In der Schweiz leben 30 Fledermausarten, wovon 80% den Wald als Lebensraum nutzen. 58% der bewerteten Arten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Fledermäuse der Schweiz. Aufgrund ihrer starken Bedrohung sind hierzulande alle Fledermausarten bundesrechtlich geschützt. Sämtliche 22 national prioritären Fledermausarten werden als Waldarten eingestuft, ihre Ansprüche an den Wald sind dabei je nach Art verschieden. 12 davon gelten als Waldzielarten, für welche spezifische Fördermassnahmen ergriffen werden sollen.
Aufgrund der verborgenen Lebensweise der Fledermäuse ist oft nicht bekannt, welche Arten in welchem Wald vorkommen. Kenntnisse über die lokale Artenzusammensetzung bilden jedoch die Basis für Förderungsmassnahmen. Die Ursachen der Gefährdung sind vielfältig: Zerstörung von Sommer- und Winterquartieren, vermehrter Einsatz von Pestiziden und Kunstlicht, Verlust und strukturelle Armut von Lebensräumen.
Abb. 2. Installation eines Ultraschall-Aufzeichnungsgerätes in der Baumkrone. Dazu wird das Gerät mittels Flaschenzug in den Kronenbereich hochgezogen. Fotos: swild.ch
Abb. 3. Ultraschallaufzeichnungsgerät mit Verlängerungskabel und Mikrofon in einer wasserfester Box. Foto: swild.ch
Ansprüche an den Wald
Einige Fledermausarten nutzen gut strukturierte Waldränder als Leitstrukturen bei Transferflügen vom Tagesschlafversteck ins Jagdgebiet, für andere sind vor allem feuchte Waldstandorte oder Eichenwälder attraktive Jagdgebiete mit einem vielfältigen und konstanten Angebot an Insekten. Fledermäuse nutzen Höhlen und Spalten in Alt- und Totholz als Quartiere. Sie machen die grösste Gruppe der an Tot- und Altholz gebundenen Säugetiere aus. Als Jäger, die pro Nacht bis zur Hälfte des eigenen Körpergewichtes an Insekten vertilgen, bilden Fledermäuse die Habitatqualität im Wald ab. Deshalb werden sie auch als Bioindikatoren für Naturwerte oder zur Erfolgskontrolle bei Managementmassnahmen herangezogen.
Die Waldzusammensetzung beziehungsweise die Waldstruktur und Art der Waldbewirtschaftung sind entscheidende Faktoren für die Artenzusammensetzung und die Häufigkeit der Fledermäuse. Gemäss der Vollzugshilfe Waldbiodiversität des Bundesamtes für Umwelt gibt es in den Schweizer Wäldern strukturelle Defizite, die sich in einem Mangel an Alt- und Totholz, an lichten und feuchten Waldbereichen sowie an gestuften Waldrändern manifestieren. Deshalb ist es nicht überraschend, dass in der Vollzugshilfe alle 22 national prioritären Fledermausarten auch als national prioritäre Waldarten und 12 davon als Waldzielarten aufgeführt sind. Die Vollzugshilfe sieht nebst den allgemeinen Massnahmen für Waldarten spezifische Massnahmen für die Waldzielarten vor. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, dass diese standortspeziefisch an die bestehenden Fledermausbestände angepasst und gemäss den festgestellten Defiziten umgesetzt werden. Da oft nicht bekannt ist, welche Fledermausarten in welchem Waldgebiet vorkommen, ist zunächst die Artenzusammensetzung zu erheben.
Bisherige Kenntnisse und neue Nachweismethoden
Abb. 4. Mittels Netzfang gefangene Fledermaus. Foto: Mirco Lauper
Bis vor Kurzem besass man kaum Kenntnisse bezüglich der Artenvielfalt von Fledermäusen im Wald. Mittels Netzfängen war es nicht möglich, das vorhandene Artenspektrum zu fangen, da die Methode vor allem am Boden zum Einsatz kommt. Daher wird die Artenvielfalt häufig unterschätzt. In der Krone und bei sehr dichter Vegetation ist das Aufspannen von Netzen problematisch.
Neue bioakustische Methoden mit stationären Breitband-Ultraschallaufnahmegeräten verbessern heute die Nachweisbarkeit von Fledermäusen auch in reich strukturierten Lebensräumen. Autonome Aufzeichnungsgeräte erlauben ein Langzeitmonitoring der Utraschallrufe durchfliegender Tiere. Die spätere Analyse der Rufsequenzen ist zwar aufwendig, ermöglicht aber die Identifikation einzelner Arten oder zumindest von Artkomplexen. Aktuelle methodische Untersuchungen haben gezeigt, dass eine simultane Aufzeichnung am Waldboden, in der Krone und in Lichtungen optimal ist, um das vollständige Artenspektrum eines reich strukturierten Waldlebensraums erfassen zu können.
Neue Möglichkeiten im Praxistest
Ziel der Studie war, die neuen bioakustischen Methoden und Erkenntnisse für die Erhebung der Artenzusammensetzung in fünf Waldnaturschutzgebieten im Kanton Zug einzusetzen sowie die Resultate zu vergleichen und zu bewerten. Aufgrund der Resultate aus den Feldaufnahmen wurde für jedes Waldnaturschutzgebiet eine Zielart bestimmt, die erhalten und gefördert werden soll. Dazu wurden aufgrund der bestehenden Waldzusammensetzung spezifische Fördermassnahmen abgeleitet.
Fünf ausgewählte Waldnaturschutzgebiete
Im zentralschweizer Kanton Zug findet man aufgrund von vielfältigen Standortfaktoren über 87 verschiedene Waldgesellschaften. Zur Erhaltung und Förderung wertvoller Lebensräume wurden viele Waldnaturschutzgebiete mit spezifischen Nutzungsvorschriften oder einem Nutzungsverzicht ausgeschieden. In der Studie erhob man in fünf Waldnaturschutzgebieten zwischen 2010 und 2014 jedes Jahr in einem anderen Gebiet bioakustische Daten zur Fledermausfauna (Tab.1).
Fledermausaktivität erheben
Um die Qualität der Waldnaturschutzgebiete zu erfassen und zu vergleichen, wurde für jedes Gebiet die Fledermausaktivität erhoben. Es wurden jeweils während zweier Perioden – Reproduktionszeit 1. Juni und 15. August / Paarungs- und Migrationszeit 16. August und 31. Oktober – folgende Aufnahmen gemacht:
- Am Boden: bioakustische Aufnahmen an 3 Standorten während je 2 Nächten pro Periode (total 4 Nächte; s. Abb. 4)
- In der Krone: bioakustische Aufnahmen an 2 Standorten während je 5 Nächten pro Periode (total je 10 Nächte; s. Abb. 1)
Um die Artenvielfalt zwischen den fünf Waldnaturschutzgebieten vergleichen zu können, wurden jeweils nur diejenigen Arten verwendet, die in den 4 Nächten mit der höchsten Fledermausaktivität aufgezeichnet wurden. Gearbeitet wurde mit stationären automatischen Breitband-Ultrschallrecordern (Batlogger, Elekon, Batcorder, ecoObs; s. Abb. 2) durchgeführt. Sie zeichnen die Ortungs- und Sozialrufe der Fledermäuse auf, die dann später ausgewertet wurden.
Auswertung der Aufzeichnungen
Während 258 Aufnahmenächten wurden insgesamt 30'522 Durchflüge von mindestens 12 Fledermausarten aufgezeichnet. 23,5% der Nachweise stammen von Arten der Roten Liste, die als "potenziell gefährdet" bis "vom Aussterben bedroht" eingestuft sind. Es wurden drei Waldzielarten (u.a. Nordfledermaus, Zweifarbenfledermaus) entdeckt, drei Fledermausarten konnten im Kanton Zug erstmals nachgewiesen werden (u.a. Fransenfledermaus, Nordfledermaus).
Grosse Unterschiede zwischen den Gebieten
Zwischen den einzelnen Waldnaturschutzgebieten gab es grosse Unterschiede in Bezug auf die Fledermausaktivität. Insbesondere diejenigen Gebiete mit vielfältigen, lichten Waldgesellschaften mit viel Tot- und Altholz erwiesen sich als attraktive Lebensräume. Auenwälder, offene Gewässer und das Vorkommen von alten Eichen beeinflussen die Artenvielfalt und die Fledermausaktivität in den untersuchten Gebieten positiv. Aufgrund der Resultate wurde für jedes der fünf Waldnaturschutzgebiete eine Zielart definiert, für welche Vorschläge für Fördermassnahmen erarbeitet wurden.
Während der standardisierten Nächte war die Artenvielfalt in den Waldnaturschutzgebieten Baarburg mindestens 7 Arten und Zollischlag mindestens 6 Arten am höchsten, im Gebiet Rämsel-Hafenbach wurden mindestens 5 Arten, im Gebiet Hansenbörter mindestens 4 Arten verzeichnet. Auffällig dabei ist, dass in diesem Gebiet verhältnismässig wenige Tiere der allgemein häufigen Zwergfledermaus und vermehrt in der Schweiz seltene Arten der Gruppe Myotis nachgewiesen wurden. Die geringste Artenvielfalt mindestens 2 Arten wurde im Zigermoos ermittelt mit vielen Sequenzen der Artgruppe der Bartfledermäuse.
Im Gebiet Zollischlag wurde ein gehäuftes Vorkommen der Mückenfledermaus registriert, die auf naturnahe Auenwaldbestände angewiesen ist. Im Zigermoos konnten 134 Durchflüge dem Komplex der Bartfledermäuse zugeordnet werden, die halboffene Wälder und reich strukturierte, kleinräumige Landschaften, teils am Rand von Feuchtgebieten bevorzugen. Im Gebiet Rämsel-Hafenbach wurden in Auenwaldgebieten einige Rufe der Wasserfledermaus identifiziert, die Hinweise auf das Vorkommen einer Wochenstube geben. In Zollischlag und Hansenbörter liess sich die Fransenfledermaus nachweisen, die gerne lichte Wälder und alle Arten von Waldgesellschaften besiedelt. Im Gebiet Baarburg konnten Sequenzen von Langohrfledermäusen aufgezeichnet werden.
Fledermausdurchflüge
Die durchschnittliche Anzahl aufgenommener Fledermausdurchflüge in den verschiedenen Waldnaturschutzgebieten variierte stark (s. Abb. 5). Vor allem im Gebiet Zollischlag war die mittlere Aktivität (48 Sequenzen pro Stunde) mehr als doppelt so hoch wie im Gebiet mit der zweithöchsten Aktivität in Baarburg (21 Sequenzen pro Stunde). Am geringsten war die Aktivität im Hansenbörter, wo nur eine Fledermaus pro Stunde registriert wurde. In den Gebieten Zigermoos und Rämsel-Hafenbach lag die Aktivität mit 4 respektive ca. 9 Sequenzen pro Stunde dazwischen.
Die Aktivität im Kronenbereich war über alle Gebiete gesehen rund doppelt so hoch wie diejenige in Bodennähe. Entgegen der Erwartungen zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Aktivität zwischen den saisonalen Aufnahmeperioden Paarungs- und Migrationszeit.
Gewonnene Erkenntnisse
Dank der bioakustischen Methoden konnten umfangreiche Erkenntnisse über die Artenvielfalt und die Aktivität der Fledermausarten in wertvollen Waldgebieten des Kantons Zug gewonnen werden. Die Fledermausfauna war in denjenigen Waldnaturschutzgebieten, die sich durch alten Mittelwald und Eichen (Zollischlag) oder Alt- und Totholzbestände (Zollischlag, Baarburg, Rämsel-Hafenbach) auszeichnen, sehr vielfältig.
Die Förderung von offenen Wasserflächen und langsam fliessenden Gewässern in Waldgebieten (Rämsel-Hafenbach) sowie die Erhaltung von vernässten Waldstandorten bieten den Fledermäusen ein reichhaltiges Nahrungsangebot und geeignete Jagdgebiete. Dieser Befund entspricht den Forderungen gemäss dem aktuellen Konzept Artenförderung Fledermäuse.
Das Gebiet Zigermoos mit den ausgeprägten Moorgebieten zeigte hingegen eine Tendenz zu wenigen, dafür teilweise seltenen Arten.
Das Gebiet Hansenbörter liegt relativ hoch (> 1000 m), ist teilweise mit dunklen Buchenwäldern bestockt, und wegen der Südhanglage sind viele trockene Waldgesellschaften vorhanden, was zu einer geringeren Biomasse von Insekten führt. Dies könnte die tiefe Fledermausaktivität erklären.
Bedeutung der Fledermäuse für den Naturschutz im Wald
Die fünf ausgewählten Waldschutzgebiete liegen gemäss Landesforstinventar in der biogeografischen Region Voralpen Ost, in der neun Fledermaus-Waldzielarten definiert sind. Gerade die hochprioritären Arten werden durch einen grossen Anteil an Totholz gefördert. Die Zweifarbenfledermäuse benötigen Baumhöhlen als Winterquartier, die Nord- und die Langohrfledermäuse nutzen während des ganzen Jahres neben Spalten auch Baumhöhlen, wobei die Langohrfledermäuse insbesondere im Sommer zur Jungenaufzucht auf diese angewiesen sind.
Der Nachweis von mindestens einem Drittel der Waldzielarten in fünf Waldnaturschutzgebieten zeigt das Potenzial der vielfältig strukturierten Bestände in den untersuchten Gebieten. In diesen Waldnaturschutzgebieten werden schon heute spezifische Fördermassnahmen für Waldarten aktiv umgesetzt. Insbesondere die Erhaltung von Biotopbäumen und das Ausweisen von Altholzinseln sind für höhlenbewohnende Fledermäuse von grosser Bedeutung. Zudem profitieren die meisten waldbewohnenden Fledermausarten von lichten, zugänglichen Wäldern mit gut strukturierten Waldrändern als Jagdgebiete.
Es zeigte sich, dass ehemalige Auenwälder oder Feuchtwälder wie die feuchten Waldgesellschaften im Zollischlag und die Auen entlang des Rämisel- und des Hafenbachs die Fledermausaktivität besonders positiv beeinflussen.
Bioakustische Abklärungen zum Vorkommen der Fledermäuse bilden die Grundlage, um spezifische Fördermassnahmen für gefährdete Waldzielarten zu formulieren (s. Tab. 2) , aber auch um den Erfolg von Managementmassnahmen für Fledermäuse zu überprüfen. Durch das Markieren einzelner Individuen mit Sendern ist es zudem möglich, die Nutzung von Flugrouten oder bedeutende Jagdgebiete zu evaluieren. Damit sind die Werkzeuge vorhanden, um die Schweizer Vollzugshilfe Waldbiodiversität für die Fledermäuse in die Praxis umzusetzen.
Zielarten und Fördermassnahmen
Die in Tabelle 2 vorgeschlagenen Zielarten für die Waldnaturschutzgebiete und die empfohlenen Massnahmen zu deren Förderung stützen sich auf die bioakustischen Nachweise und entsprechen nicht den vom BAFU definierten Waldzielarten. Unsere Zielarten wurden vor dem Erscheinen der Vollzugshilfe definiert. Sie wurden so gewählt, dass ein direkter Bezug zwischen den ökologischen Anforderungen der jeweiligen Zielarten und den Fördermassnahmen besteht.
Abb. 6. Zu den Zielarten für die Waldnaturschutzgebiete zählen u.a. das Braunes Langohr. Foto: Ruth Ehrenbold
Abb. 7. Zu den Zielarten für die Waldnaturschutzgebiete zählt auch die Mückenfledermaus. Foto: swild.ch
Die Waldzielarten des Bundes wurden nur innerhalb der national prioritären Arten ausgewählt und auf nationalem Niveau bestimmt. Regional oder lokal kann es sinnvoll sein, teilweise andere Arten als prioritär einzustufen. Die Zielarten können für die Konzipierung von spezifischen Fördermassnahmen und zur Wirkungskontrolle von Waldnaturschutzmassnahmen eingesetzt werden (z.B. als Bioindikatoren für Altholz- und Totholzförderung).
Da aufgrund der Ultraschallrufe nicht alle Fledermäuse auf Artniveau bestimmt werden konnten, wäre es sinnvoll, an Standorten mit konkreten Hinweisen mithilfe von zusätzlichen Methoden das Vorkommen von seltenen Arten zu prüfen. Mittels Radiotelemetrie könnten beispielsweise die Quartiere der Arten gefunden werden. Dies wäre nicht nur für das Management in den Schutzgebieten von grosser Bedeutung, sondern könnte auch Schutz und Förderung dieser seltenen Arten vorantreiben.
Zudem kann das gewonnen Wissen auch im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Die Kombination von wirkungsvollen Fördermassnahmen mit einer guten Information der Bevölkerung über eine versteck lebende Artengruppe ist ein entscheidender Beitrag, um die gefährdeten waldbewohnenden Fledermausarten zu fördern und auch in Zukunft zu erhalten.