Mindestens 4 bis 5 Mio. ha der europäischen Fichtenbestände außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes stocken auf Laub- und Laubmischwaldstandorten. Diese ursprünglich gemischten Bestände wurden durch landwirtschaftliche Nutzung, Streugewinnung, Waldweide und Brennholzgewinnung übernutzt.
Während der letzten 200 Jahre wurde die Fichte (Picea abies) wegen ihrer hohen Zuwachsraten und anspruchslosen waldbaulichen Behandlung stark gefördert. Dem entsprechend sind Teile von West- und Mitteleuropa von Fichtenforsten dominiert. Diese Wälder sind jedoch anfälliger gegenüber Immissionseinwirkung, Schädlingsbefall, Windwurf und Trockenstress. Der prognostizierte Klimawandel verschärft zunehmend das Problem.
Aus wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Gründen wird daher die Wiederherstellung der ursprünglichen Laubmischwälder als Schritt in Richtung einer nachhaltigen Waldwirtschaft angesehen. Dieser Umbau kann rasch (Bestandesumwandlung mittels Kahlschlag) oder über einen längeren Zeitraum (durch Voranbau mit Buche (Fagus sylvatica) unter einem Fichtenaltholzschirm) erreicht werden.
Obwohl in den letzten Jahrzehnten in Mitteleuropa praktische Erfahrungen mit Voranbau gesammelt wurden, besteht noch großer Forschungsbedarf. Das Projekt SUSTMAN versuchte, diese Wissenslücken zu schließen.
Das Forschungsprojekt SUSTMAN wurde von der EU finanziert, um den Voranbau von Laubbaumarten unter Fichtenschirm als waldbauliches Werkzeug für die Umwandlung von Fichtenwäldern zu untersuchen. In das Projekt waren Forscherteams aus Österreich, Tschechien, Deutschland, Slowenien und Schweden eingebunden. Das Projekt erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Jahren (2002 bis 2005, EU Projekt SUSTMAN (QLRT: 2001 – 00851), Koordination Prof. Dr. M. Kazda, Uni Ulm). Ein wichtiges Ziel war der Wissenstransfer in die forstliche Praxis. Zu diesem Zweck wurde eine waldbauliche Richtlinie für Forstpraktiker ausgearbeitet, die sich mit Voranbauten beschäftigt. |
Praktische Erfahrungen mit Voranbau
Voranbau von Buche unter Fichtenschirm ist eine altbewährte Methode. In Deutschland wird sie seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben. Insgesamt wurden in Mitteleuropa aber nur wenige Prozent der Fichtenfläche mit Laubholz unterbaut bzw. vorangebaut. Viele Waldbewirtschafter sind der Ansicht, dass der Voranbau aus Gründen der Biodiversität in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Weitere Argumente für den Bestandesumbau sind die Stabilität von Beständen und die Verbesserung der Bodenbedingungen.
Die im Projekt SUSTMAN am intensivsten untersuchte Voranbaubaumart ist die Buche. Es wurden aber auch Bergahorn, Linde, Esche, Eiche, Douglasie, Hainbuche, Eberesche und Vogelkirsche in die Studie miteinbezogen. Pflanzung ist die häufigste Begründungsmethode, Saaten werden hingegen nur sehr selten durchgeführt und gelten als unzuverlässig.
Die verwendeten Pflanzen sind meist wurzelnackt, wobei das Alter zwischen ein und fünf Jahren und die Höhe zwischen 15 cm und 1 m schwankt. Die Anzahl der Pflanzen pro Hektar variiert zwischen 200 und 10.000 Individuen. Auch die Grundfläche des überschirmenden Fichtenaltbestandes ist mit Werten von kleiner 20 m2/ha bis zu größer 50 m2/ha sehr unterschiedlich. Der Zeitraum zwischen Voranbau und Räumung des Altbestandes ist ebenfalls sehr variabel und variiert zwischen 5 und 20 Jahren. In einigen Fällen bleibt der Altholzschirm sogar bis zu 40 Jahre erhalten. Vielfältig sind daher auch die Holzerntemethoden im Altbestand, am häufigsten ist die motormanuelle Arbeit.
Auswahl der Standorte für den Voranbau
Der Entscheidungsprozess kann in drei Schritte unterteilt werden.
- Abschätzung der Risikofaktoren für die Fichte
- Beurteilung der Eignung der Laubbaumarten für die ausgewählten Standorte
- Auswahl der Umbaumethode
1. Risikoabschätzung
Im ersten Schritt muss das Risikopotenzial der Fichte abgeschätzt werden. Aus den Standortsfaktoren kann vor allem das Trockenheitsrisiko abgeleitet werden. Beispielsweise eine geringe Durchwurzelungstiefe ist entweder auf einen flachgründigen Boden oder ein schlechtes Wurzelwachstum infolge ungünstiger Bodendurchlüftung zurückzuführen. Beides schränkt die Wasserverfügbarkeit für die Baumwurzeln bei extremer Witterung mit ausgeprägten Trockenperioden ein. Die reduzierte Vitalität der Fichte während solcher Perioden verringert den Widerstand des Baumes gegen Borkenkäfer und führt oft zum Absterben.
Die Bestandesfaktoren beziehen sich auf die Struktur und die Behandlung. Hohe Stammzahlen führen zu einer erhöhten Kroneninterzeption, sodass wenig Wasser in den Boden einsickern kann. Überdies werden schlanke Bäume mit einem hohen H/D-Verhältnis zunehmend instabil. Ebenfalls limitieren schwere Böden sowie ein hoch anstehender Grundwasserspiegel die Durchwurzelungstiefe und beeinträchtigen damit die Verankerung des Baumes im Boden. Die Bewertung von Risikozonen der Fichte ist mit Hilfe von Klimakennwerten, wie Temperatursummen und durchschnittlicher jährlicher Niederschlagsmenge, möglich.
2. Beurteilung der Eignung
Die Beurteilung geeigneter Standorte für Laubholzvoranbau basiert auf den Faktoren Wasserverfügbarkeit, Bodennährstoffregime und Klima. Viele Laubbaumarten brauchen nährstoffreiche Böden für gutes Wachstum.
3. Auswahl der Waldumbaumethode
Bei geplanten Waldumbauten ist eine Prioritätenreihung der Bestände notwendig. Generell beeinflussen die Situation am Holzmarkt, steuerrechtliche Bestimmungen und Subventionen die Entscheidungen, wobei auch potenzielle Risiken bei der Baumartenwahl Eingang finden müssen. Die waldbauliche Entscheidung muss aber auch mit dem geplanten Ressourceneinsatz abgestimmt werden, um das waldbauliche Ziel – Laubhölzer für die Wertholzproduktion oder als ökologische Bereicherung (Erhaltung der standörtlichen Produktion, Erhöhung der Biodiversität etc) – zu erreichen.
Kahlschlag mit Aufforstung. Foto: R. Lässig (WSL)
Der Umbau von Wäldern kann auf zwei Arten erfolgen. Erste Möglichkeit: Sie zielt auf eine rasche Etablierung der Zielbaumarten ab, zum Beispiel durch Kahlschlag mit anschließender Aufforstung, während, zweitens, bei einer allmählichen Bestandesüberführung längere Zeiträume erforderlich sind. Rasche Bestandesumwandlungen stellen im Gegensatz zu Bestandesüberführungen keine Ansprüche an die Stabilität des Altbestandes, aber sehr wohl an die Standortsverhältnisse. So sind Kahlschläge auf vernässten oder nährstoffarmen Böden beispielsweise aus ökologischen Gründen nicht vertretbar. Neben der Stabilität des Fichtenaltbestandes sind auch die unterschiedlichen Ansprüche der Laubbäume in Bezug auf Lichtgenuss und Nährstoffversorgung entscheidend.
Wurzelverteilung und Konkurrenz
Das typische Wurzelsystem der Fichte ist flachstreichend mit den höchsten Wurzeldichten in der organischen Auflage und im obersten Mineralbodenhorizont. Im Gegensatz zu Fichte reicht das Wurzelsystem der Buche meist bis in größere Tiefen. Starke unterirdische Wurzelkonkurrenz kann vor allem in den ersten Jahren des Voranbaus auftreten, solange die Durchwurzelung durch die jungen Buchen auf die oberen Bodenschichten beschränkt ist. Die Ergebnisse aus dem SUSTMAN-Projekt zeigen, dass die meisten Feinwurzeln der Fichte in den obersten 20 cm des Bodens konzentriert waren. Unterhalb von 40 cm Bodentiefe konnten kaum noch Fichtenwurzeln gefunden werden. Im Gegensatz dazu reichen die Wurzeln der vorangebauten Buchen viel tiefer in den Mineralboden. Da Fichten in der Nähe des Stammes größere Wurzeltiefen aufweisen, ist es wichtig, die Buchen in einem bestimmten Minimalabstand von den Altfichten zu pflanzen.
Fichte aus dem Altholzschirm (in grauer Farbe) mit darunter gepflanzter Buchen (in schwarz)
Wurzelsystem einer Buchenpflanze mit starken Verformungen
Beim Voranbau ist weiters zu beachten, dass Buche nur in tiefgründigen und gut durchlüfteten Böden ein tiefreichendes Wurzelsystem aufbauen kann. Teilweise wiesen die während des Projektes ausgegrabenen Buchen deutlich deformierte Hauptwurzelsysteme auf. Sie resultieren aus dem Wurzelschnitt kurz vor der Pflanzung und möglicherweise auch aus unsachgemäßer Einbringung der Wurzeln während der Pflanzung.
Saftstrommessung
Der Saftstrom (Transpiration von Wasser) ist ein guter Indikator für den Funktionszustand des Wurzelsystems. Im Schnitt transpirierten die Buchenjungpflanzen im mäßig trockenen Juli und August 2002 rund 1,5 kg Wasser pro Tag. Während derselben Periode im Jahr 2003, einem ausgeprägten Trockenjahr, transpirierten sie 2,3 kg Wasser pro Tag. Ein trockenstressbedingter Rückgang der Transpirationsleistung war nicht festzustellen. Im Gegensatz dazu verdunsteten erwachsene Fichten im Jahr 2002 ungefähr 35 mal mehr (54,5 kg Wasser pro Tag) und reagierten im Trockenjahr 2003 sehr empfindlich mit einer deutlichen Verringerung der Transpiration. Das bedeutet: Vorangebaute Buchen sind trockenheitstoleranter als Fichten.
Literaturstudien bestätigen, dass die Konkurrenz um Wasser in Stammnähe der Fichten stärker ist. Verjüngungspflanzen, die zu nahe an Altfichten gesetzt werden, leiden unter Trockenstress. An diesen Plätzen sollte daher keine Pflanzung durchgeführt werden. Eine andere Möglichkeit, die Wurzelkonkurrenz zu vermindern, ist die stärkere Auflichtung des Fichtenschirmes oder eine vorzeitige Freistellung.