlüsselrolle für die Waldbiodiversität. So gehört etwa ein Viertel aller Waldarten (Tiere, Pflanzen und Pilze) zur Gruppe der Totholznutzer. Viele holzbewohnende Arten sind auf 20 bis 50 m3/ha angewiesen, einige wie die Zitronengelbe Tramete sogar auf über 100 m3/ha. In europäischen Urwäldern kommen zwischen 20 und 250 m3/ha Totholz vor, in der Zerfallsphase kleinräumig bis zu 400 m3/ha.

In der Schweiz beträgt das Totholzvolumen (Schaftholz ab 12 cm BHD) gemäss LFI4 durchschnittlich 24,2 m3/ha, wovon etwa die Hälfte (11,8 m3/ha) auf stehende tote Bäume entfällt. Allerdings ist das Totholz sehr unterschiedlich verteilt. Am höchsten ist sein Volumen mit 48 m3/ha in den westlichen Voralpen, am tiefsten mit 13 m3/ha im östlichen Mittelland (Abb. 7). Das Totholz hat seit dem LFI3 weiterhin zugenommen, auch nach dem grossen Sprung zwischen LFI2 und LFI3 bedingt durch den Sturm Lothar, der das Totholzvolumen glatt verdoppelt hatte. Die in der Waldpolitik 2020 angestrebten Totholzvolumen von 20 m3/ ha (Jura, Mittelland, Alpensüdseite) bzw. 25 m3/ha (Voralpen, Alpen) sind aktuell in drei der fünf Produktionsregionen erreicht.

Mehr Fläche für die natürliche Waldentwicklung

In der Schweiz sind nachweislich unberührte Wälder (Urwälder) kaum zu finden. Zu gross war der Holz- und Landbedarf in früheren Jahrhunderten. In den letzten 100 Jahren wurden aber zunehmend Flächen aus der Nutzung entlassen und stehen für die freie, natürliche Waldentwicklung zur Verfügung.

6% der Schweizer Waldfläche wurden seit etwa 100 Jahren weder bewirtschaftet noch beweidet, 20% in den letzten 50 Jahren nicht mehr forstlich genutzt. Den grössten Anteil hat diese Art von Waldwildnis auf der Alpensüdseite (56%), gefolgt vom Wallis mit 39% (Abb. 8). Im intensiv bewirtschafteten Mittelland liegt der Anteil dagegen bei 2%.

Vertraglich gesichert ist die freie Waldentwicklung gemäss LFI4 auf 3,1% der Waldfläche nach LFI-Definition. Anders als in diesen Naturwaldreservaten steht bei den Sonderwaldreservaten, die eine Fläche von 2,7% der Schweizer Waldfläche ausmachen, der Erhalt von besonderen Biotopen (z. B. lichter Wald), seltenen Arten oder traditionellen Bewirtschaftungsformen im Vordergrund. Gemäss Mitteilung des Bundesamts für Umwelt decken die Waldreservate mittlerweile 6,3% der Waldfläche ab (3,5% Naturwaldreservate, 2,8% Sonderwaldreservate; Datenstand von Ende 2018). Bis zum Jahr 2030 sollen laut den Zielen der Waldpolitik 2020 die Waldreservate 10% der Waldfläche ausmachen.

Schlussfolgerungen

Die Lebensraumqualität des Schweizer Waldes entwickelt sich in der Mehrheit der untersuchten Bereichen positiv, eine erfreuliche Nachricht, insbesondere im Vergleich zu anderen Naturräumen in der Schweiz. Einzelne Entwicklungen sind aber negativ, gerade die zunehmende Verdunkelung der Hochlagenwälder und die rasante Ausbreitung eingeführter Straucharten im Mittelland, und gewisse Ziele des Bundes zur Waldbiodiversität (insbesondere Alt- und Totholz, Waldreservate) sind zumindest in einzelnen Regionen noch nicht erreicht.