Nirgends summen im Wald die Bienen und Hummeln so laut, blüht eine vergleichbare Pracht an Orchideen und Glockenblumen, raschelt so oft eine Eidechse durchs Gras wie an der sonnigen Böschung einer Forststrasse.

Erst die Mulchmaschine setzt dem lebendigen Treiben vielerorts ein frühzeitiges Ende. Zerquetschte Heuschrecken, tote Käfer und abgemähte Blumen sind allzu oft die traurigen Zeugen einer falsch geplanten Pflege.

Waldstrassenränder – reicher Lebensraum

Der Übergang zwischen Kiesstrasse und Bestockung ist, abgesehen vom Waldrand, wohl der artenreichste Bereich im ganzen Wald. Die Waldstrassenränder sind mager, hell und kalkhaltig. Sie bieten damit u.a. einen Ersatzlebensraum für viele Arten, die aus dem Landwirtschaftsgebiet verschwunden sind. So liegen im Berner Mittelland 80 Prozent aller verbliebenen Orchideenstandorte entlang von Waldstrassen.

Das Strassenbankett ist ein Pionierstandort, vergleichbar mit Schutthalden und Kiesgruben. Im Böschungsbereich wurde beim Strassenbau der nährstoffreiche Oberboden entfernt. Da Strassen zudem Lichtschneisen im Wald sind, finden hier Bewohner der selten gewordenen Magerwiesen neuen Lebensraum. Die von den Rädern weggeschleuderten Steinchen kalken den Boden auf. Dort, wo die Böden sauer sind, wie vielerorts im Berner Mittelland, sind die Randstreifen dadurch basische Inseln im Säuremeer. Kalkliebende Pflanzen, zu denen auch die meisten Orchideen gehören, wachsen nur auf solchen Böden.

Biodiversität in die Pflegeplanung einbeziehen

Werden Strassenränder bereits im Mai oder Juni gemäht, dem Höhepunkt der Blütezeit, bedeutet dies das abrupte Ende für den gesamten Sommerflor. Pflanzen können keine Samen bilden und mehrjährige Arten keine Nährstoffe in die Speicherorgane einlagern. Viele Tiere verlieren mit einem Schlag ihre Nahrungsgrundlage, wenn nicht gar das Leben.

Deshalb:

  • Am besten erst ab Oktober mähen (oder mulchen) und mindestens 10 Prozent "Altgras" stehen lassen
  • muss im Sommer geschnitten werden, dann mähen statt mulchen, dies ist viel schonender für Kleintiere
  • wertvolle Sträucher nicht entfernen
  • Stein- und Asthaufen oder Baumstrünke belassen, und, wo möglich, neue Strukturen anlegen
  • Schnitthöhe auf 10 cm einstellen, das schont die Fauna
  • invasive Neophyten gezielt vor dem Absamen bekämpfen

Schonender Unterhalt ist kostengünstiger

Wegrandpflege erst im Herbst spart oft eine Mährunde. An vielen Orten genügt es, nur jedes zweite Jahr zu mähen, ohne dass die Sicht und damit die Sicherheit beeinträchtigt würde. Am besten ist es, Flächen abwechslungsweise zu mähen: Einmal hier, das nächste Mal dort.

Die Devise lautet: Nur so viel wie wirklich nötig – und das ist weniger als man denkt. An den Rändern von Waldstrassen lässt sich somit beim Unterhalt sparen und gleichzeitig die Biodiversität fördern.

Und wichtig für den Waldbesitzer: Blumenreiche Waldstrassenränder bieten begehrtes Wildfutter und vermindern so den Verbiss durch Rehe an Jungbäumen.