Fast ein Drittel der Fläche der Schweiz ist von Wald bedeckt. Demzufolge verbreitet sind auch Waldränder bzw. Übergangsbereiche zwischen Wald und Freiland. Auf natürliche Weise entstehen Waldränder, wenn die lokalen Standortbedingungen keinen geschlossenen Wald zulassen oder sie werden, insbesondere in dicht besiedelten Landschaften wie dem Schweizer Mittelland, vom Menschen geschaffen. Das ist bei den meisten Waldrändern der Fall.

Die an den Wald anschliessenden Gebiete werden oft intensiv durch Landwirtschaft, Siedlungen oder Verkehrswege genutzt. Der Übergangsbereich ist daher ebenfalls oft auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet und deshalb meist sehr schmal. Die ökologische Funktion dieser Übergangsstreifen ist somit stark beeinträchtigt.

Schweizer Mittelland

Im Schweizer Mittelland bestehen heute rund 25'000 km Waldränder, welche als Übergangszone zwischen offener Kulturlandschaft und geschlossenem Wald eine wichtige Vernetzungsfunktion übernehmen und Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten bieten. Insbesondere für die Fauna ist neben der Tiefenausdehnung auch die Strukturvielfalt eines Waldrandes entscheidend. Da sich nur ein kleiner Teil (1%) dieser Waldränder im Mittelland in einem ökologisch guten Zustand befindet, werden hier wie in vielen Kantonen Aufwertungsmassnahmen durchgeführt. Seit 2008 unterstützt das Bundesamt für Umwelt (BAFU) die Anstrengungen der Kantone, die im Einklang mit den Zielen der Strategie Biodiversität Schweiz und der Waldpolitik 2020 des Bundes stehen.

Ökologische Waldrandaufwertungen im Kanton Aargau

Der Kanton Aargau nimmt bezüglich der Waldaufwertungen schweizweit eine Vorreiterrolle ein. Bis 2020 sollen gemäss dem 1996 verabschiedeten kantonalen "Naturschutzprogramm Wald" 200 km Waldränder ökologisch aufgewertet werden. 2013 war dieses Ziel bereits zu 98% erreicht.

Bisher wurden allerdings keine systematischen Erfolgskontrollen durchgeführt, sodass nicht bekannt war, welchen ökologischen Wert die aufgewerteten Waldränder aufweisen und welche Faktoren zum Erfolg der Aufwertungsmassnahmen beitrugen. Mittels eines Bewertungsschlüssels und einer Befragung der zuständigen Revierförster wurde deshalb die ökologische Qualität von 20 aufgewerteten Waldrändern in sechs Forstrevieren im Kanton Aargau mit möglichen Einflussgrössen verglichen.

Die Ergebnisse erlauben einerseits, anhand des aktuellen ökologischen Wertes der aufgewerteten Waldränder die Wirksamkeit der umgesetzten Massnahmen abzuschätzen, andererseits geben sie Hinweise darauf, welche Faktoren erfolgreiche Aufwertungen begünstigen. Sie können als Richtschnur für die vielerorts erst anlaufenden Aufwertungsmassnamen dienen und zum Erfolg zukünftiger Waldrandaufwertungen beitragen.

Untersuchungsflächen

Zusammen mit den zuständigen Revierförstern wurden 20 aufgewertete Waldränder ausgewählt - in jedem Forstrevier mindestens ein aus Sicht des Revierförsters besonders gelungenes und ein weniger gelungenes Beispiel.

Beurteilung der ökologischen Qualität

Die ökologische Qualität der ausgewählten Waldränder wurde jeweils mit dem Bewertungsschlüssel von Krüsi et al. (2010) ermittelt. Dieser erlaubt eine qualifizierte ökologische Einstufung von Waldrändern anhand struktureller und floristischer Kriterien (siehe Tab. 1) und ist in der kollinen sowie der montanen Stufe anwendbar. Weitere Parameter wie vorherrschende Waldgesellschaften, Exposition, Schutzstatus der untersuchten Waldränder sowie der angrenzenden Wald- und Offenlandflächen sowie die Bewirtschaftungsform vorgelagerter Landwirtschaftsflächen wurden den auf der kantonalen GIS-Plattform (AGIS) zur Verfügung stehenden Daten entnommen. Um die Gesamtpunktzahlen der untersuchten Waldaufwertungen mit gesamtschweizerischen Erhebungen vergleichen zu können, wurden sie entsprechend umgerechnet und statistisch ausgewertet (nähere Angaben dazu im Originalartikel.

Einschätzung der Revierförster

Die jeweiligen Revierförster wurden zu jedem untersuchten Waldrand detailliert zu folgenden Punkten befragt:

  • Ausgangszustand
  • umgesetzte Massnahmen
  • relevante Faktoren für den Erfolg/Misserfolg aus Sicht des Revierförsters

Ergänzend wurden die für jeden Aufwertungseingriff verfügbaren kantonalen Beitragsvereinbarungen ausgewertet.

Qualität der aufgewerteten Waldränder

Die Bewertung ergab: 12 der 20 untersuchten Waldränder (60%) sind ökologisch wertvoll oder sehr wertvoll. Die durchschnittliche Tiefe aller untersuchten Waldränder lag bei über 10 m, zwischen den einzelnen Waldrändern traten aber grosse Unterschiede auf (Details dazu im Originalartikel). Fast alle Waldränder verfügten über einen durchgehenden Krautsaum. Der Strauchgürtel war im Durchschnitt etwas weniger stark ausgeprägt als der Krautsaum. Pro 100 Laufmeter Waldrand wuchsen im Mittel fast zehn Laubbaumarten und über zwanzig verholzte Pflanzenarten in der Strauch- und Krautschicht.

An den 20 untersuchten Waldrändern konnten über 75% aller natürlicherweise in der Schweiz vorkommenden Laubbaumarten und fast die Hälfte aller einheimischen Gehölze nachgewiesen werden. Dies unterstreicht das Potenzial von ökologischen Aufwertungseingriffen und die botanische Bedeutung des Übergangsraumes Waldrand.

Ökologisch bedeutende Kleinstrukturen (z.B. Totholz, Steinhaufen, Feuchtbiotope) waren mit einer Ausnahme an allen untersuchten Waldrändern vorhanden. Liegendes Totholz wurde allerdings deutlich häufiger angetroffen (95%) als stehendes, welches nur in 11 der 29 Waldränder (55%) vorkam.

Der jeweilige Schutzstatus des Waldrandes hatte keinen signifikanten Einfluss auf dessen ökologischen Wert, wohl aber der Status des angrenzendes Waldes oder der vorgelagerten Offenlandfläche.

Bei angrenzenden, geschützten Waldflächen war die Qualität der entsprechenden Waldränder deutlich höher (+19%) als wenn der Wald nicht geschützt war. Galt das anschliessende Offenland als ökologische Ausgleichsfläche, verfügten die Waldränder durchschnittlich über einen um 21% höheren ökologischen Wert als wenn die vorgelagerten Landwirtschaftsflächen intensiv genutzt wurden.

Neophyten und Problemarten

Die Verbreitung von invasiven Neophyten (gebietsfremde Pflanzen) war insgesamt gering (zwei verholzte invasive Neophyten und zwei krautige invasive Neophyten). An sieben Waldrändern kam zwar eine invasive Pflanzenart vor, ihr Deckungsgrad lag aber mit einer Ausnahme immer unter 1%.

Einheimische Problemarten waren häufiger und mit einem mittleren Deckungsgrad von über 25% auch deutlich dominanter vertreten. Die Brombeere beispielsweise erreichte an 40% aller untersuchten Waldränder einen Deckungsgrad von mehr als 10%, während die Waldrebe und der Adlerfarn an je drei Standorten diesen Wert überschritten. Übermässige Eschenverjüngung nach Aufwertungsmassnahmen trat mit einem Deckungsgrad von 20% nur an einem Waldrand auf.

Erfolgsfaktoren von Aufwertungsmassnahmen

Entgegen der Einschätzung der Revierförster erwiesen sich weder die Wüchsigkeit eines Standorts noch dessen Exposition als entscheidend für den Erfolg von Aufwertungsmassnahmen bzw. die ökologische Qualität eines Waldrandes. Eine südwest- bis südöstliche Exposition führte allerdings im Durchschnitt zu einem etwas besser ausgeprägten Strauchgürtel und einer leicht höheren Anzahl an verholzten Pflanzenarten.

Als bedeutend für den mittel- bis langfristigen Erfolg von Aufwertungsmassnahmen erwies sich hingegen die Eingriffsfrequenz, d.h. die zwischen zwei Eingriffen liegende Zeitspanne. Die tendenziell besten Ergebnisse werden erreicht, wenn Folgeeingriffe nicht hinausgezögert werden (>10 Jahre), sondern ca. alle 7 Jahre erfolgen.

Zusammenfassend ergab die Untersuchung,

  • dass die aufgewerteten Waldränder im Mittel in einem guten bis sehr guten Zustand sind.
  • dass die floristisch und faunistisch wichtigsten Strukturelemente an den Waldrändern 2- bis 8-mal besser ausgeprägt sind als an einem durchschnittlichen Schweizer Waldrand. Sie kommen den Zielvorgaben des Naturschutzes sehr nahe.
  • dass die Gehölzvielfalt mit insgesamt 31 einheimischen Laubbaumarten ausgesprochen hoch ist.
  • dass sich, entgegen der Einschätzung der Revierförster, weder die Wüchsigkeit eines Standortes noch dessen Exposition als massgebliche Erfolgsfaktoren erwiesen.
  • dass dagegen die Frequenz der Folgeeingriffe sehr wichtig zu sein scheint, die ca. alle 7 Jahre durchgeführt werden sollten.

Empfehlungen für die Praxis

Die Erfahrungen der vorliegenden Untersuchung sollen die Praktiker bis zum Vorliegen wissenschaftlich breiter abgestützter Erkenntnisse bei der Umsetzung von ökologischen Aufwertungsmassnahmen unterstützen.

Waldaufwertungen sind komplexe Unterfangen mit zahlreichen Einflussfaktoren, die teilweise stark von den lokalen Gegebenheiten abhängen. Geografisch und zeitlich umfassendere Analysen sind notwendig, um die vorliegenden Ergebnisse auch für andere Gebiete der Schweiz bestätigen und langfristige Trends zuverlässig erkennen zu können.

Die in den kommenden Jahren in zahlreichen Kantonen im Rahmen der Waldpolitik 2020 vom Bund unterstützten Aufwertungsmassnahmen bieten hierzu eine ideale Gelegenheit. Voraussetzung dafür ist jedoch eine systematische Erfolgskontrolle. Insbesondere die Dokumentation der Ausgangslage sowie eine Überprüfung der Wirksamkeit der Eingriffe sind dabei zwingend notwendig, damit fundierte Aussagen zu wichtigen Randbedingungen wie auch zur Effizienz der umgesetzten Massnahmen gemacht werden können. Nicht zuletzt könnten so die erreichten Erfolge gegenüber der zunehmend interessierten Bevölkerung besser kommuniziert werden.

Der "Waldrandschlüssel" von Krüsi et al. (2010) bietet ein einfach handhabbares, schlankes und standardisiertes Vorgehen, welches eine weitgehende Vergleichbarkeit der erhobenen Daten erlaubt und dadurch zu wichtigen Erkenntnissen in diesem noch jungen Forschungsbereich beitragen kann.

  • Literatur: Krüsi et al. (2010): Praxishilfe für die Aufwertung von Waldrändern in der Schweiz. Wädenswil: Zürcher Hochschule Angewandte Wissenschaften: 52S.