Die Nymphenfledermaus gibt es schon länger bei uns, sie wurde nur nicht als eigene Art erkannt. Sie ähnelt unseren beiden bis dato bekannten heimischen Bartfledermäusen (Myotis mystacinus und Myotis brandtii) morphologisch so sehr, dass die kleinen Unterschiede selbst Spezialisten über Jahrzehnte nicht auffielen.
Entdeckung der Art
Als eigene Art entdeckt und erstmals beschrieben wurde die Nymphenfledermaus 2001 in Griechenland von dem renommierten Erlanger Fledermaus-Professor Otto von Helversen und Kollegen. Das Forscherteam fing in abgelegenen feuchten Waldtälchen jagende Tiere und konnte später über molekulargenetische Untersuchungen zweifelsfrei nachweisen, dass es sich um eine eigenständige Art handelt. In Anlehnung an eine Figur aus der griechischen Mythologie erhielt sie den Namen Myotis alcathoe – die Nymphenfledermaus. Die Geschichte geht so: Die Nymphe Alkathoe weigerte sich an einem Fest des Weingottes Dionysos teilzunehmen und wurde zur Strafe in eine Fledermaus verwandelt.
Nach der Entdeckung der Art in Baden-Württemberg 2005 und etwas später in Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen war es nur eine Frage der Zeit, bis die Nymphenfledermaus auch in Bayern nachgewiesen wurde. 2012 gelang dies schließlich bei Netzfängen im Stadtwald Forchheim und kurz darauf im Sailershauser Forst im Landkreis Hassberge. In den Folgejahren initiierte man in Bayern und einigen anderen Bundesländern eine Reihe von Projekten, um mehr über die Verbreitung der "neuen" Art sowie über ihre Biologie und Ökologie zu erfahren. Enorm erleichternd war und ist dabei die Tatsache, dass die Orientierungsrufe der Art sehr charakteristisch sind und sich gut von anderen Myotis-Arten unterscheiden lassen. Dies ermöglicht eine sichere Erfassung über Lautaufnahmegeräte.
Verbreitung in Bayern und Lebensraum
In Deutschland gilt die Nymphenfledermaus als eine der seltensten Fledermausarten. Sie lebt sehr versteckt, weshalb das Wissen über ihre Verbreitung in Bayern noch lückenhaft ist. Bisherige Untersuchungen zeigen einen Verbreitungsschwerpunkt in alten Laubwäldern Nordbayerns. Südlich der Donau fehlen Nachweise komplett – trotz intensiver Suche in als Habitat gut geeigneten Wäldern.
Nach Dietz und Kiefer (2014) ist die Nymphenfledermaus die am stärksten an urwaldähnliche Bedingungen angepasste europäische Fledermaus. Das bestätigen zahlreiche Telemetriestudien, Netzfänge und der Einsatz von Horchboxen unter anderem in Österreich, Frankreich, Tschechien, der Slowakei sowie in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen, Sachsen und Bayern. Die Nachweise der Nymphenfledermaus konzentrieren sich demnach vor allem auf alte bis sehr alte Laubwälder – insbesondere auf Wälder mit hohen Eichen- oder Buchenanteilen, oft in der Nähe von kleinen, permanenten Fließ- oder Stillgewässern (Abbildung 2). Die Wochenstuben- und Tagesquartiere der Tiere befinden sich fast ausschließlich im Kronenraum alter Laubbäume (v. a. Eichen) unter abstehender Rinde, Stammanrissen, kleinen Ausfaulungen und in Nischen an Astabbrüchen. Somit ist die Art eher den Spaltenbewohnern zuzuordnen.
Telemetriestudien in Baden-Württemberg zeigten, dass vor allem Wochenstubenverbände meist täglich, spätestens aber am dritten Tag das Quartier wechseln. Gründe hierfür sind wohl insbesondere Parasitenvermeidung, Schutz vor Prädatoren, geeignetes Mikroklima sowie die geringe Dauerhaftigkeit der Quartiere. Dementsprechend sollte ein Wald über ein hohes Angebot an potenziellen Quartieren verfügen, um als Habitat für die Nymphenfledermaus geeignet zu sein. Über die Winterquartiere der Art ist noch sehr wenig bekannt. Bisher wurden nur Einzeltiere in unterirdischen Quartieren (Höhlen, Stollen, Keller) gefunden. Vermutlich überwintert sie in Baumhöhlen im Wald.
Jagdstrategie und Raumnutzung
Die bisherige Annahme, die Art jage hauptsächlich im Kronenraum, bestätigte eine Untersuchung des Landesamtes für Umwelt nicht. Parallel durchgeführte Rufaufnahmen im Kronenraum und in Bodennähe ergaben keine wesentlichen Aktivitätsunterschiede. Dies deutet darauf hin, dass die Tiere das gesamte Stratenspektrum des Waldes nutzen. Netzfänge zeigten außerdem einen Aktivitätsschwerpunkt an der Vegetation im Uferbereich von Gewässern, die nicht weit vom Quartierbaum entfernt sind. Die Nymphenfledermaus jagt dabei sehr nahe an der Vegetation (edge space), sie sammelt ihre Beutetiere jedoch nicht – wie z. B. die Bechsteinfledermaus – vom Substrat ab (gleaning), sondern fängt sie direkt im freien Luftraum (aerial-hawking). Die Art wird deshalb der Gilde der "edge space aerial forager" zugeordnet. Die Nymphenfledermaus ernährt sich ausschließlich von Insekten und Spinnentieren. Untersuchungen von Kotproben weisen beim Beutespektrum auf eine deutliche Präferenz für Mücken, Kleinschmetterlinge und Netzflügler hin.
Der Aktivitätsradius der Nymphenfledermaus ist klein. Ihre Jagdgebiete befinden sich in direkter Umgebung des Quartiers. Dietz und Dietz (2015) ermittelten bei ihren Telemetriestudien, dass die Tiere über die Hälfte ihrer Jagdzeit in Entfernungen bis 600 m um das jeweilige Quartier verbrachten und die durchschnittliche Größe des Jagdhabitats eines Tieres bei circa 100 ha lag. Andere Quellen geben Entfernungen bis 1.500 m bzw. 3.000 m zu den Jagdgebieten an.
Nachweise bei LWF-Fledermausstudie
2020 und 2021 führte die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) im Rahmen der Studie "Fledermausaktivität in unterschiedlich von Klimawirkungen getroffenen Eichenmischwaldbeständen in Mittel- und Unterfranken" Rufaufnahmen in mehreren eichenreichen Laubmischwäldern durch.
Unter anderem sollte untersucht werden, ob sich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in stark vom Schwammspinner befallenen Beständen auf die Nichtzielorganismusgruppe "Fledermäuse" auswirkt. In vier Untersuchungsgebieten wurden hierfür Batcorder in insgesamt 39 Waldbeständen zur Erfassung der Fledermausaktivitäten installiert. Die Aufzeichnungen erfolgten einmal monatlich jeweils eine Nacht lang im Zeitraum April bis September. Überraschende Beibeobachtung: In drei der vier Untersuchungsgebieten, auf 19 Batcorder-Standorten, konnte die seltene Nymphenfledermaus nachgewiesen werden; und zwar auf den Flächen bei Mainberg, bei Sulzheim und nordöstlich von Ullstadt (Abbildung 3). Von allen 13 erfassten Fledermausarten wies die Nymphenfledermaus nach der Zwerg- und Mückenfledermaus die dritthöchste Gesamtaktivität (Maßeinheit: Dauer der aufgezeichneten Rufe in Sekunden) auf. Die Rufintensität an einem Standort im FFH-Gebiet "Dürrfelder und Sulzheimer Wald" nördlich von Gerolzhofen lässt sogar darauf schließen, dass sich dort vermutlich ein Wochenstubenquartier befindet.
Die Nachweis-Standorte bestätigen dabei die bisherigen Kenntnisse zu den Lebensraumansprüchen der Art: Es sind Waldbestände, die sich durch hohe Eichenanteile (zwischen 65 und 100 %) in der Bestockung auszeichnen. Der Großteil befindet sich in der Reifungsphase – das geschätzte Alter der prägenden Baumschicht liegt zwischen 120 und 150 Jahren. Nahezu alle Bestände sind strukturreich und weisen mehrere Bestandsschichten auf. Es sind überwiegend geschlossene Wälder mit einem geschätzten Überschirmungsgrad (Baumschicht) zwischen 80 und 100 %. Kleinere Fließ- bzw. Stillgewässer liegen durchwegs in erreichbarer Nähe.
Zusammenfassung
Die Nymphenfledermaus gilt als eine der seltensten Fledermausarten Deutschlands. Ihre Verbreitung, Biologie und Ökologie sind noch nicht umfänglich erforscht. Momentaner Stand des Wissens ist, dass sie in alten bis sehr alten Laubwäldern vorkommt, kleine Hohlräume und Spalten im Kronenbereich alter Laubbäume als Tagesverstecke und Wochenstubenquartier nutzt und einen relativ kleinen Aktionsradius hat. In einer Pilotstudie der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in unter- und mittelfränkischen Laubwäldern ließ sich die Art überraschenderweise an 19 von insgesamt 39 Batcorder-Standorten nachweisen. Nahezu alle Nachweisbestände bestätigen die bis dato bekannten Lebensraumansprüche der Art.