Holzernte kann an Bäumen in nennenswertem Umfang Rindenschäden verursachen. Dies erfordert eine umfassende alle Details beleuchtende Analyse. Insbesondere bedarf es einer möglichst genauen Ursachenanalyse, um konkrete Gegenmaßnahmen zur mittel- und langfristigen Verbesserung der Situation auf betrieblicher Ebene vornehmen zu können. Hierbei ist es wichtig, die aktuellen Holzerntebedingungen mit hohem Rohholzbedarf kontinuierlich über das Jahr hinweg ebenso wie den Einsatz moderner Forstmaschinen und ihre Integration in heute übliche Verfahren abzubilden.
Der Anteil der Bäume mit einem Rindenschaden aller nach einer Hiebsmaßnahme im Bestand verbliebenen Bäume ist der zentrale Weiser für die Pfleglichkeit der Holzerntemaßnahme. Aus der einschlägigen Literatur sind die vielfältigen Einflussfaktoren für Rindenschäden durch Holzernte bekannt. Trotz der vielfältigen nationalen und internationalen Studien zum Thema in Form von mehr oder weniger spezifischen Fallstudien sind ganzheitliche Betrachtungen der Wirkungsgefüge Holzerntemaßnahmen und resultierende Rindenschäden kaum zu finden. Genau hier setzt das Konzept der Untersuchungen der FVA an.
Sieben Einflussfaktoren sind entscheidend
Nach den eigenen Untersuchungen und Modellierungen konnten die folgenden sieben Einflussfaktoren mit absteigender Bedeutung bestimmt werden:
- Den stärksten Einfluss hat die Eingriffsstärke mit einem relativen Einfluss von 28 %.
- Als zweitbedeutendste Einflussgröße zeigte sich die Nähe des Baumes zur Erschließungslinie Rückegasse respektive Maschinenweg oder Seiltrasse mit 25 %.
- Die angewandten Arbeitsverfahren einschließlich der damit einhergehenden Aushaltungslänge kurz (bis 7 m Länge) und lang (ab 7 m Länge) stehen an dritter Stelle (16 %),
- gefolgt von der mittleren Vorrückeentfernung (13 %).
- Nur noch relativ geringen Einfluss nimmt die Baumart ein (zusammengenommen für die differenzierten Baumarten in der Auswertung 12 %),
- wobei sich Fichte und Buche als die sensitivsten Baumarten zeigten und Tanne, Eiche, Douglasie, Kiefer und Lärche weniger betroffen sind.
- Eine weitere identifizierte Einflussgröße im Modell ist die Baumhöhe (6 %), für die jedoch nur ein schwacher Trend des Einflusses ableitbar ist.
Für die letztgenannten Faktoren Baumart und Baumhöhe werden die Einflüsse auf das resultierende Schadprozent durch die Modellierung tendenziell überzeichnet. Darüber hinaus wechselt deren Reihenfolge je nach Modellierungsansatz (Abb. 1). Die dargestellte Reihung der bedeutsamsten Einflussgrößen ist nicht überraschend, sondern bestätigt die Erkenntnisse aus Einzelstudien auf nationaler und internationaler Ebene.
Abb. 1: Einflussfaktoren für das Auftreten von Rindenschäden durch Holzernte in der Reihenfolge ihrer relativen Einflussnahme.
Einer besonderen Erläuterung bedarf der Einflussfaktor Entfernung eines Baumes zur Erschließungslinie (Abb. 2). Das Risiko, einen Rindenschaden zu erleiden, ist erwartungsgemäß unmittelbar in Nähe der Erschließung am größten. Dieses Risiko nimmt bis etwa 10 m Entfernung stark ab und steigt erst wieder ab ungefähr 40 m Entfernung an. Letzteres dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass in größerer Entfernung zur Erschließungslinie das kontrollierte Vorrücken gefällter Bäume nicht mehr möglich ist und auch durch Zufällen nicht immer befriedigend kompensiert werden kann.
Abb. 2: Einfluss der Entfernung geschädigter Bäume zur Erschließungslinie in Meter.
Holzernteverfahren bestimmt die Höhe der Rindenschäden
Abb. 3: Holzernteverfahren der 183 Versuchshiebe, zusammengefasst in 10 Gruppen nach Mechanisierungsgrad, Aushaltung kurz/lang/Vollbaum/Rohschaft und Vorrückemittel mit ermittelten Schadprozenten.
Die Modellierungen unterstreichen den Faktor Holzernteverfahren als einen der einflussstärksten Einzelfaktoren auf die Höhe der Rindenschäden. Hier lohnt sich eine detailliertere Betrachtung. In Abb. 3 sind die in den 183 Hieben beobachteten Holzernteverfahren in 10 Gruppen zusammengefasst. Sie lassen folgende Schlussfolgerungen zu:
Holzernte unter Nutzung von Seilkränen und Seilschleppern mit einfacher Winde ohne Greifzange zeigen sich als schadträchtiger als solche mit Greifarm/-zange, bei denen das Stammholz pfleglicher durch die verbleibenden Bäume hindurch manipuliert werden kann. Diese prinzipiellen Technologien erlangen offensichtlich bei zunehmend schwierigeren Bedingungen (Hanglagen, Naturverjüngung) zunehmende Bedeutung. Die Ergebnisse weisen Verfahren mit Vollbaum-, Rohschaft- und Langholzbringung als solche mit tendenziell höheren Rindenschäden aus. Insbesondere in Koppelung mit langen Vorrückedistanzen führen diese zu hohen Bestandesschäden. Dagegen sind Verfahren mit Kurzholzaushaltung deutlich weniger schadverursachend.
Ein weiterer grundsätzlicher Aspekt ist der Mechanisierungsgrad. Die Modellberechnungen weisen darauf hin, dass vollmechanisierte Verfahren und solche mit hohem Teilmechanisierungsgrad, das heißt mit Einsatz von Forstspezialschleppern, die zum Vorrücken Kran und Greifzange zur Verfügung haben, tendenziell pfleglicher sind als solche mit geringerem Technikeinsatz.
Der Einfluss der Jahreszeit auf das Schadausmaß schlug sich nur in Form der Schadensgröße nieder, nicht jedoch als Einflussfaktor auf die Anzahl der Rindenschäden durch Holzerntemaßnahmen. Insofern taucht der Faktor nicht in der Darstellung auf, hat aber sehr wohl hohe praktische Bedeutung.
"Weiche" Faktoren schwer identifizierbar
Insgesamt werden durch die entwickelten Modellierungen der Einflussfaktoren der Rindenschäden durch Holzernte 85 % der Bäume richtig klassifiziert; das heißt, es wird korrekt vorhergesagt, ob sie einen Rindenschaden tragen oder unbeschädigt bleiben. Die in Abb. 1 aufgeführten "messbaren" und relevanten Einflussfaktoren haben hierbei zusammen genommen ein Erklärungspotenzial von ca. 69 % der gemessenen Streuung. Die "zufälligen" Effekte nehmen dementsprechend ebenfalls bedeutsame 31 % Erklärungspotenzial ein. Aufgrund der in der vorliegenden Untersuchung vorgenommenen Einbeziehung sämtlicher denkbarer Einflussparameter, die über die oben genannten weit hinaus gehen, aber wegen ihres geringen Erklärungspotenzials nicht dargestellt sind, kann geschlussfolgert werden, dass diese zufälligen Effekte auf "weiche" messtechnisch schwer bis nicht identifizierbare Faktoren zurückzuführen sind. Diese dürften auf betrieblicher Ebene liegen und insbesondere auf management- und personalbezogene Ursachen, wie Organisation, Ausbildung/Fachwissen, Training, Motivation und Engagement hinweisen.