Das 400 Seiten umfassende Buch von Wolfgang Willner "Taschenlexikon der Käfer Europas" beginnt nach einem kurzen Vorwort mit einer kurzen Einleitung über Naturschutz, Körperbau und Biologie der Käfer. Daran schliesst sich eine systematische Übersicht in Alphabetischer Reihenfolge der Überfamilien und Arten an.
Anschliessend folgt der Hauptteil des Buches – die Artportraits. Hierin stellt der Autor Arten aus 110 Käferfamilien in alphabetischer Reihenfolge der wissenschaftlichen (lateinischen) Namen detaillierter vor. Auf ca. 350 Seiten werden 486 Käferarten portraitiert, wobei sich jeweils auf der linken Seite der Text befindet und gegenüber auf der rechten Seite die dazugehörigen Fotos. Fast durchgängig handelt es sich um Aufnahmen lebender Käfer in freier Natur. Nur in Ausnahmefällen wurden Museumspräparate fotografiert.
Die Familien werden in alphabetischer Reihenfolge abgehandelt, wobei jeweils einige Kurzcharakteristika der Familie zuoberst steht, gefolgt von den Artportraits – ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge. Hier finden sich Angaben zu Grösse, Aussehen, Vorkommen, Biologie, Entwicklung und Lebensweise sowie Tipps zum Beobachten, mögliche Schadbilder etc.
Danach schliesst sich ein sehr kurzes Literaturverzeichnis und der Bildnachweis an. Im Anschluss findet der Leser zusätzlich eine Übersicht über die Beobachtungszeiträume einiger ausgewählter Arten. Den Abschluss bildet ein Register der lateinischen und deutschen Namen.
Einführung und systematische Übersicht
Abb. 1 - Hirschkäferweibchen. Foto: Doris Hölling (WSL)
Die Einführung in die Gruppe der Käfer ist mehr als knapp gehalten. Der Autor weist zuvor darauf hin, dass "selbst der naturerfahrene Betrachter" oft Wanzen, Schaben oder Zikaden mit Käfern verwechselt. Leider gibt er keine Hinweise zu den Unterscheidungsmerkmalen. Lediglich fünf sehr kleine Fotos zeigen Vertreter dieser Gruppen. Da wäre eine kurze Hilfestellung – vielleicht nur textlich – hilfreicher gewesen oder wenigstens jeweils ein Foto aller genannten Gruppen im Vergleich zu einem Käfer.
Eine ebenso kurze Beschreibung von Körperbau, Fortpflanzung und Entwicklung schliesst sich an. Die unterschiedlichen Larvenformen verschiedener Käferfamilien werden mittels sehr kleinen Bildern zwar visualisiert, doch leider bietet das dem Laien nicht sehr viel Information, da ausser den Namen jedwelige Beschreibung fehlt.
Die verwendete systematische Übersicht ist zwar aktuell und übersichtlich, da sie aber ebenfalls in alphabetischer Reihenfolge dargestellt wird, ist das Nachschlagen etwas gewöhnungsbedürftig. Die meisten anderen gebräuchlichen Werke verwenden das "natürliche System". Auch für Laien, die bei einer Käferbestimmung mittels Foto-Büchern mit anderen Werken vergleichen wollen, ist die Handhabung etwas umständlich.
Vorgestelltes Artenspektrum
Abb. 2 - Pappelblattroller auf seiner Wirtspflanze. Foto: Doris Hölling (WSL)
Mit ca. 8000 Arten sind die Käfer die drittgrösste heimische Insektenordnung. Daher ist es klar, dass in einem handlichen Begleitbuch nicht alle Arten aufgeführt werden können. Der Autor stellt fast 500 dieser Arten in Bild und Text vor. Es ist naheliegend, dass dabei nicht alle Familien gleichermassen berücksichtigt werden können. Grosse, auffällige und häufige Arten wie Bock-, Lauf- oder Blattkäfer sind sehr stark vertreten. Aber auch unscheinbare und kleine Käferarten wie Zwerg- oder Baummulmkäfer sowie Kurzflügelkäfer finden sich in den Artportraits. Der Autor stellt eine grosse, sehr gelungene Auswahl typischer Vertreter dieser faszinierenden Insektengruppe vor und vermittelt somit einen guten Überblick über die heimischen Käfer. Auch wenn nicht alle Arten vertreten sind, bietet sich für den Leser eine grosse Vielfalt, die ihm bei der Käferbestimmung sicher hilfreich ist.
Artbeschreibung
Abb. 3 - Kleiner Eichenbock. Foto: Doris Hölling (WSL)
Die Texte zu den Käferarten finden sich jeweils auf der linken Hälfte der Doppelseite. Die Beschreibung des Autors ist präzise und differenziert. Oft geht er – wenn erforderlich – auch auf die Geschlechtsunterschiede und Varianten ein. Ausserdem gibt er gute Tipps zur Beobachtung einzelner Arten.
Dieses Buch ist kein Bestimmungsbuch, da ein Bestimmungsschlüssel fehlt. Dieser bleibt Spezialwerken zu den Käferfamilien vorbehalten. Für den Käferinteressierten sollten die durchweg sehr guten Fotos des Autors und von Heiko Bellmann für eine erste Einschätzung ausreichen. Nur einige wenige Arten werden ohne Foto beschrieben. Zum Bestimmen ist der Käferlaie zumeist darauf angewiesen, das ganze Buch durchzublättern.
Damit auch der Laie schnell eine Familienzugehörigkeit erkennt, wäre vielleicht eine "Typen-Übersicht" hilfreich gewesen, wie man sie in anderen Büchern findet. Teilweise fallen die Familien-Beschreibungen etwas dürftig aus. Der Leser erfährt zwar etwas zu Artenzahlen aber erhält leider nicht immer Angaben zur speziellen Charakteristik der Familie.
Das Literaturverzeichnis fällt etwas mager aus. Wichtige – auch für Laien geeignete Bestimmungswerke – fehlen leider. Gleiches gilt für die Aufzählung interessanter Webseiten. Hier nennt der Autor nur drei Beispiele, dabei gibt es viele, gut illustrierte Internetseiten, die auch dem Laien weiterhelfen können.
Das Phänogramm im Anschluss ist eine tabellarische Übersicht, aus der man das jahreszeitliche Auftreten von ca. 180 der 500 Käferarten ersehen kann. Für den Leser ist es hilfreich, um bei gefundenen Arten eine erste Einschätzung vornehmen zu können oder um sich zu orientieren, wann man welchen Käfer am besten suchen kann.
Am Ende des Buches schliesst sich noch ein Register mit deutschen und lateinischen/wissenschaftlichen Namen an.
Insgesamt bietet das Taschenlexikon der Käfer Mitteleuropas eine ausgezeichnete Übersicht über die heimische Käferwelt. Wer keine ausführliche Einführung in diese interessante Tiergruppe, einen Bestimmungsschlüssel oder zumindest eine Typen-Übersicht erwartet, sich nicht an der alphabetischen Aufreihung stört und keinen grossen Wert auf Literaturempfehlungen und Webseiten legt, wird mit dem Werk auf seine Kosten kommen. Die beträchtliche Anzahl ausgezeichneter Fotos ist für jeden Käferfreund eine gute Basis für eigene Bestimmungen und somit ein tolles Nachschlagewerk.
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