Seit den 1990er Jahren wird im nordostdeutschen Tiefland eine Zunahme von Trieberkrankungen an Waldbäumen – vorwiegend in Verbindung mit pilzlichen Pathogenen – beobachtet. Dieser Trend zeigt sich speziell bei den mykologisch-diagnostischen Untersuchungen für die Forstpraxis ("Waldschutzberatung"). Aber auch die Zahlen des Forstschutzmeldewesens lassen in Brandenburg für das zurückliegende Jahrzehnt einen Anstieg der Schadfläche bei den Trieberkrankungen erkennen.
"Klassische" Trieberkrankungen
Aus den Untersuchungsergebnissen wird deutlich, dass die schon seit langem bekannten ("klassischen") Triebkrankheiten in den zurückliegenden Jahren nur lokal bzw. temporär Probleme verursachten. Beispielsweise wurden im nordostdeutschen Tiefland kaum Symptome des Kieferntriebschwindens (Cenangium ferruginosum) registriert. Zu Schäden kommt es erfahrungsgemäß nur in größeren Zeitabständen. Auch die Scleroderris-Krankheit (Gremmeniella abietina) erreicht in Brandenburg gegenwärtig keine wirtschaftlich fühlbare Dimension. Die Schadfläche des Kieferndrehrostes (Melampsora pinitorqua) unterliegt in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf erheblichen Schwankungen. Indes haben früher wenig auffällige oder bisher unbekannte pilzliche Pathogene enorm an Bedeutung gewonnen.
Abb. 1A: Kieferntriebschwinden
Foto: P. Heydeck
Abb. 1B: Scleroderris-Krankheit. Foto: P. Heydeck.
Abb. 1C: Kieferndrehrost.
Foto: K. M¨öller.
Diplodia-Kieferntriebsterben (Diplodia pinea = Sphaeropsis sapinea)
Abb. 2: Symptome des Diplodia-Triebsterbens an Gemeiner Kiefer.
Foto: P. Heydeck
Am Beispiel des wärmeliebenden Kleinpilzes Diplodia pinea lässt sich zeigen, dass Veränderungen im Pilzartenspektrum durch wiederholt auftretende Witterungsextreme hervorgerufen werden können. Bedingt durch das häufige Vorkommen überdurchschnittlich warmer Sommer in der Zeit nach 1990 fand der genannte Pilz in Mitteleuropa zunehmend günstigere Entwicklungsbedingungen. Angesichts der prognostizierten Klimaänderungen (Temperaturanstieg, Niederschlagskonzentration im Winterhalbjahr, Dürreperioden während der Vegetationszeit) ist zu erwarten, dass seine Bedeutung weiter zunimmt. Damit könnte der Anbau von Kiefern-Arten zukünftig mit einem größeren Risiko behaftet sein. Interessant ist, dass die verschiedenen Kiefern-Provenienzen mit unterschiedlicher Intensität besiedelt werden (Schumacher und Kehr 2011).
Abb. 3: Nachweis von Diplodia pinea an untersuchten Pflanzenproben (Waldschutzdiagnostik, LFE)
Eschentriebsterben (Hymenoscyphus pseudoalbidus)
Während das Diplodia-Kieferntriebsterben im Verlauf der Jahre mit unterschiedlicher Intensität registriert wurde, hat sich das neuartige Eschentriebsterben zu einem permanent schwerwiegenden Problem entwickelt. H. pseudoalbidus wurde erst vor kurzer Zeit beschrieben (Queloz et al. 2010). Der genannte Pilz war bisher nicht als Krankheitserreger bekannt. Inzwischen hat sich das Eschentriebsterben in allen Landschaftsbereichen des nordostdeutschen Tieflands umfangreich etabliert. So entfallen im Jahr 2009 ca. 80 % der im Forstschutzmeldewesen für die Kategorie Trieberkrankungen ermittelten Schadfläche auf die Gemeine Esche (Land Brandenburg).
Betroffen sind sowohl Jungpflanzen als auch heranwachsende und ältere Bäume in Waldbeständen sowie in der offenen Landschaft. Geschädigt werden nicht nur gepflanzte, sondern auch natürlich verjüngte Bäume. Im nordostdeutschen Tiefland wurden erste Symptome im Jahr 2002 registriert. Zu dieser Zeit lagen noch keine gesicherten Erkenntnisse über die Ursachen dieses neuartigen Phänomens vor. Kaum jemand hatte eine Vorstellung von der Dimension, welche die Krankheit in den darauffolgenden Jahren erreichen sollte. Anfangs konzentrierten sich die Schäden auf jüngere Eschen, von denen viele schon nach wenigen Jahren abstarben. Zunehmend erkrankten dann aber auch ältere Bäume, die meist eine deutliche Auflichtung der Kronen erkennen lassen. Da die Infektion ausschließlich von der Hauptfruchtform (Apothecien an Blattspindeln in der Streu) ausgeht, stellen erkrankte Bäume keine unmittelbare Infektionsquelle dar. Somit ist in Waldbeständen eine frühzeitige Entnahme bzw. Entsorgung solcher Eschen nicht erforderlich. Dagegen sollten stark geschädigte, abgängige Alteschen sowie Wertholzstämme wegen der drohenden Besiedelung durch Wurzel- und Stammfäuleerreger oder Insekten – gegebenenfalls auch aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht – rechtzeitig entnommen werden. Gelegentlich ist zu beobachten, dass inmitten einer Vielzahl schwer erkrankter Eschen einzelne Exemplare vorkommen, die nur geringe oder überhaupt keine Symptome des Triebsterbens aufweisen. Dieser kleine Anteil vital gebliebener Bäume könnte die Basis für den Fortbestand der Gemeinen Esche bilden. Resistent erscheinende Bäume sollten deshalb bewusst gefördert werden.
Trieberkrankung an Robinie durch Fusarium sp. Im Jahr 2011 wurde auf zwei Erstaufforstungsflächen in Südbrandenburg ein auffälliges Zurücksterben junger, bis dahin gut wüchsiger Robinien festgestellt. Bei einer ersten Besichtigung der Pflanzungen im Juni 2011 hatten die ältesten, inzwischen fünfjährigen Bäume bereits eine Höhe von ca. 4 m erreicht. Auf erkranktem Gewebe von Trieben bzw. Rinde fanden sich regelmäßig Entwicklungsstadien eines Kleinpilzes aus der Formgattung Fusarium. In Brandenburg wurde Befall durch Fusarium - Arten an Robinie in diesem Ausmaß bisher noch nicht beobachtet. Zaspel und Nirenberg (2002) berichten über Rindennekrosen an 1 bis 3 Jahre alten Robinien (Ostbrandenburg, Lausitz).
Abb. 4: Schwer erkrankte Jungesche mit abgestorbenen Trieben. Foto: P. Heydeck
Abb. 5: Triebschäden an Robinie durch Fusarium sp. Foto: P. Heydeck.
Fazit
Aktuelle Beispiele zum Auftreten von Trieberkrankungen an Waldbäumen zeigen, dass sich die Struktur forstpathologisch relevanter pilzlicher Pathogene in den zurückliegenden Jahren merklich verändert hat. So sind einige bisher unauffällige, wenig bedeutsame Pilzarten heute imstande, umfangreiche Schäden an Bäumen auszulösen. Hinzu kommen neue, bisher noch nicht bekannte Spezies. Wo liegen die Ursachen? Diskutiert wird eine Beeinflussung der Lebenstätigkeit von Bäumen und Mikroorganismen durch wiederholt aufgetretene Witterungsextreme. Die Faktoren des Klimawandels wirken sich auf alle Elemente des Waldökosystems aus – mit weit reichenden Folgen. Betroffen sind nicht nur die Wirt-Parasit-Interaktionen, sondern auch die vielfältigen, sensiblen Wechselbeziehungen zwischen Bäumen und mikrobiellen Begleitern. Schwerwiegend ist offenbar die Modifikation bestehender Gleichgewichte. Hält die seit einem Vierteljahrhundert registrierte Häufung von Witterungsextremen an, muss mit weiteren Veränderungen gerechnet werden, z. B. mit einem verstärkten Auftreten wärmeliebender (thermophiler) Krankheitserreger.
Literatur
- Queloz, V.; Grünig, C. R.; Berndt, R.; Kowalski, T.; Sieber, T. N.; Holdenrieder, O. (2011): Cryptic specification in Hymenoscyphus albidus. For. Path., 41: 133-142 (doi: 10.1111/j.1439-0329.2010.00645.x).
- Schumacher, J.; Kehr, R. (2011): Aktuelle Bedeutung des Diplodia-Triebsterbens an Kiefern (Erreger: Diplodia pinea) in Deutschland und Ansätze für eine Schadensbegrenzung. Jahrbuch der Baumpflege: 147-158.
- Zaspel, I.; Nirenberg, H. I. (2002): Zum Auftreten von Rindenschäden bei Robinia pseudoacacia L. Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd., 54 (5): 105-109.