Gemäss dem vierten Landesforstinventar (LFI4), dessen Feldaufnahmen von 2009 bis 2017 stattfanden, hat der Holzvorrat im Schweizer Wald weiter zugenommen und beläuft sich mittlerweile auf 421 Millionen Kubikmeter (Abb. 1). Der Vorrat besteht zu zwei Dritteln aus Nadelholz und zu einem Drittel aus Laubholz. Der Vorratsanteil der Nadelbäume ist in den Alpen mit 86% und in den Voralpen mit 76% deutlich grösser als jener der Laubbäume (Abb. 2). In den restlichen Regionen ist das Verhältnis ziemlich ausgeglichen mit einem Nadelholzanteil von 51% auf der Alpensüdseite und von 54% im Jura und im Mittelland.

Über die Hälfte des Schweizer Holzvorrates befindet sich in den fünf grössten Kantonen: Bern, Graubünden, Wallis, Waadt und Tessin (Tab. 1). Nur in sechs Kantonen – Genf, beide Basel, Solothurn, Tessin, Aargau und Schaffhausen – ist der Laubholzvorrat höher als der Nadelholzvorrat. Im Thurgau und im Jura ist das Verhältnis etwa ausgeglichen. In den übrigen 17 Kantonen dominiert das Nadelholz.

Tab. 1 - Holzvorrat in den Kantonen. Mittelwerte gemäss LFI4 (± Standardfehler), in 1000 m3

Die höchsten Vorräte pro Hektare im Appenzellerland

Wird der Holzvorrat pro Hektare betrachtet, rücken die Kantone Appenzell Innerrhoden mit nahezu und Appenzell Ausserrhoden mit deutlich über 500 m3/ha an die Spitze (Abb. 3). Auch auf über 400 m3/ha beläuft sich der Vorrat in den Kantonen Luzern, Freiburg, St. Gallen, Schaffhausen, Thurgau, Neuenburg, Bern und Jura. Weit unter dem Landesdurchschnitt von 350 m3/ha liegt der Hektarvorrat dagegen in den grossen Gebirgskantonen, insbesondere im Tessin (229 m3/ha) und im Wallis (264 m3/ha).

Vergleicht man mit Europa, verfügt die Schweiz über hohe Hektarvorräte. In Europa beträgt der Vorrat im Durchschnitt nämlich nur 163 m3/ha (Forest Europe 2015). Allerdings ist der Hektarvorrat in den standörtlich vergleichbaren Ländern Mitteleuropas fast so hoch wie in der Schweiz. In Deutschland beträgt er zum Beispiel 321 m3/ha und in Slowenien 346 m3/ha.

Vorrat hat zugenommen, aber nicht überall

Seit dem LFI3 (2004–2006) ist der Vorrat um 12 Mio. m3 oder 2,9% angestiegen. Auffallend sind die grossen regionalen Unterschiede, die eine direkte Folge unterschiedlicher Nutzungsintensitäten sind. So hat der Vorrat im schwierig zu bewirtschaftenden Gelände der Alpen und der Alpensüdseite deutlich zugenommen – auf der Alpensüdseite um 12% auf 38 Mio. m3 (242 m3/ha) und in den Alpen um 7% auf 123 Mio. m3 (312 m3/ha). Im vergleichsweise flachen und gut erschlossenen Mittelland hat der Vorrat dagegen um 4% auf 87 Mio. m3 (381 m3/ha) abgenommen. Eine solch gegenläufige Vorratsentwicklung war schon zwischen LFI2 (1993–1995) und LFI3 zu beobachten, während davor noch in allen Regionen Vorratszunahmen zu verzeichnen gewesen waren (Abb. 1 rechts).

Stärkerer Vorratsanstieg beim Laubholz

Seit dem LFI3 hat der Laubholzvorrat in der Schweiz um 5% oder 5 m3/ha zugenommen. Dabei war in allen Produktionsregionen ein Vorratsanstieg zu beobachten (Abb. 5). Auch der Nadelholzvorrat nahm im Landesmittel zu, und zwar um 2% oder 5 m3/ha. Im Mittelland nahm der Nadelholzvorrat allerdings markant ab (–19 m3/ha). In der Bilanz ist der Nadelholzanteil am landesweiten Vorrat seit dem LFI3 von 69% auf 68% geringfügig gesunken.

Weniger Fichten im Mittelland

Aus ökonomischer Sicht ist die Fichte die wichtigste Baumart im Schweizer Wald. Sie weist mit 181 Mio. m3 mit Abstand den höchsten Vorrat auf (Abb. 6), und auf sie entfällt fast die Hälfte der Nutzung. Ausser im Jura ist sie in allen Produktionsregionen nicht nur die häufigste Baumart, sondern auch die Baumart mit dem grössten Vorratsanteil.

Seit dem LFI3 (2004–2006) hat der Fichtenvorrat im Alpenraum zugenommen: Auf der Alpensüdseite wuchs er um 13%, in den Alpen um 7%. Im Mittelland hingegen nahm er im gleichen Zeitraum ab, und zwar um rund 13% (Abb.7). Eine derartige Entwicklung war schon zwischen dem LFI2 (1993-1995) und dem LFI3 verzeichnet worden. Im Mittelland ist der Fichtenvorrat so von 178 m3/ha im LFI2 auf 119 m3/ha im LFI4 geschrumpft.

Grund für diesen massiven Rückgang war nicht nur der vergleichsweise gute Preis, den die Fichte auf dem Holzmarkt erzielte, sondern auch ihre Anfälligkeit auf Stürme und Borkenkäferkalamitäten. Als Folge des Klimawandels wird erwartet, dass sich die Wuchsbedingungen für die Fichte im Mittelland im Mittelland weiter verschlechtern, womit ihr Vorrat nochmals abnehmen wird.

Vorrat der Waldföhre nimmt ab

Im Gegensatz zur Fichte haben die ebenfalls häufigen Baumarten Buche, Tanne, Lärche und Bergahorn ihren Vorrat in allen Landesteilen ausgebaut. Die Waldföhre geht teilweise stark zurück.

  • Der Vorrat der Buche ist um 4% auf 76 Mio. m3 angestiegen (Abb. 6), mit starken Zunahmen auf der Alpensüdseite (+10%) sowie in den mittleren und den südwestlichen Alpen (+20–30%).
  • Die Tanne ist schweizweit die Baumart mit dem dritthöchsten Vorratsanteil (15%), stark vertreten ist sie im Jura und in den Voralpen. Seit dem LFI3 hat ihr Vorrat um 5% auf 64 Mio. m3 zugenommen, wobei in den Alpen mit +13% und auf der Alpensüdseite mit +9% die grössten Zunahmen zu verzeichnen waren.
  • Unter den Nadelbaumarten hat der Vorrat der Lärche am stärksten zugenommen, im landesweiten Durchschnitt um 9% auf 25 Mio. m3. Berücksichtigt man auch die seit dem LFI3 neu entstandenen Waldflächen, ist die Zunahme noch grösser.
  • Unter den Laubbaumarten weist die Esche nach der Buche den zweithöchsten Vorrat (16 Mio. m3) auf. Die Esche konnte ihren Vorrat seit dem LFI3 um 6% ausbauen. Im gleichen Zeitraum hat sie aber rund 2% ihrer Stammzahl eingebüsst. Dies ist wahrscheinlich die Folge des Eschentriebsterbens.
  • Von den zehn häufigsten Baumarten des Schweizer Waldes war die prozentuale Vorratszunahme seit dem LFI3 beim Bergahorn am stärksten. Sie betrug landesweit 12%, in den Alpen und auf der Alpensüdseite noch deutlich mehr (23% bzw. 39%). Der Vorratsanteil des Bergahorns ist mit 3% im Vergleich zu demjenigen von Fichte (43%), Buche (18%) und Tanne (15%) aber noch immer bescheiden.
  • Im Gegensatz zu den oben erwähnten Baumarten hat der Vorrat der Waldföhre seit dem LFI3 im landesweiten Mittel abgenommen. Die Abnahme war mit –9% recht stark. Markant war sie im Mittelland (–20%) und im Jura (–11%), wo sich der heute praktizierte Waldbau ungünstig auf ihre Verjüngung auswirkt.
  • Die Eichen weisen landesweit einen Vorratsanteil von lediglich 2% auf. Ihr Vorrat hat seit dem LFI3 leicht abgenommen (-2%), ihre Stammzahl mit -8% deutlicher. Die beiden häufigsten Eichenarten, die Trauben- und die Stieleiche, zeigen dabei eine noch markantere Stammzahlabnahme. Betrachtet man den Zeitraum seit dem LFI1 (1983-1985), so hat die Stammzahl der Eichenarten um 16% abgenommen; ihr Vorrat ist hingegen um 17% angestiegen.

     

Fazit

Wenn man die landesweiten Mittelwerte anschaut, könnte man den Eindruck bekommen, dass sich der Schweizer Wald in Sachen Vorrat und Baumartenzusammensetzung nur wenig verändert hat. Doch das täuscht, wie der Blick auf die einzelnen Regionen zeigt: Die bedeutendste Veränderung ist wohl der markante Rückgang der Fichte im Mittelland in den vergangenen 20 Jahren. Es ist anzunehmen, dass sich diese Entwicklung als Folge des Klimawandels noch beschleunigen wird.

Dieser Beitrag ist der zweite Teil einer Artikelserie zu den Ergebnissen des vierten Landesforstinventars LFI4, dessen Feldaufnahmen zwischen 2009 und 2017 stattgefunden haben. Die weiteren Beiträge sind:

1) Die Holznutzung im Privatwald hat zugenommen
3) Effizientere Forstbetriebe in der Schweiz
4) Momentan schützt der Schutzwald besser
5) Die Waldbiodiversität entwickelt sich weiterhin positiv
6) Die Erholungsnutzung im Wald nimmt zu
7) Wildverbiss: wichtige Baumarten unter Druck
8) Pathogene, Schädlinge und Trockenheit setzen dem Wald zu
9) Wie gut ist der Schweizer Wald für die Holzernte erschlossen?

(TR)