Laub- und Laubmischwälder sind ein besonders hochwertiger Lebensraum für eine Vielzahl von Fledermausarten. Dabei spielen die beiden heimischen Eichenarten (Quercus robur und Quercus petraea) eine wichtige Rolle: Sie beherbergen unter allen heimischen Baumarten nicht nur die höchste Anzahl an Insektenarten, sondern auch die höchste Arthropoden-Biomasse. Dies macht Eichenwälder zu ausgezeichneten Jagdhabitaten für viele Fledermausarten. Zudem begünstigt die lichte Kronenstruktur der Eichen mit den weit ausladenden Hauptästen und großen Zwischenräumen die Insektenjagd. Da beide Eichenarten schon mit vergleichsweise niedrigem Alter viel Kronentotholz aufweisen und in der Regel – auch im Wirtschaftswald – hohe Alter erreichen, bieten eichenreiche Laubwälder darüber hinaus überdurchschnittlich viele und langjährige Baumquartiere.
Um diese sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht wertvollen Wälder vor großflächigen Massenvermehrungen und flächigem Kahlfraß zu schützen, wurden in den letzten Jahrzehnten besonders stark vom Schwammspinner befallene Flächen teilweise mit Pflanzenschutzmitteln behandelt. In diesem Zusammenhang wurden auch immer wieder eventuelle negative Auswirkungen auf Organismen diskutiert, die nicht Ziel der Behandlungsmaßnahmen sind. Zu diesen "Nichtzielorganismen" zählen z. B. Fledermäuse, die sich überwiegend von Insekten ernähren und damit unter Umständen indirekt von diesen Maßnahmen (bzw. deren Unterlassung) betroffen sind.
Über die Auswirkungen derartiger Pflanzenschutzmaßnahmen auf Waldfledermäuse gibt es bisher nur wenige Kenntnisse. Deshalb wurde die "Pilotstudie zur Fledermausaktivität in unterschiedlich von Klimawirkungen getroffenen Eichenmischwaldbeständen in Mittel- und Unterfranken" (ST 353) durchgeführt.
Methodisches Vorgehen
Im Rahmen des Projekts wurden in den Jahren 2020 und 2021 in folgenden Bestandestypen Ruferfassungen mit Horchboxen ("Batcorder") durchgeführt:
- Eichen- bzw. Eichenmischbestände ohne Prädisposition für Kahlfraß: Bestände, für die keine Kahlfraßprognose vorlag – folgend mit "n" (Nullfläche) abgekürzt
- Eichen- bzw. Eichenmischbestände mit Prädisposition für Kahlfraß, aber ohne Pflanzenschutzmitteleinsatz: Bestände, die innerhalb der Kahlfraß-Prognosekulisse lagen, aber nicht behandelt wurden – folgend mit "k" (keine Behandlung) abgekürzt
- Eichen- bzw. Eichenmischbestände mit Prädisposition für Kahlfraß, die 2020 mit dem Pflanzenschutzmittel MIMIC® behandelt wurden: Bestände, die sowohl innerhalb der Prognose- als auch der Behandlungskulisse lagen – folgend mit "b" (Behandlung) abgekürzt
Dazu wurden Anfang 2020 in unter- und mittelfränkischen Schwammspinner-Schwerpunktregionen vier Untersuchungsgebiete ausgewählt, in denen die drei oben genannten Zustandstypen räumlich benachbart vorkommen. Je Untersuchungsgebiet und Zustandstyp bestimmte man drei bis vier Batcorderstandorte, an denen zwischen April und September der Jahre 2020 und 2021 einmal monatlich jeweils eine Nacht lang Rufaufnahmen durchgeführt wurden (Abbildung 3). Um die Vergleichbarkeit der Bestände zu ermitteln und die Habitatqualität für Fledermäuse beurteilen zu können, erfolgten an jedem Batcorderstandort zusätzlich standardisierte Waldstrukturaufnahmen. Dadurch konnten die Diversität, Artenzusammensetzung und Aktivität der Fledermäuse analysiert und mit möglichen Einflussgrößen (insbesondere Pflanzenschutzmittel-Behandlung, Waldstruktur) in Beziehung gesetzt werden.
Bei der Flächenauswahl im Jahr 2020 wurden die Probeflächen des Typs k (Prädisposition, unbehandelt) gezielt in Bestände gelegt, für die eine Kahlfraßprognose vorlag, aber keine Behandlung vorgesehen war. Tatsächlich blieb der erwartete Licht- oder Kahlfraß in diesen Beständen – offenbar aufgrund der bereits weit fortgeschrittenen Gradation und der kühlfeuchten Witterung im Frühjahr – aus. Es kam deshalb nicht zu partiellen oder größeren Vitalitätsbeeinträchtigungen oder gar zum Absterben von Bäumen in den Beständen. Diesen Sachverhalt gilt es bei den weiteren Ausführungen und der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen.
Hohe Gesamtartenvielfalt in allen Varianten
Insgesamt konnten in der Studie 13 verschiedene Fledermausarten eindeutig bestimmt und damit zweifelsfrei nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus), Breitflügelfledermaus (Eptesicus serotinus), Nymphenfledermaus (Myotis alcathoe), Bartfledermaus (Myotis mystacinus/brandtii), Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii), Wasserfledermaus (Myotis daubentonii), Großes Mausohr (Mmyotismyotis), Fransenfledermaus (Myotis nattereri), Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri), Großer Abendsegler (Nyctalus noctula), Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii), Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) und Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus). In den Untersuchungsgebieten sind damit mehr als die Hälfte der 22 in Bayern heimischen Arten anzutreffen. Nennenswerte Unterschiede zwischen den drei Bestandestypen waren dabei nicht zu beobachten. So ist in beiden Jahren der Anteil der Arten, die in allen drei Varianten gleichermaßen erfasst worden sind, mit 92 % (2020) bzw. 85 % (2021) sehr hoch (Abbildung 4).
Diversität und Aktivität an den Batcorder-Standorten
Vergleicht man die drei Varianten hinsichtlich der Anzahl der an den einzelnen Batcorderstandorten detektierten Arten (Alpha-Diversität), ergaben sich ebenfalls keine Unterschiede zwischen den Zustandstypen. Dies gilt sowohl für das Jahr der Behandlung 2020 als auch für das Jahr nach der Behandlung 2021. Insgesamt konnten in 2021 unabhängig von der Variante tendenziell etwas weniger Arten an den Batcorderstandorten erfasst werden als in 2020 (Abbildung 5 oben).
Während es bei den Artenzahlen also kaum Abweichungen zwischen den drei Varianten gab, konnten bei der Aktivität ("Sekunden Aktivität": Dauer der aufgezeichneten Rufe in Sekunden als Maß für die Analyse der Nutzungsintensität eines Standorts) sehr wohl Unterschiede festgestellt werden. Vergleicht man die mittlere Aktivität aller Arten/Artenaggregate, lassen sich für beide Erfassungszeiträume 2020 und 2021 signifikante Unterschiede zwischen den Nullflächen (Typ n) und den Flächen mit Prädisposition, aber ohne Behandlung (Typ k) erkennen (Abbildung 5 Mitte). So weisen die Nullflächen eine nachweisbar geringere Fledermausaktivität auf als die nicht behandelten Flächen. Die Flächen des Typs b (behandelte Flächen) liegen hinsichtlich der mittleren Fledermausaktivität jeweils zwischen den anderen beiden Varianten, von denen sie sich statistisch nicht unterscheiden. Ein Effekt der Behandlung auf die durchschnittliche Gesamtaktivität ist also weder für das Jahr der Behandlung noch für das darauffolgende Jahr zu erkennen. Dies gilt auch für einzelne Arten oder Nahrungs- bzw. Jagdgilden.
Abb. 5: Anzahl der an den einzelnen Batcorderstandorten detektierten Fledermausarten (oben), mittlere Aktivität der Fledermäuse (Mitte) sowie Stammzahlen je Hektar (unten), unterteilt nach Variante und ggf. Untersuchungsjahr. Verschiedene Buchstaben zeigen statistische Unterschiede zwischen den drei Varianten an.
Welche Faktoren steuern Aktivität und Diversität der Fledermäuse?
Doch woran liegt es, dass die Fledermäuse die Nullflächen weniger oft und lang aufsuchten? Eine Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Betrachtung der ermittelten Waldstrukturen. Insgesamt waren kaum Unterschiede in der Waldstruktur zwischen den drei untersuchten Varianten zu erkennen. Dies gilt beispielsweise für die Baumartenzusammensetzung, das Bestandesalter, die Schichtigkeit, die Totholzvorräte oder die Grundfläche der Bestände – nicht jedoch für den Parameter "Gesamtstammzahl je Hektar". So war die Bestandesdichte auf den Nullflächen (Typ n) mit durchschnittlich 432,1 Bäumen je Hektar signifikant höher als in den Beständen des Typs k (keine Behandlung) mit 309,5 Stück je Hektar. Die Dichte der behandelten Bestände (Typ b) liegt mit durchschnittlich 362,6 Bäumen pro Hektar zwischen den beiden anderen Typen, von denen sie sich statistisch jedoch nicht unterscheidet (Abbildung 5 unten). Die größten Differenzen hinsichtlich der Bestandesstrukturen – und damit offensichtlich auch bezüglich der Habitatnutzung durch Fledermäuse – bestehen also zwischen den Nullflächen (hohe Stammzahlen) und den nicht behandelten Flächen (niedrige Stammzahlen).
Um herauszufinden, ob es neben den Stammzahlen noch weitere Faktoren gibt, die die Diversität und Aktivität der Fledermäuse auf den untersuchten Flächen maßgebend beeinflussen, wurden Korrelationen zwischen den Artenzahlen bzw. den mittleren Aktivitäten im Erfassungszeitraum und den an den Batcorderstandorten ermittelten Strukturparametern berechnet. Von den vielen verfügbaren Strukturparametern wurden nur solche berücksichtigt, bei denen ein Einfluss auf die Diversität bzw. Aktivität der Fledermäuse denkbar erscheint. Als weiteren Faktor bezog man den Parameter "Behandlung mit Pflanzenschutzmittel (ja/nein)" in die Analysen mit ein, da dieser für die Untersuchung besonders interessant war.
Bei Betrachtung der Korrelationen zwischen den ausgewählten Parametern und der Alpha-Diversität fällt auf, dass zwischen den Artenzahlen an den Batcorderstandorten und dem Faktor "Behandlung" kein Zusammenhang besteht. Signifikant positive Korrelationen mit der Alpha-Diversität können für die Strukturparameter "Bestandesalter", "Anteil freien Bodens" und "Grundfläche je Hektar" nachgewiesen werden, signifikant negative Korrelationen für die Parameter "Deckung der Strauchschicht" sowie "Stammzahlen je Hektar".
Ähnliche Zusammenhänge bestehen auch hinsichtlich der mittleren Fledermausaktivität. Vergleichbar mit der Alpha-Diversität wird auch diese durch den Pflanzenschutzmitteleinsatz nicht beeinflusst. Als aktivitätsfördernde Faktoren (signifikant positive Korrelationen) stellen sich die Deckung der Krautschicht sowie der mittlere Brusthöhendurchmesser (BHD) heraus, als aktivitätshemmend (signifikant negative Korrelationen) die Parameter "Deckung der Strauchschicht", "Anzahl der Schichten" und "Stammzahlen je Hektar". Insgesamt wurden die Diversität und Aktivität der Fledermäuse auf den Probeflächen unter den gegebenen Rahmenbedingungen also offenbar nicht durch die Behandlung mit MIMIC®, sondern vielmehr durch unterschiedlich ausgeprägte Bestandesstrukturen beeinflusst.
Diskussion
Wie kaum ein anderer Waldtyp zeichnen sich Eichen- und Eichen-Mischwälder durch eine hohe Artenvielfalt aus, sie werden daher zurecht als "Hotspots" der Biodiversität bezeichnet. Dies unterstreichen auch die Ergebnisse dieser Studie, bei der 13 verschiedene Fledermausarten zweifelsfrei nachgewiesen wurden. Dies entspricht mehr als der Hälfte der 22 in Bayern heimischen Arten. Einen mit zwölf Arten vergleichbar hohen Wert fand beispielsweise auch Runkel (2008) bei Untersuchungen der Fledermausfauna im Forstbetrieb Ebrach.
Eine Besonderheit stellen die Nachweise der seltenen Nymphenfledermaus (Myotis alcathoe) dar, die sowohl auf der bayerischen als auch auf der bundesweiten Roten Liste als "vom Aussterben bedroht" geführt wird. Umso erfreulicher ist es, dass diese Art die dritthöchste Gesamtaktivität aller detektierten Arten aufwies und in beiden Untersuchungsjahren sowie in allen Varianten dokumentiert wurde. Zudem ergab sich für ein Untersuchungsgebiet ein deutlicher Hinweis auf das Vorhandensein einer Wochenstube im näheren Umfeld.
Ein Einfluss des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf die Diversität und Aktivität der Fledermäuse war nicht zu beobachten. Dies galt selbst für die Gilde der Lepidoptera-Spezialisten, d. h. für diejenigen Arten, die auf Schmetterlinge als Nahrung spezialisiert sind. Insgesamt scheint das Nahrungsangebot für Fledermäuse durch die Behandlung mit MIMIC® somit nicht wesentlich eingeschränkt worden zu sein. Dies dürfte insbesondere auf die selektive Wirkung des MIMIC®-Wirkstoffs Tebufenozid auf freifressende Schmetterlingsraupen und das breite Nahrungsspektrum vieler Fledermausarten (Ausweichen auf Alternativnahrung) zurückzuführen sein.
Während es keine Hinweise dafür gab, dass die Pflanzenschutzmittel die Artenzahlen und Aktivitäten auf den Probeflächen beeinflusst hatten, erkannte man für diverse Strukturparameter sowohl positive als auch negative Zusammenhänge mit der Fledermausdiversität bzw. -aktivität. Hohe Artenzahlen und Aktivitäten fanden sich bevorzugt in älteren Beständen mit geringen Stammzahlen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass sich das Vorhandensein einer Strauchschicht oder eine zunehmende Anzahl an Bestandesschichten negativ auf Aktivität und Artenreichtum auswirken. Stark verallgemeinernd können somit Strukturen, die den Flugraum einschränken, als eher aktivitäts- und diversitätsmindernd angesehen werden, und Strukturen, die das Fliegen und Manövrieren erleichtern, als eher aktivitäts- und diversitätsfördernd. Zudem ist davon auszugehen, dass sich das wärmere Bestandesinnenklima lichter Bestände positiv auf die Insektenbiomasse und damit auf das Nahrungsangebot auswirkt. Die höhere Attraktivität älterer Bestände lässt sich möglicherweise auch auf ein größeres Angebot an Quartieren zurückführen. Die große Bedeutung von Bestandesstrukturen für die Fledermaus-Habitateignung bestätigen auch andere Untersuchungen, bei denen ebenfalls Einflüsse der Bestandesdichte, des Bestandesalters, der Bestandeshöhe, der Vegetationsschichtung oder der Kronendeckung auf die Aktivität von Fledermäusen nachgewiesen wurden.
Zusammenfassung
Um die ökologisch und ökonomisch wertvollen Eichenwälder vor großflächiger Massenvermehrung und flächigem Kahlfraß zu schützen, wurden in den letzten Jahren besonders stark vom Schwammspinner befallene Flächen teilweise mit dem Pflanzenschutzmitteln MIMIC® behandelt. Über die Auswirkungen solcher Pflanzenschutzmaßnahmen auf Waldfledermäuse wusste man bisher nur wenig. Um diese Wissenslücke zumindest zu verkleinern, wurde die "Pilotstudie zur Fledermausaktivität in unterschiedlich von Klimawirkungen betroffenen Eichenmischwaldbeständen in Mittel- und Unterfranken" durchgeführt. Dabei konnte kein Einfluss des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf die Diversität und Aktivität der Fledermäuse beobachtet werden. Als maßgeblich für die Fledermaus-Habitatnutzung stellten sich vielmehr die Strukturen der Bestände heraus.