Wo gehobelt wird, da fallen zwangsläufig Späne. Im Grundsatz trifft das zweifellos auch darauf zu, dass bei der Holzernte verbleibende Bäume in gewissem Umfang beschädigt werden. Allerdings scheint in der forstlichen Praxis dieser "gewisse" Umfang offenkundig häufiger deutlich überschritten.
Forschungspaket der FVA
Um Grundlagen zur Verbesserung der Situation erarbeiten zu können, ging die FVA Fragen nach Einflussgrößen und Folgen in einem abteilungsübergreifenden Forschungspaket auf den Grund.
Die Erkenntnis, dass es im Zuge von Holzerntemaßnahmen – ungewollt – an den verbleibenden Bäumen zu Verletzungen der Rinde kommt, ist nicht neu. Auch dass sich daraus empfindliche wirtschaftliche Einbußen beispielsweise durch Wundfäulen ergeben können, ist seit langem sattsam bekannt und dokumentiert. Zudem wurden bereits in den 1970er Jahren an der FVA umfangreiche Untersuchungen zu den das Schadausmaß beeinflussenden Faktoren durchgeführt.
Altes Thema neu aufgelegt
Abb. 1: Bereits in den 1970er Jahren hat sich die FVA ausführlich mit dem Thema "Rindenschäden" beschäftigt. Doch seit dem haben sich die Verhältnisse in der Forstwirtschaft stark verändert.
Warum also eine erneute Beschäftigung mit dem Thema? Die Antwort ist recht einfach: in der jüngeren Vergangenheit haben sich die Verhältnisse bei der Holzernte gegenüber den 1970er Jahren zum Teil gravierend verändert. Dies trifft auf die eingesetzten Forstmaschinenkonzepte und den Mechanisierungsgrad ebenso zu wie auf die mittlerweile zu konstatierende Realität des ganzjährigen Holzeinschlags.
Grund genug, der Sache auf den Grund zu gehen. Die zu bearbeitende Problematik umfasst dabei ein weites Themenspektrum. Der Bogen spannt sich von Analysen zur Häufigkeit von Rindenverletzungen, über die Modellierung hiebsspezifischer Einflussfaktoren und Analysen von Wundreaktionsmechanismen und Pilzbefall, bis zu den damit verbundenen Auswirkungen auf die Sortenaushaltung beispielsweise durch Wundfäulen. Diese Vielfalt legte eine Verteilung der zu bearbeitenden Aufgaben auf verschiedene Schultern nahe. Die Bearbeitung erfolgte daher in einem arbeitsteilig auf die FVA-Abteilungen Waldnutzung, Biometrie und Informatik, Waldschutz und Waldwachstum verteilten Forschungspaket.
Praxisnähe und Verallgemeinerbarkeit
Im Interesse der Verwertbarkeit in der forstbetrieblichen Praxis wurde dabei besonderer Wert auf die Verwendung praxisnaher Datengrundlagen und die Erarbeitung verallgemeinerbarer Ergebnisse gelegt. Keinesfalls sollten lediglich weitere, nur für ganz spezifische Verhältnisse gültige Fallstudien entstehen.
Die Verwendung von Daten aus repräsentativen Stichprobeninventuren sowie umfangreiche Erhebungen in realen Praxishieben stellten daher die Praxisnäheder Daten sicher. Zudem erfolgte eine intensive Beteiligung forstlicher Praktikerinnen und Praktiker sowohl bei der Datenerhebung als auch im Rahmen einer landesweiten Umfrage zu empirischen Erfahrungen und Einschätzungen.
Die Verallgemeinerbarkeitder erarbeiteten Ergebnisse wurde gewährleistet durch die Anwendung anspruchsvoller Analyse- und Modellierungsmethoden, deren Komplexität den Herausforderungen sowohl der umfangreichen aber heterogenen Datengrundlage als auch der Vielschichtigkeit der Fragestellungen angemessen ist.
Außerdem sollten im Rahmen des Forschungspaketes Fragen zu möglichen Unterschieden in der Wundreaktion von Bäumen, Pilzbefall und Holzentwertung nachgegangen werden. Neben "klassischen" mykologischen, mikroskopischen und jahrringanalytischen Untersuchungsmethoden sind dazu auch die Möglichkeiten des an der FVA seit Kurzem verfügbaren Computertomographen genutzt worden.
Ergebnisse
Die Bilanz dieser Bemühungen kann sich unseres Erachtens sehen lassen. Und zwar sowohl aus wissenschaftlicher Sicht hinsichtlich der erfolgreich platzierten Veröffentlichungen, als auch hinsichtlich der Praxisrelevanz der Ergebnisse. Die wichtigsten seien im Folgenden kurz genannt:
- Hinsichtlich holzerntebedingter Rindenverletzungen sind Fichte und Buche offenkundig die "Hauptproblembaumarten"; beide weisen vergleichsweise hohe Schadprozente auf.
- Aus holzerntetechnischer Sicht wirken sich vor allem folgende Faktoren auf die Häufigkeit des Auftretens von Rindenverletzungen aus (in absteigender Reihenfolge der Bedeutung):
- Entnahmeprozent/Eingriffsstärke,
- Entfernung zur Feinerschließungslinie,
- eingesetztes Holzernteverfahren (in Verbindung mit der Sortimentslänge),
- Vorrückeentfernung,
- Baumart und Baumhöhe.
- Außerdem weisen die Analysen darauf hin, dass sich neben solchen direkt messbaren, eher technisch oder natural (bestandes-/baumbezogenen) bedingten Faktoren noch andere Einflussfaktoren auf das Ausmaß der Verletzungen auswirken dürften. Solche "weichen" Faktoren waren zwar nicht direkt gemessen worden; die angewendeten statistischen Analysemethoden erlaubten jedoch eine indirekte Quantifizierung und zeigten, dass sie in ihrer Wirkung zu großen Anteilen der Betriebsebene zuzuordnen waren. Es erscheint daher naheliegend, dass sie betriebsorganisatorischer oder personeller Natur sein könnten.
Bei Fichte, Tanne und Buche wurden deutliche Unterschiede hinsichtlich der Reaktionsmuster auf Rindenverletzungen und Entwertungen vor allem durch Pilzbefall festgestellt:
- Bei Fichte ziehen Verletzungen der Rinde umfangreiche Störzonen mit deutlich reduzierten Feuchtegehalten im Splint nach sich. Diese dürften die Ursache für das nachweislich hohe Infektionsrisiko durch Pilze und Entwertungspotenzial durch Wundfäulen sein.
- Im Vergleich zur Fichte kann die Tanne die Wirkung oberflächlicher Rindenverletzungen auf den Splint offensichtlich wesentlich wirkungsvoller abgrenzen. Es kommt zu deutlich schwächer ausgeprägten Störzonen und das Entwertungspotenzial durch Wundfäulen ist vergleichsweise gering.
- Vergleichbares gilt auch bei Buche für bodennahe Rückeschäden. Im Vergleich dazu sind jedoch die von höher am Stamm liegenden Fällschäden ausgehenden Störungen stärker ausgeprägt und mit einem nennenswerten Entwertungspotenzial verbunden.
Interessant sind auch die Ergebnisse der landesweiten Praxisumfrage. In weiten Bereichen stimmen die Einschätzungen der Praxis mit den auf quantitativer Basis gewonnenen Analyseergebnissen zu schadbestimmenden Faktoren und Entwertungspotenzial überein.
Schadniveau steigt weiter
Allerdings sind zwei nennenswerte Ausnahmen zu konstatieren: So nimmt die Praxis ganz offenkundig die Realität des nachweislich weiter ansteigenden Schadniveaus nicht – oder zumindest nur unzureichend – wahr. Außerdem wird "weichen", nicht primär technisch oder natural bestimmten Aspekten (z. B. dem Engagement der Leitungsebene zur Überwachung und Einhaltung von Qualitätsstandards) nur eine geringe Bedeutung zugemessen.
Gleichzeitig dürften die angesprochenen "weichen" Faktoren personeller Natur wie beispielsweise Qualifikation, Problembewusstsein oder Motivation der Waldarbeiter Ansätze zur Verbesserung der Situation liefern, die durchaus ähnlich wirkungsvoll sein könnten wie die Optimierung technischer Aspekte. Welche Mittel geeignet sind, um Verbesserungen zu erzielen, sollten dabei ohne Vorbehalte diskutiert werden – das gilt im Besonderen auch für einkommensrelevante Elemente.