Handlungsalternativen am Ende der Funktionsdauer
Seit den Orkanen Lothar und Kyrill, die große Freiflächen geschaffen haben, kommen Wuchshüllen in Deutschland vermehrt zum Einsatz. Ferner zeichnet sich aus ökologischen Gründen oder zur Risikominderung wegen des Klimawandels zunehmend ein Trend zu Mischkulturen ab. Oft ist wenigstens eine Mischbaumart Verbiss gefährdet, so dass sich der Einzelschutz mit Wuchshülle anbietet.
Die ursprüngliche Wuchshüllengeneration war für eine lange Gebrauchszeit konzipiert. Trotzdem hatte man erwartet, dass nach Ablauf der Funktionsdauer mehr oder weniger schnell der Zerfall der Hüllen aus Polypropylen (PP) oder anderen Stoffen unter der Einwirkung von UV-Strahlen einsetzen würde (Wuchshüllen: Ziele, Funktionen, Entwicklungen). Nach nunmehr zehn oder mehr Jahren ist der Zerfall meist noch nicht eingetreten.
Handlungsalternativen
Zumindest unter mitteleuropäischen Wetterbedingungen und Waldbausgebräuchen erscheinen die Hüllen recht haltbar und es stellt sich die Frage des weiteren Vorgehens. Dabei ergeben sich grundsätzlich nachstehende Alternativen:
- Wiederverwendung für eine neue Kulturmaßnahme
- Recycling als PP-Rohstoff
- Recycling als Ersatzbrennstoff
- weiter abwarten auf den Zerfall durch UV-Einstrahlung
- Einsammeln und verbringen auf Deponie
Kosten des Abbaus
Die Wiederverwendung ist zwar kostenaufwändig, weil in der Regel neben dem Einsammeln auch arbeitsintensiv die Halterungen an den Stöcken ersetzt werden müssen. Dies wird jedoch weitgehend durch den Wert bei der Wiederverwendung aufgewogen.
Ein Recycling als PP-Rohstoff oder Ersatzbrennstoff erfordert einen größeren Anfall an Materialen, weil die abgebauten Hüllen in einem möglichst großen Container (Abb. 1) zu einem Recyclingcenter verbracht und dort aufgearbeitet werden müssen. Das bedeutet aber auch, dass die Hüllen am Waldort vorkonzentriert und dann zum zentralen Ort, wo der Container steht, verbracht werden müssen (Abb. 2). Deshalb sollte man die Hüllen möglichst kompakt transportieren. Dabei hilft es, wenn es sich um runde Röhren handelt, diese aufzuschlitzen – zum Beispiel mit einem Teppichmesser – um sie dann ineinanderstecken zu können (Abb. 3 und 4). Dadurch können die Kosten wesentlich beeinflusst werden. Andere Einflussfaktoren sind die Entfernung von der Waldstraße, die Verwilderung der Fläche (Dornen) und die Steilheit des Geländes.
Abb. 5: Eingewachsene Hülle am Wurzelhals.
Abb. 6: Spätestens wenn die Hülle neben dem Baum am Boden liegt, hat sie ihre Funktion verloren.
Den Abbaukosten stehen andererseits Einnahmen gegenüber. Auf dem Recyclinghof wird aus Abfall ein Wertstoff, der preislich vergütet wird. Ersatzbrennstoff hat einen geringeren Preis als PP. Die Ansprüche an die Sauberkeit des Materials (humose Verschmutzungen) sind jedoch bei Verarbeitung als PP deutlich höher. Beim Recyceln als PP ist es auch notwendig, dass die Hüllen separat von anderen Stoffen (z. B. von Kabelbindern aus Nylon) transportiert werden, da diese anders zu verarbeiten sind. Die Kosten für das Recyceln können bei guter Organisation und unter Berücksichtigung der Erlöse unter 1 Euro gehalten werden. Dies haben Versuche des Autors mit der Firma Hess Interforst gezeigt.
Das Einsammeln und Verbringen auf eine Deponie ist die teuerste Variante, weil hier keine Erlöse entstehen und zusätzlich Deponiegebühren anfallen. Kopp (Wuchshüllen im Kostenvergleich) berichtet von Kosten in Höhe von 1,78 €/Hülle. Eine Beseitigung im Rahmen der gelben Tonne, was mancherorts überlegt wurde, scheidet aus, weil es sich nicht um ein teilnehmendes Verpackungsmittel handelt.
Bei der Variante "weiter abwarten" entstehen zunächst keine Kosten. Bei nicht rechtzeitigem Abbau besteht jedoch das Risiko des Einwachsens der Hülle am Wurzelhals (Abb. 5) und eventuell von Rindennekrosen am Stamm, die zu Instabilität des Baumes und zu Holzwertminderungen führen können. Bei Verwendung von Hüllen mit einer Sollbruchstelle (z.B. Laser Line bei Tubex Ventex) minimiert sich dieses Risiko, da der Baum bei entsprechendem Dickenwachstum die Hülle sprengen kann. Liegt die Hülle funktionslos neben dem Baum, kann jedoch ein rechtliches Problem entstehen.
Beseitigungspflicht für Wuchshüllen?
Wenn die Hülle ihre Funktion verloren hat und davon ist spätestens dann auszugehen, wenn sie neben dem Baum am Boden liegt (siehe Abb. 6), stellt sich die Frage, ob der Waldbesitzer/-eigentümer verpflichtet ist, die Hülle zu beseitigen. Ein Blick ins Kreislaufwirtschaftsgesetz vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch § 44 Absatz 4 des Gesetzes vom 22. Mai 2013 (BGBl. I S. 1324) geändert worden ist, kann da hilfreich sein. Nach § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes sind Abfälle "alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt oder entledigen will". Nach Abs. 3 ist der Wille zur Entledigung anzunehmen, wenn "deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt". Daraus folgt, dass eine Abfalleigenschaft zumindest bei nicht verrotteten Hüllen anzunehmen ist, deren Funktionszeit abgelaufen ist. Dies trifft in jedem Fall auch für die Kabelbinder aus Nylon zu, die als Haltevorrichtung an manchen Hüllen Verwendung finden.
Aus der Abfalleigenschaft folgt für den Besitzer eine notwendige Übergabe der funktionslosen Hüllen an eine geeignete Firma zur Abfallbeseitigung oder Abfallverwertung (Abfallbeseitigungsanlage). Beim Recycling wird durch Verarbeitung des Abfalls ein Wertstoff (Ersatzbrennstoff oder Ausgangsmaterial für PP-Produkte) erzeugt. Die Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind Bußgeld bewehrt.
Bei Hüllen mit wesentlichen Anteilen aus biologischer Stärke, wie zum Beispiel den 12D Ventex Hüllen der Firma Tubex (Abbaubarkeit von Wuchshüllen), ist es komplizierter: Denn es gelten die Fragen zu klären, ob es sich um Bioabfall handelt und wann die Hülle ihre Funktion verliert. Wenn sich die Hülle langsam vom oberen Rand beginnend zersetzt, kann sie beispielsweise die Funktion eines Fegeschutzes noch über einen längeren Zeitraum erfüllen. Diese neu entwickelten, aber erst seit kurzem auf dem Markt angebotenen Hüllen, sind so konzipiert, dass sie am Ende ihrer Funktionszeit auch tatsächlich zerfallen und verrottet sind, also wegen Funktionslosigkeit nicht zu Abfall im rechtlichen Sinn werden. Hier soll jedoch im Folgenden nur der Fall reiner PP-Hüllen und solcher aus anderen Materialien mit langer Lebensdauer weiter behandelt werden.
Umweltgesichtspunkte
Beurteilt man die Handlungsalternativen unter dem Gesichtspunkt der CO2-Emmissionen, so schneiden die verschiedenen Alternativen in der oben angegebenen Reihenfolge immer schlechter ab. Das bedeutet, dass die Wiederverwertung am günstigsten ist, gefolgt von den Recyclingalternativen: stoffliche Verwertung vor Verbrennung. Am ungünstigsten ist das Einsammeln und Verbringen auf eine Deponie. Wie beim langsamen chemischen Abbau, wird hier am Ende das PP in CO2 und H2O zerlegt ohne Energie zu erzeugen. Gespart wird allerdings bei der Variante "Abwarten auf den Zerfall" der Aufwand für Einsammeln, Transport und Verarbeitung. Das rechtliche Risiko ist jedoch mit abzuwägen (s. o.).
Wer den Aussagen, dass beim Zerfall des PP durch UV-Strahlung keine umweltschädlichen Zwischenprodukte für Kleinlebewelt oder Boden entstehen, misstraut, ist auf der sicheren Seite, wenn die Wuchshüllen am Ende Ihrer Funktion abgebaut, gesammelt und entweder wiederverwertet oder recycelt werden.
Letztendlich spielt bei der Verwendung von Wuchshüllen auch immer eine Abwägung mit der Waldästhetik und der Erholungsfunktion des Waldes eine Rolle. Wenn man schon zu Lasten dieser Gesichtspunkte bei der Kulturbegründung zur Sicherung eines stabilen Mischwaldes optische Kompromisse eingegangen ist, sollte am Ende eine Wuchshülle eben auch aus ästhetischen Gründen nicht im Wald verbleiben.
Tab. 1: Was tun mit Wuchshüllen am Ende ihrer Funktionsdauer? | |||
Alternativen | Aufwand je Wuchshülle | umweltfreundlich | Abfallrecht problematisch |
Abwarten auf Zerfall durch UV-Strahlung | 0 | nein | ja |
Abbau und Wiederverwertung | ± 1 € | ja +++ | nein |
Recycling als PP-Rohstoff | << 1 € | ja ++ | nein |
Recycling zu Brennstoff | < 1 € | ja + | nein |
Entsorgung auf Deponie/Verbrennung | > 1,5 € | nein | ??? |
Fazit
Für Waldeigentümer, die vor zehn Jahren oder früher mit Wuchshüllen gearbeitet haben, welche jedoch heute ihre Funktion verloren haben und noch nicht verrottet sind, stellt sich die Frage des weiteren Vorgehens. Hierzu werden Handlungsalternativen und deren Konsequenzen aufgezeigt. Die Möglichkeiten reichen von Wiederverwenden über Recyceln bis zu Abwarten. In jedem Fall ist eine Entscheidung des Waldbesitzers gefordert. Nur wenige haben schon so eindeutige Entscheidungen getroffen wie zum Beispiel das Land Rheinland-Pfalz. Dort werden nach gesicherter Begründung der Kultur "alle Schutzmaßnahmen restlos von der Fläche entsorgt" (Wuchshüllen: Die Technik machts!). Auch bei aktueller Verwendung von Wuchshüllen stellt sich die Frage, ob der Forstbetrieb Hüllen mit hohen UV-Stabilisatoren und langer Lebensdauer verwenden will, bei denen sich am Ende der Funktionsdauer die gleichen Fragen stellen; oder ob er sich für ein modernes Produkt, wie zum Beispiel Ventex 12D, entscheidet, das im Wald zerfällt. Bei der Entscheidung sind betriebswirtschaftliche, rechtliche und ökologische Fragen miteinander und gegeneinander abzuwägen.