Die Rotbuche (Fagus sylvatica) ist die wichtigste Baumart in der mitteleuropäischen Waldvegetation und galt bisher als vergleichsweise resistent gegen die Klimaerwärmung in Deutschland. Die trockenen Sommer der letzten Jahre haben jedoch zu erheblichen Schäden in den Buchenbeständen geführt. Die Klimaxbaumart Buche ist ein wesentliches Element eines wirtschaftlich tragfähigen naturnahen Waldbaus mit einem (hohen) Nadelholzanteil in Mitteleuropa. Für die Erhaltung eines hohen Anteils an Buchenwäldern ist eine geförderte Einwanderung (assisted migration) von trockenheitstoleranten oder klimaplastischen Buchenherkünften oder der nahe verwandten Orientbuche eine wichtige zu untersuchende Option.
Die Rotbuche und mögliche Alternativen
Diese Pilotstudie findet im Rahmen des Projekts sensFORclim statt. Sie zielt darauf ab, die klimatische Anbaueignung der Orientbuche in Süddeutschland zu untersuchen, wobei der Schwerpunkt auf Rotbuchen-Waldstandorten liegt, und stützt ihre Ergebnisse auf makroökologische Daten (deskriptive Statistik, Klimahüllen). In sensFORclim werden mit verschiedenen Methoden (Artverbreitungsmodellen, Dendroökologie, Physiologie und Genetik) und auf verschiedenen räumlichen Skalen (Kontinent, Region, Bestand) nach klimaplastischen Populationen wichtiger Hauptbaumarten gesucht. Die Zielregionen unserer Studie sind vier Bundesländer in Süddeutschland (Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen, Sachsen).
Abb. 2: Verbreitungsgebiet von Rotbuche (blauer Umriss) und Orientbuche (grün) nach Caudullo et al. (2017), Zielgebiet in Süddeutschland (schwarz) bestehend aus vier Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Thüringen). Hintergrundschattierung = Höhenraster aus WordClim (Fick & Hijmans 2017).
Beide Schwesterarten, Rotbuche und Orientbuche, sind in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet beherrschende Baumarten. Als sehr schattentolerante und dominante Arten bevorzugen sie lehmige Böden und ein frisches Wasserregime, obwohl sie auch in einem breiten Spektrum von Böden mit sehr unterschiedlicher Texturklasse, Bodensäuregehalt und Nährstoffversorgung vorkommen. Die Verbreitungsmuster der Art im südöstlichen Balkan deuten jedoch darauf hin, dass Orientbuche an trockeneren und wärmeren Standorten als Rotbuche vorkommen könnte.
Obwohl viele Informationen über die Ökologie und Genetik beider Arten vorliegen, fehlt ein Vergleich der Anbaueignung beider Arten auf der Grundlage quantitativer Klimadaten. Insbesondere die Frage nach der Eignung von Orientbuche an Randstandorten von Rotbuche in Süddeutschland blieb bisher unbeantwortet.
Methode
In dieser Studie vergleichen wir die klimatische Spannweite beider Arten und berechnen den klimatischen Marginalitätsindex (CMI), der den Abstand eines Standorts zum warmen-trockenen Nischenrand (warm-trockene Klimagrenze der Art) misst. Wir erstellen eine Karte der Eignung beider Arten auf der Grundlage des klimatischen Marginalitätsindex (CMI) unter Einbeziehung historischer Klimadaten (1970-2000) und eines einfachen Szenarios für eine wärmere Zukunft (+2 °C im Jahr 2071-2100) unter Verwendung von BIOCLIM, ein einfacher Algorithmus, der auf den Quantilen der Häufigkeitsverteilung von Parametern im Areal der untersuchten Arten basiert.
Klima
Zur Beschreibung der klimatischen Verbreitungsgebiete der Arten wurden 6 bioklimatische Variablen (Fick & Hijmans 2017) sowie zwei weitere, ebenfalls aus WorldClim-Daten abgeleitete Klimavariablen verwendet, nämlich der Kontinentalitätsindex (Conti) nach Conrad (1946) und der Ellenberg-Quotient (EQ, Ellenberg 1988). Der Vergleich der beiden Arten basiert auf Boxplots, welche charakteristische Quantile im gesamten Klimabereich wiedergeben. Der Interquartilsbereich (Box) kann als Kernverbreitungsgebiet einer Art interpretiert werden.
Für die Abschätzung möglicher zukünftiger Arealverschiebungen beider Arten wird ein einfaches Erwärmungsszenario (Jahrestemperatur + 2°C) ohne Veränderungen der Jahresniederschläge angenommen. Dies entspricht in etwa dem RCP4.5-Szenario für Süddeutschland für den Zeitraum 2071-2100 (DWD 2021).
Vorkommen der Arten
Für die Generierung der potenziellen Buchenvorkommen wurde das gesamte Verbreitungsgebiet beider Arten nach Caudullo et al. (2017) und der Waldlayer von COPERNICUS mit ca. 100 m Auflösung verwendet, aus der die Laub- und Mischwaldpunkte ausgewählt wurden. Mit diesem Verfahren haben wir 37.618 Datensätze für Rotbuche und 7.624 Datensätze für Orientbuche gesammelt. Das Zielgebiet in Süddeutschland wird durch 2.048 Datensätze abgedeckt.
Für alle statistischen Berechnungen und die Erstellung der Karten in Abbildung 4 haben wir QGIS und „R“ (R-core team 2019) verwendet, insbesondere die Pakete „raster“ und „dismo“.
Klimatische Toleranzbereiche
Die klimatischen Verbreitungsgebiete der beiden Schwesterarten überschneiden sich deutlich (Abb. 3). Die Temperatur- und Niederschlagsbereiche zeigen jedoch, dass Orientbuche wärmere und trockenere Klimazonen erreicht als Rotbuche. Die Sommertemperatur (Twq) zeigt die größten Unterschiede mit höheren Werten im Median (+1,8 °C), im dritten Quartil (+2,3 °C) und im oberen Whisker (+4,5 °C). Die entsprechenden Werte für Jahrestemperatur (Tyr) liegen bei 1,5 °C, 1,8 °C und 3,4 °C. Die Minimumtemperatur weist mit einer mittleren Abweichung von +0,8 °C die geringsten Schwankungen auf (Abb. 3 a).
Während die Temperaturbereiche von Orientbuche auf einem höheren Niveau liegen, wächst die Art unter niedrigeren Niederschlägen als Rotbuche. Insbesondere die Pwq-Werte (Sommerniederschlag ) sind mit einem Median von 156 vs. 224 mm deutlich niedriger als bei Rotbuche. Die jeweiligen Unterschiede der Pyr-Werte (Jahresniederschlag) betragen 738 vs. 787 und 215 vs. 362 mm.
Abb. 3: Klimabereiche von Orientbuche und Rotbuche nach vier temperaturbasierten bioklimatischen Variablen (a) Maximaltemperatur (Tmax), Sommertemperatur (Twq), Jahrestemperatur (Tyr), Minimaltemperatur (Tmin) und die niederschlagsbezogenen bioklimatischen Variablen (b) Jahresniederschlag (Pyr), Sommerniederschlag (Pwq) aus WolrdClim (Hijmans & Fick 2017) sowie zwei Ableitungen aus dieser Datenquelle: Der Kontinentalitätsindex (Conti) von Conrad (1946) und der Ellenberg-Quotient (Ellenberg 1988).
Die Orientbuche bevorzugt also ein eher kontinentales Klima, während Rotbuche ein eher ozeanisches Klima bevorzugt. Ein Vergleich der klimatischen Verbreitungsgebiete beider Arten zeigt deutlich, dass Orientbuche gut an eine Klimaerwärmung (z. B. einen Jahrestemperatur-Anstieg von 2 °C) angepasst ist und vor allem die Bedingungen an der trocken-warmen Klimagrenze von Rotbuche besser ertragen kann. Gleichzeitig toleriert Orientbuche im Vergleich zu Rotbuche niedrigere Mindesttemperaturen, einen größeren Temperaturbereich (Minimumtemperatur vs. Tmax, Abb. 3) und ein kontinentaleres Klima (Conti).
Die Beobachtung, dass Orientbuche recht widerstandsfähig gegen Frost ist, wird durch den USDA-Frosthärte-Index gestützt, der Rotbuche und Orientbuche die gleichen Untergrenzen zuweist, während er für Orientbuche eine höhere Obergrenze angibt (8 vs. 7). Die Spätfrostbeständigkeit sollte auch stärker sein als die von Rotbuche, da die Spätfrostbeständigkeit eine hohe Korrelation mit dem Kontinentalitätsbereich einer Art aufweist. Nach Svoboda (1953) sind auch die Schösslinge von Orientbuche viel widerstandsfähiger gegen Frost, Sonnenbrand und Trockenstress als die von Rotbuche.
Sowohl Frost- als auch Trockenheitstoleranz sind wichtige Voraussetzungen für die künftige Eignung der Art an Waldstandorten in Süddeutschland. Ähnlich wie Rotbuche besteht auch der Orientbuchenkomplex aus einer großen Vielfalt an Geno- und Phänotypen mit einer hohen ökologischen Differenzierung, insbesondere im Wachstum und Austrieb. So zeigte z. B. eine bulgarische Orientbuchen-Herkunft (Gramaticovo) in süddeutschen Versuchen eine höhere Frostempfindlichkeit als Rotbuchen-Herkünfte. Daher sind geeignete Herkunftsversuche und die Auswahl der richtigen Herkunft von entscheidender Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Toleranz gegenüber Trockenheit und Frost.
Klimatische Marginalität in Süddeutschland
Abb. 4: Klimatische Marginalität (CMI) von Rotbuche (obere Reihe, Abb. 4. a+b) und Orientbuche (untere Reihe, Abb. 4. c+d) im aktuellen (1970-2000, linke Spalte, Abb. 4. a+c) und zukünftigen Klima (+2°C, rechte Spalte, Abb. 4. b+d,) im Untersuchungsgebiet nach dem BIOCLIM-Algorithmus, der auf den Quantilen der Jahresmitteltemperatur und des Jahresniederschlags im gesamten Verbreitungsgebiet der Art basiert (Caudullo et al. 2017).
Die aktuelle Eignung von Rotbuche ist in der untersuchten Region hoch. In 80 % des Gebiets zeigt der CMI (klimatischer Marginalitätsindex) optimale und mittlere Bedingungen an. Die Randzonen an der feucht-kalten Klimagrenze (höhere Lagen, bläuliche Farben in Abb. 4a) sind viel größer (19 %) als an der trocken-warmen Klimagrenze (2,5 %) (rötliche Farben in Abb. 4a). Die Unterscheidung dieser Zonen ist entscheidend, da nur an der trocken-warmen Klimagrenze ein hohes Risiko für die Rotbuche besteht, während die Standorte an der feucht-kalten Klimagrenze weitgehend gegen den Klimawandel gepuffert sind.
Die mögliche zukünftige Eignung von Rotbuche ist in Abb. 4b dargestellt. Aufgrund der klimatisch gut gepufferten Situation in höheren Lagen verändert eine Klimaerwärmung um 2 °C den geeigneten Bereich (optimaler und mittlerer CMI) dort nicht wesentlich. Während sich die Randbereiche an der feucht-kalten Klimagrenze von 19 % auf 7 % verringern, vergrößern sich die warm-trockenen Zonen, in denen die Rotbuche durch die Erwärmung am meisten gefährdet ist, um das 6-fache (15 %).
Die derzeitige Eignung von Orientbuche ist ähnlich wie die der Rotbuche. In mehr als 80 % des Untersuchungsgebiets weist die Orientbuche zumindest eine mittlere Eignung auf. Außerdem sind die Grenzgebiete an der feucht-kalten Klimagrenze bei der Orientbuche (höhere Lagen, bläuliche Fläche in Abb. 4c) viel größer (15 %) als die an der trocken-warmen Klimagrenze (1 %) (rot/orange Fläche in Abb. 4a).
Zum Vergleich der künftigen Anbaueignung beider Arten ist die Randzone der Rotbuche auch in der Karte der Orientbuche durch eine graue Konturlinie eingezeichnet (Abb. 4d). In einer 2°C wärmeren Zukunft verbleibt das Anbaurisiko der Orientbuche in Süddeutschland gering mit einem hohen Anteil an optimalen und intermediären Standorten (> 80%, Abb. 4d). Dies geht wiederum zu Lasten der Randgebiete an ihrer feucht-kalten Klimagrenze, die von 15 % auf 2 % reduziert werden. Die meistgefährdeten Zonen am trocken-warmen Nischenrand bleiben klein (2 %). Der größte Teil der kritischen Rotbuchen-Randgebiete (Abb. 4d) bleibt für die Orientbuche intermediär oder gar optimal. Nur die wärmste und trockenste Region im Tiefland im Nordosten bleibt für die Orientbuche dauerhaft weitgehend ungeeignet.
Waldbau mit der Orientbuche
Für die ökologische Bewertung unserer Ergebnisse ist es wichtig zu wissen, dass die Ökologie von Orientbuche und Rotbuche recht ähnlich ist. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet besetzt die Orientbuche praktisch die gleiche ökologische Nische als schattentolerante, dominante Klimaxbaumart mit hoher Wuchsleistung. Die Orientbuche kommt im natürlichen Verbreitungsgebiet häufig in Mischungen mit Nadelbäumen vor und könnte daher die Rolle der Rotbuche in naturnahen Wäldern ersetzen. Ihre ähnliche Rolle als Mischbaumart ist von hoher praktischer Relevanz, da bei der Orientbuche eine Änderung der Bewirtschaftungsform (Waldbau mit schattentoleranten Bäumen) nicht erforderlich wäre.
Derzeit beschleunigt der zunehmende Verlust von Rotbuche durch Dürreereignisse die Umwandlung von Buchen- in Eichenwälder, auch wegen der Veränderung des Mikroklimas in geöffneten Beständen. Neben gut angepassten Herkünften von Rotbuche könnte die trockenheitsresistente und zugleich schattentolerante Orientbuche dazu beitragen, diese Entwicklung zu verzögern und Buchenmischwälder auch in Zukunft auf einer größeren Fläche zu erhalten.
Die genetische Variabilität und Vielfalt des forstlichen Vermehrungsmaterials wird eine Schlüsselrolle bei der Anpassung der Wälder an zukünftige Umweltbedingungen spielen. Es sollten ausgewählte Saatgutquellen in den natürlichen Verbreitungsgebieten genutzt werden. Bei der Einführung von Orientbuche in Süddeutschland muss jedoch die mögliche Hybridisierung berücksichtigt werden, die zumindest die Erhaltung der forstlichen Genressourcen beeinträchtigen könnte.
Schlussfolgerungen
Die Verbreitung der Orientbuche deutet darauf hin, dass es möglich ist, die Art auf kritischen Standorten der Rotbuche in deutschen Wäldern anzubauen. Dieser Befund ist recht eindeutig und lässt sich bereits aus Verbreitungsdaten mit einfachen statistischen Methoden ableiten. Darüber hinaus ist die Orientbuche offensichtlich nicht nur als Alternative für die Rotbuche auf kritischen Standorten interessant, sondern auch in vielen Landschaften Süddeutschlands, da ihre Klimanische innerhalb der aktuellen und zukünftigen Klimazonen des Untersuchungsgebiets liegt. Bevor die Orientbuche jedoch großflächig eingeführt werden kann, sind weitere Untersuchungen auf der Grundlage realer Beobachtungen notwendig, sowie Begründung von Herkunftsversuchen, Untersuchungen der genetischen Variabilität natürlicher Populationen und Anbauten in Mitteleuropa sowie Praxisanbauversuche auf einer Vielzahl von Standorten.
Diese Studie wurde gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages (Projektnummer 28W-B-4-058-01) sowie durch das Bayerische Amt für Waldgenetik.