Ziel des Beitrags ist es, die aktuelle Entwicklung des Eichenprozessionsspinners in Rheinland-Pfalz auf Basis neuer Daten darzustellen. Der an Eichen lebende Nachtschmetterling (Thaumetopoea processionea) ist eine in Rheinland-Pfalz heimische, wärmeliebende Insektenart. Nachweislich kommt der Falter seit mehr als 160 Jahren in Rheinland-Pfalz vor. Aufgrund seiner giftigen Brennhaare und den davon ausgehenden Gesundheitsgefahren zählt die Raupe des Eichenprozessionsspinners seit einigen Jahren zu den bekannteren bzw. medial präsentesten Schmetterlingsarten.
Für Rheinland-Pfalz liegen seit 2019 Erhebungen vor, die auf einem quantitativen Meldewesen fußen (digitales Waldschutzmeldewesen). Innerhalb eines Zeitfensters von März bis November können die von Landesforsten betreuten Reviere ihre jährlichen Waldschutzmeldungen vornehmen. Ausgewertet wurden für den vorliegenden Artikel 589 Eintragungen bzw. Antworten aus fast dreißig vom EPS betroffenen Forstämtern. Die Zahlen und Interpretationen decken sich mit Prognosen von anderen Behörden. Einschränkend muss angemerkt werden, dass die Daten mit einer beschreibenden Statistik ausgewertet wurden und keine statistisch signifikanten Aussagen untersucht wurden. Aufgrund ähnlicher Strukturen der Rückläufer hinsichtlich der Merkmale, wie dem Durchschnittsalter im Vergleich zur Grundgesamtheit, waren die Daten jedoch repräsentativ.
Warum ist der Eichenprozessionsspinner so gerne in Rheinland-Pfalz beheimatet?
Rheinland-Pfalz ist mit ca. 160.000 Hektar Eichenwald ein eichenreiches Bundesland. Mit 20,2% ist der Eichenanteil bundesspitze und liegt doppelt so hoch wie der durchschnittliche Eichenanteil in den anderen Bundesländern. In den Wuchsgebieten Hunsrück, Moseltal, Pfälzerwald oder Saar-Nahe-Bergland wachsen größere zusammenhängende Eichenwälder. Zurückzuführen ist der Anteil häufig auf die Begünstigung der Eiche durch den Menschen und seine Bewirtschaftung.
Diese Wälder bilden für Insekten im Allgemeinen, so auch für den Eichenprozessionsspinner im Besonderen, einen Lebensraum. Nach dem Waldzustandsbericht für Rheinland-Pfalz schwankt die mittlere Kronenverlichtung der Eichen seit den 2000er Jahren zwischen Werten von 1/5 bis 1/3. Eine Untersuchung der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft aus dem Jahr 2013 zeigte, dass sich mit zunehmender Altersstufe die Schadstufe verschlechterte, dabei wurden höchste Schadstufenwerte ab einem Alter von 141 Jahren festgestellt.
Also je älter die Eichen sind, desto mehr Sonnenlicht lassen diese oftmals hindurchscheinen, womit auch die Temperatur in diesen Wäldern ansteigt. Milde Winter fördern zusätzlich Massenvermehrungen dieses wärmeliebenden Insekts. Hinzu kommen das allgemeine Artensterben und der Verlust an natürlichen Gegenspielern, die sich begünstigend auf die Entwicklung auswirken können.
Vorkommen in Rheinland-Pfalz
Erste frühe, historische Nachweise und Fundorte des Eichenprozessionsspinners sind im südlichen Pfälzerwald dokumentiert. Zwischen 1950 und 2000 kam es zeitweise zu Rückgängen, ehe die Art mit Beginn des 21. Jahrhunderts Eingang in das Gesamtverzeichnis Rote Listen von Rheinland-Pfalz fand.
Seit einigen Jahren hat sie jedoch mit Blick auf Stärke und Schnelligkeit des Befalls eine historisch beispiellose Entwicklung in Rheinland-Pfalz durchlaufen. Die Ausweitung des Vorkommens hat die einstigen Grenzen des Verbreitungsgebiets vielerorts überschritten. Nachweisdichte und -häufigkeit haben zugenommen – auf ein bis jetzt nicht bekanntes Hoch.
Zwischen 2019 und 2021 sind über das digitale Waldschutzmeldewesen insgesamt rund 600 Punkt- und Flächenmeldungen eingegangen. Betroffen waren in dem dreijährigen Zeitraum insgesamt 2.100 Hektar. Die gemeldete jährliche Fläche schwankte zwischen 600 und 800 Hektar (im Jahr 2019 rd. 700 Hektar, 2020 rd. 600 Hektar, 2021 rd. 800 Hektar). In mehr als 95% der Fälle handelte es sich bei dem Befall um ältere Bäume. In der Regel waren besonders Einzelbäume betroffen, flächige Vorkommen bildeten die Ausnahme.
Bei geschlossenen Wäldern finden sich die Nachweise oft an den Waldrandbereichen, wo die Lebensraumanforderungen erfüllt werden. Rückmeldungen aus der Praxis lauteten: „beidseitig von geteerten Wegen“, „an Einzelbäumen“, „Stark-Eichen“, „Solitär-Eichen“, „entlang der Waldwege und Waldrand“.
Aus den landesweiten Daten geht auch hervor, dass der Eichenprozessionsspinner nunmehr in allen Höhenlagen vorhanden ist – in höheren Lagen von Hunsrück und Eifel – und auch im Westerwald ist er angekommen. Häufig problematisch sind die Fälle in urban geprägten Waldorten. Aus der Praxis wurden in räumlicher Nähe häufig folgende Objekte gemeldet: „Grillhütte“, „Ruheforst“, „Badestellen“, „Waldlehrpfad“, „Kindergarten“. Nachweise von Faltern sind aber auch aus vielen weiteren Gebieten bekannt, bei denen es mittlerweile keine Seltenheit mehr ist, Populationsdichten bzw. Vorkommen von mehr als zehn Nestern pro Baum anzutreffen.
Der Eichenprozessionsspinner ist gesundheitlich ein Problem. Für die Forstwirtschaft wird der Fraßschaden des Eichenprozessionsspinners i.d.R. nicht als wirtschaftlich fühlbar oder bestandesbedrohend bewertet. Aber zunehmend wird starker Befall im Bestandesinneren auf der gesamten Betriebsfläche gemeldet. Prognosen gehen von einem künftig stärkeren Befall aus. Dies zeigte sich im Jahr 2021 erstmals im Verteilungsmuster, das dominiert wurde von der Kategorie 3 „flächiger“ Befall (s. Abb. 3).
Waldgefährdung einerseits – Gesundheitsgefährdung andererseits
Die Verbreitung des Eichenprozessionsspinners zeigt, dass er Profiteur der aktuellen Dynamik in unserer Umwelt ist. Gleichzeitig beherbergen Eichen aber auch viele Insektenarten und eine pauschale Einordnung des Eichenprozessionsspinners im Speziellen in nützlich oder schädlich, ähnlich einer Schwarz-Weiß-Klassifizierung, wird der Art nicht gerecht. Bei einmaligem Kahlfraß und keiner weiteren Kombination mit anderen schadverstärkenden Faktoren wie beispielsweise Eichenprachtkäfer oder Mehltaubefall können sich die befallenen Eichen von den Fraßschäden erholen.
Bisher tritt der Eichenprozessionsspinner in Rheinland-Pfalz nur auf mehr als 1% der Eichenwaldflächen unmittelbar auf. Da aber historische Nachweise und Vergleiche bei der Befallssituation fehlen, ist der Befall auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten weiter zu beobachten. Gleichzeitig unterstreichen die Ergebnisse aus dem digitalen Waldschutzmeldewesen den bei der Entwicklungsdynamik des Eichenprozessionsspinners zunehmenden Handlungsbedarf im Gesundheitsschutz. Schließlich ist ein natürlicher Zusammenbruch der Populationen nicht erkennbar.
Auch in Zukunft bleiben Schwerpunktgebiete in und um Eichenwälder, besonders in Erholungswäldern, die besondere Aufmerksamkeit verlangen. Ein starker Befall kann dazu führen, dass Menschen und oder Haus- und Nutztiere beeinträchtigt werden oder Veranstaltungen im Wald abgesagt werden müssen.
Wichtiger denn je ist daher ein Beobachten, Melden, Hinweisen, Abwägen und ggf. Einleiten von Gegenmaßnahmen wie Pressearbeit, Gefahrenhinweise, Absperren, Beseitigen, Sanieren oder ein prophylaktisches Vorgehen. Auf waldwissen.net finden sich viele Informationen (z.B. Merkblätter) der beteiligten forstlichen Versuchsanstalten (s. "Mehr auf waldwissen.net" weiter unten).
Bei den Zuständigkeiten und Ansprechpartnern kommt es zu einer allgemeinen Trennung von forst- und landwirtschaftlichen Flächen. Tritt der Befall im Wald auf, kann sich der Waldbesitzer an das zuständige Forstamt wenden.