Eichenwälder zeichnen sich durch eine große Artenvielfalt aus, darunter auch zahlreiche gefährdete Arten und Eichenspezialisten. Doch einzelne Arten können empfindliche Schäden verursachen. Eine Gruppe von Schmetterlingsarten wird unter dem Begriff "Eichenfraßgesellschaft" zusammengefasst. Diese Arten sind zum Aufbau von Massenvermehrungen befähigt – ihre Raupen können Eichen- und Eichen-Mischwälder durch flächigen Kahlfraß massiv schädigen. Hierzu gehören Eichenwickler (Tortrix viridana), Frostspannerarten (Erannis defoliaria, Operophtera brumata und weitere), Frühlingseulen (Orthosia spec.) und der Schwammspinner (Lymantria dispar).

In den Jahren 2018 bis 2020 gab es in Franken eine Schwammspinner-Massenvermehrung, die auf Teilfächen einen Pflanzenschutzmitteleinsatz notwendig machte. Dabei wurde das im konventionellen Gemüse-, Obst- und Weinbau verbreitete Pflanzenschutzmittel MIMIC® eingesetzt.

Schwammspinner: bedeutendste Art der Eichenfraßgesellschaft

Die forstlich bedeutendste Art der Eichenfraßgesellschaft ist der Schwammspinner, der vor allem in wärmegetönten Laubwaldgebieten in ganz Mittel- und Westeuropa vorkommt. Seine bis zu 7,5 cm lange Raupe ernährt sich nach ihrem Schlupf im Frühling und Frühsommer von Eichenblättern, bei Nahrungsmangel auch von Laub und Nadeln anderer Baumarten. Bei Massenvermehrungen können die Raupen, von denen dann mehrere Hunderttausend auf jedem Baum zu finden sind, eine Gefahr für die Wälder darstellen.

Die Raupen entwickeln sich noch im Herbst in den Eiern und überwintern in den Gelegen. Sie schlüpfen Ende April und beginnen mit ihrer Fraßtätigkeit bereits an den aufbrechenden Knospen. Die Fraßzeit des Schwammspinners ist deutlich länger als die der anderen Mitglieder der Eichenfraßgesellschaft. Die Raupen fressen von Laubausbruch (Ende April/Anfang Mai) bis Ende Juni, so dass nicht nur der Maitrieb, sondern auch Ersatztriebe und Johannistrieb betroffen sein können. Dadurch werden die Bäume massiv geschwächt und anfällig für Folgeschädlinge. Eine besondere Eigenschaft der Jungraupen ist, dass sie unmittelbar nach dem Schlüpfen Seidenfäden spinnen, mit deren Hilfe sie sich vom Wind verfrachten lassen. So verteilen sie sich über ganze Waldbestände und auch über weitere Strecken in neue Fraßgebiete.

Pflanzenschutzmitteleinsatz in gefährdeten Eichenbeständen

Um waldbestandsgefährdende Konstellationen zu vermeiden, führt die Bayerische Forstverwaltung alljährlich ein Monitoringverfahren durch (Pheromonprognose). Werden besonders viele Falter gefangen, schließen sich ergänzend Eigelegesuchen an. Das Monitoringverfahren, die Entscheidungsfindung zum weiteren Vorgehen sowie die Vorbereitung und Durchführung eines Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln (PSM) gegen Schwammspinner haben Hahn et al. (2021) beschrieben.

Im Jahr 2020 ermittelte die Abteilung "Waldschutz" der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) eine Kahlfraßgefährdungsfläche von knapp 7.300 ha. In mehreren Prüfschritten wurden anschließend Flächen wieder aus der Behandlungskulisse herausgenommen, z. B. Waldflächen, für die betroffene Waldeigentümer keine Anmeldung zum Einsatz von PSM eingereicht hatten. Mit 2.782 ha wurde letztendlich eine deutlich geringere Fläche mit dem Pflanzenschutzmittel MIMIC® als die ursprünglich ermittelte Gefährdungsfläche behandelt.

Für die Pflanzenschutzmittelbehandlung wählte das Waldschutz-Team der LWF MIMIC® mit dem Wirkstoff Tebufenozid aus, weil es unter den zur Verfügung stehenden PSM-Präparaten ihrer Einschätzung nach das beste Verhältnis von Wirksamkeit, Wirkungsdauer und geringen Nebenwirkungen auf Nichtzielorganismen aufwies. Tebufenozid wirkt als Häutungsbeschleuniger selektiv auf Schmetterlingslarven. Es bewirkt einen Fraßstopp, eine Beschleunigung der Häutungen und nach fünf bis sieben Tagen das Absterben der Raupen. Die Ausbringung von MIMIC® auf den ausgewählten rund 2.780 ha erfolgte mittels Hubschrauber (750 ml/ha in 50 l/ ha Wasser) im Mai 2020.

MIMIC® ist als bienenungefährlich eingestuft (Bienengefährdungsstufe B4) und gilt als nicht schädigend für Raubmilben, Marienkäfer, Laufkäfer, Spinnen und Schlupfwespen. Imkerinnen und Imker befürchteten dennoch, dass Bienen mit dem Wirkstoff in Kontakt kommen und dass es auch zu Rückständen in den Bienenprodukten kommen könnte.

Monitoring zu Auswirkungen auf Bienen

Das Institut für Bienenkunde an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) hat die Pflanzenschutzbehandlung 2020 gemeinsam mit der LWF, dem Julius Kühn-Institut und dem Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. mit einem Monitoring begleitet, um mögliche Auswirkungen auf die Bienen und Rückstände in den Völkern bzw. im Honig und Pollen zu erfassen. Überprüft werden sollte, ob im Behandlungsgebiet aufgestellte Bienenvölker mit dem Wirkstoff in Kontakt kommen und falls ja, ob das zeitweise Verschließen der Fluglöcher den Wirkstoffeintrag reduzieren kann.

In Retzstadt (Unterfranken) wurden im Behandlungsgebiet und an einem Kontrollstandort Versuchsgruppen mit jeweils sechs Bienenvölkern aufgestellt:

  • Gruppe I: Kontrolle, Standort außerhalb des Behandlungsgebietes
  • Gruppe II: Versuchsstandort im Behandlungsgebiet mit offenem Flugloch am Tag der Behandlung
  • Gruppe III: Versuchsstandort im Behandlungsgebiet mit geschlossenem Flugloch am Tag der Behandlung

Die Entwicklung der Völker erfasste die LWG mittels Populationsschätzungen (Imdorf et al. 1987) vor Beginn und nach Ende des Versuchs. Dabei wurden die Anzahl der Bienen und Brutzellen sowie die Menge der Futtervorräte bestimmt. Bei den Brutzellen unterschied man zwischen Eiern und Larven, um gegebenenfalls Auswirkungen des Wirkstoffs auf die Larvalentwicklung zu dokumentieren. Die Völkergruppen wurden am 23. April 2020 geschätzt und in die genannten Versuchsgruppen eingeteilt. Die mittleren Werte lagen bei 23.000 Bienen und 38.600 Brutzellen. Die Völker besetzten zwei Bruträume und einen Honigraum. Die Aufstellung der Völker erfolgte am 4. Mai 2020, die Ausbringung des PSM (Applikation) am 7. Mai 2020. Am 15. Mai 2020 wurden die Völker an einem gemeinsamen Versuchsstandort außerhalb des Behandlungsgebietes zusammengezogen.

Vor der Applikation wurden aus allen Bienenvölkern Futterproben entnommen und Pollenproben mittels Pollenfallen gewonnen. Pollenfallen sind Vorrichtungen mit runden Gitteröffnungen am Flugloch, die Bienen passieren müssen, um in den Stock zu gelangen. Pollensammlerinnen verlieren dabei ihre Pollenhöschen, die dann aufgefangen werden. Die Pollenfallen der Gruppe I und II wurden am Tag der Applikation geleert – die der Gruppe III nicht, da diese am Versuchstag verschlossen war. Am Folgetag wurden bei allen Gruppen Pollen entnommen. Zusätzlich fing man an den Völkern vor, am Tag der Applikation und am Folgetag heimkehrende Sammlerinnen ab. Diese Tiere und die Pollenproben wurden auf Rückstände von Tebufenozid untersucht. Die Erfassung der Mortalität der Bienenvölker erfolgte täglich über Totenfallen am Flugloch (Abbildung 5).

Versuchsergebnisse

Es konnten keine Unterschiede in der Entwicklung der Bienenvölker und in der Mortalität zwischen den drei Gruppen beobachtet werden. Die Populationsschätzung am Ende des Versuches ergab für alle drei Gruppen einen leichten Anstieg bei der Anzahl der Bienen (27.800) und Brutzellen (43.700) – dieser entspricht aber der natürlichen Entwicklung der Völker im Mai. Die Mortalität am Flugloch schwankte zwischen den Tagen deutlich stärker als zwischen den Gruppen (Abbildung 6).

Bei Völkern mit Flugmöglichkeit am Behandlungstag konnten Rückstände des Wirkstoffs in heimkehrenden Sammlerinnen und im Pollen nachgewiesen werden (Abbildung 7 und 8). Am Behandlungstag betrugen diese in den Sammlerinnen rund 184 µg/kg, im Pollen bis zu 23.600 µg/kg. Am Folgetag nahmen diese Rückstände in den Sammlerinnen (knapp 37 µg/kg) und im Pollen ab, wobei im Pollen mit 6.189 µg/kg im Maximum immer noch eine erhebliche Wirkstoffmenge feststellbar war.

Auch bei den Bienenvölkern, die am Behandlungstag verschlossen waren, fanden sich am Folgetag Rückstände in Sammlerinnen (knapp 14 µg/kg) und im Pollen (407–1.232 µg/kg). Im Honig, der im Anschluss an den Versuch von den Bienenvölkern geerntet wurde, konnte der Wirkstoff nicht nachgewiesen werden.

Abb. 8: Der Pollen wurde am Tag vor der Behandlung (06.05.), am Tag der Behandlung (07.05.) und am Folgetag (08.05.) mittels Pollenfallen gesammelt. Dargestellt sind die Wirkstoffmengen in den einzelnen Proben. War die Pollenmenge für eine Analyse zu gering, wurden Proben gepoolt, daher sind die Stichproben z. T. kleiner 6. LOQ ( Bestimmungsgrenze) = 10 μg/kg.

Diskussion

Hinsichtlich der Entwicklung der Bienenvölker konnten in der vorliegenden Untersuchung keine negativen Auswirkungen der Anwendung von MIMIC® mit dem Wirkstoff Tebufenozid beobachtet werden. Der Wirkstoff fand sich jedoch am Behandlungs- und Folgetag in Bienen und im Pollen.

Mit 816–23.600 µg/kg erreichte der Wirkstoffeintrag im Pollen am Tag der Behandlung sehr hohe Werte. Thompson et al. (2005) konnten jedoch auch bei einer Applikation von 10 µg Tebufenozid pro Brutzelle keine negativen Effekte auf die Volksentwicklung nachweisen.

Die hohen Rückstandswerte von Tebufenozid beeinträchtigen eine mögliche Vermarktung des Pollens für den menschlichen Verzehr. Zwar ist nach aktuellem Kenntnisstand eine Gesundheitsgefährdung bei üblichen Verzehrmengen (5–10 g/Tag) selbst dann nicht zu erwarten, wenn die Pollenprobe mit der höchsten Tebufenozid-Belastung konsumiert wird. Erhebliche Rückstandsmengen von Pflanzenschutzmitteln in Blütenpollen werden jedoch vom Verbraucher nicht toleriert und gefährden das Image der Bienenprodukte als gesunde und natürliche Lebensmittel (DIB 2020).

Eine Belastung des Pollens konnte auch am Tag nach der Applikation nachgewiesen werden, jedoch in deutlich niedrigeren Wirkstoffkonzentrationen. Dennoch kommen die Bienen auch am Folgetag der Behandlung mit dem Wirkstoff in Kontakt. Dies bestätigen die Daten der Rückstandsanalyse von Pollenproben aus Bienenvölkern der Gruppe III, deren Tiere am Behandlungstag nicht sammeln konnten, sondern erst am Tag nach der Ausbringung von MIMIC®.

Vorsichtsmaßnahmen wie das Verschließen von Bienenvölkern reduzieren den Eintrag von Wirkstoffen, schließen ihn aber nicht völlig aus. Werden Fluglöcher zur Rückstandsminimierung verschlossen, sind abhängig vom verwendeten Beutensystem (Behausung des Bienenvolks) Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen: Die Völker sollten unbedingt über einen offenen Gitterbogen verfügen und beschattet werden, damit die Völker nicht ersticken oder überhitzen.

Zusammenfassung

Der Schwammspinner (Lymantria dispar) ist ein an Eichen und anderen Laubbaumarten lebender Schmetterling, der bei Massenvermehrungen große Schäden durch Kahlfraß verursachen kann. Im Jahr 2020 wurde der Schwammspinner in Bayern auf einer Fläche von 2.782 ha mit dem Pflanzenschutzmittel MIMIC® (Wirkstoff Tebufenozid) bekämpft. Im Behandlungsgebiet untersuchten Bienenexperten verschiedener Einrichtungen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf Bienen. Effekte auf die Mortalität und die Entwicklung der Bienenvölker konnten nicht festgestellt werden. Die Bienenvölker kommen jedoch mit dem Wirkstoff in Kontakt. Es konnte Tebufenozid in heimkehrenden Sammlerinnen und im Pollen nachgewiesen werden. Dies gilt auch für Bienenvölker, die am Tag der Behandlung verschlossen waren.