Insekten sind ökologisch und ökonomisch von vielfältiger Bedeutung. Sie bestäuben Pflanzen, bauen tote pflanzliche und tierische Substanz ab, sind Nahrung für Wirbeltiere, regulieren Schadorganismen und gestalten ganze Lebensräume.

Das im Frühling 2017 erschienene Buch erschliesst uns die faszinierende Welt der Insekten im Wald. Es ist ein Fundus von Wissenswertem und Überraschendem und zeigt grundlegende, aber dennoch verblüffende Beziehungen in der Ökologie auf. Es erklärt die vielfältigen Funktionen von Waldinsekten sowie deren Bedeutung für das Ökosystem Wald und für die von uns nachgefragten vielfältigen Waldleistungen.

Der Autor Beat Wermelinger ist ein Experte auf diesem Gebiet. Er leitet seit vielen Jahren die Forschungsgruppe "Waldentomologie" an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, ist Lehrperson an verschiedenen Institutionen und passionierter Fotograf, bekannt für seine Fotos von Waldinsekten in ihrer natürlichen Umgebung. In seinem Buch öffnet er den Blick fürs Ganze und erläutert die Funktionen, Prozesse und grossen Zusammenhänge. Gleichzeitig offenbaren seine Fotos unerwartete Einblicke und Details, wodurch das Buch auch zu einer Reise in die verborgene Welt und Ästhetik der Waldinsekten wird.

Während unsere Sicht auf Waldinsekten und andere Kleinlebewesen oft geprägt ist durch negative Aspekte wie beispielsweise Zeckenstiche oder Borkenkäferschäden, zeigt Wermelingers Buch in sachlicher und anschaulicher Weise auch ihre vielfältigen positiven Funktionen auf. Die oft sehr unscheinbaren Waldbewohner sind überaus wichtig für die Wälder, von der Keimung der Pflanzen bis über ihr Absterben hinaus. Sie bestäuben die Blüten von Pflanzen und transportieren und verbreiten deren gereifte Samen. Sie zerkleinern abgestorbene Blätter und Holz, aber auch tote Tiere, machen Nährstoffe verfügbar und erhalten so die Bodenfruchtbarkeit. Zusammen mit Pilzen und Bakterien sind sie somit die eigentlichen Motoren des Nährstoffkreislaufes. Insekten sind zudem eine wichtige Nahrungsgrundlage für viele Vögel, Reptilien oder Säugetiere. Bestimmte Arten regulieren Schadorganismen und tragen dadurch wesentlich zu intakten Ökosystemen bei.

Die Wirkung eines einzelnen Insekts ist in der Regel sehr begrenzt. Treten die Tiere jedoch gehäuft auf, können sie innert kurzer Zeit einen Baum kahl fressen. Kommt es gar zu Massenvermehrungen von Millionen von Individuen, dann vermögen sie ganze Landschaften zu verändern, wie zum Beispiel der Lärchenwickler, der alle neun Jahre die Nadeln von Lärchen vernichtet und ganze Talschaften, wie das Engadin oder das Goms, regelrecht verbraunen lässt. Ein anderes bekanntes Beispiel sind die Borkenkäfer, die bei einer Massenvermehrung die Bäume ganzer Waldgebiete zum Absterben bringen können. Dadurch verändert sich die Waldentwicklung grundlegend, und die jahrzehntelange Waldpflege wird innert weniger Wochen zunichte gemacht. Gleichzeitig beleuchtet das Buch die ökologische Bedeutung solcher Störungen. Es greift auch das zunehmend an Bedeutung gewinnende Thema der eingeschleppten, gebietsfremden Arten auf, und schliesst mit einem nicht minder aktuellen Kapitel über gefährdete, vom Aussterben bedrohte Waldinsekten und dessen Ursachen.

Die vorgestellten Arten und die vielfältigen Prozesse und Funktionen der Waldinsekten faszinieren jeden Natur- und Waldliebhaber. Das Buch unterstützt zudem Waldbesitzer und Förster bei der Ausgestaltung einer nachhaltigen und naturnahen Bewirtschaftung unserer Wälder.

Wermelinger, B. (2017): Insekten im Wald – Vielfalt, Funktionen und Bedeutung.
Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf; Haupt, Bern, 367 S.

Preis: Fr. 49.90 (49.90€)

ISBN 978-3-258-07993-6

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich oder kann beim Verlag bestellt werden.

 

Impressionen aus dem Buch

alle Fotos: Beat Wermelinger (WSL)

Die Vogelbeer-Blattwespe (Pristiphora geniculata) gehört zu den Haut­flüglern, einer der arten­reichsten Insekten­ordnungen. Wie bei vielen Blattwespen nehmen die Raupen bei einer Störung eine charakteristische Schreckstellung ein, um mögliche Feinde abzuschrecken.

Schwebfliegen gehören zu den häufigsten Be­stäubern von Waldpflanzen. Die Behaarte Schwebfliege (Syrphus torvus) lebt bevorzugt in Wäldern. Sie fliegt schon früh im Jahr und ist deshalb eine häufige Besucherin des früh blühenden Spitzahorns.

Die Afterraupen der Rotgelben Kiefern-Buschhornblattwespe (Neodiprion sertifer) fressen ausschliesslich Kiefernnadeln. Das in den Harz­kanälen enthaltene Harz speichern sie in speziellen Taschen am Vorderdarm. Zur Vertei­digung wird es hervorgewürgt und auf den Angreifer geschmiert. Der auf den Boden gelangende Kot enthält wenig Harz und kann von den Mikroorganismen schnell abgebaut werden.

Der Kadaver einer Gämse ist ­prall gefüllt mit Fliegenmaden (unten), die sich im verwesenden Gewebe entwickeln. Auch Aaskäfer wie der orange gemusterte Schwarz­fühlerige Totengräber (Nicrophorus vespilloides, oben) sind typische Aasfresser.

Während der Aufzucht verfüttern Meiseneltern grosse Mengen von Nachtfalter­raupen an ihre Nestlinge.

Ein Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella septempunctata) beim Fressen einer geflügelten Blattlaus.

Insektenbefall kann zum selektiven Absterben von geschwächten Bäumen führen. Dies erhöht die durchschnittliche Vitalität eines Bestandes.

Viele gefährdete Insektenarten leben in totem Holz. Der Bunte Kirschbaum-Prachtkäfer (Anthaxia candens) entwickelt sich unter der Rinde absterbender Äste und Stämme verschiedener Kirschen und zählt in den meisten Ländern Mitteleuropas zu den bedrohten Arten.

(TR)