Der Wald ist Lebensraum unzähliger Tier- und Pflanzenarten. Greift der Mensch ein, verändert das die biologische Gemeinschaft. Ob positiv oder negativ, das lässt sich nicht pauschal bewerten. Während manche Arten unter den Folgen der Forstwirtschaft leiden, profitieren andere von ihr.

Trotz fundierter Ausbildung und wachsendem Bewusstsein für den Naturschutz in den vergangenen Jahrzehnten können Forstleute kaum alle Arten und deren ökologischen Nischen im Wald kennen. Auch ein stets gleichberechtigter Schutz ist an den wenigsten Orten praktikabel. Das gleichzeitige Umsetzen von umweltbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen im Revier erfordert umfangreiches Wissen und Urteilsvermögen.

Helfer für die Forstpraxis

Das “Praxishandbuch Naturschutz in der Waldwirtschaft” möchte wichtiges Know-how in kompaktem Format bereitstellen. Es beschreibt auf knapp 200 Seiten typische Waldarten mit ihren Lebensraumansprüchen und zeigt Möglichkeiten für ihren Schutz im Rahmen der Bewirtschaftung auf. Mit dieser Hilfe können Forstleute Waldstrukturen erkennen und Auswirkungen forstlicher Maßnahmen besser abschätzen. 

Entstanden ist das Buch aus einer Reihe von forstlichen Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Waldökologie in Baden-Württemberg. Die Autoren sind Förster, Biologen und Geoökologen. Die meisten sind seit vielen Jahren Referenten bei Schulungen zum Thema Artenschutz. Dies gewährleistet einen hohen Praxisbezug. 

Fakten über Fledermäuse, Lurche und Co.

Von holzbewohnenden Käferarten über Fledermäuse, Spechte und Eulen bis hin zu Schwarzstorch, Schmetterlingen und Amphibien stellen sie Lebensräume und Lebensgrundlagen im Buch detailliert vor. Es wurde darauf geachtet, dass die vorgestellten Arten weit verbreitet sind und es sich nicht um lokale Besonderheiten Baden-Württembergs handelt. Somit lassen sich die Schutzmaßnahmen auch auf andere Bundesländer und Regionen übertragen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den nach europäischem Recht geschützten Arten, insbesondere auf jenen, die in Mitteleuropa ihren Verbreitungsschwerpunkt haben.

Überblick und Brennglas in einem

Mit über 200 Farbfotos sind die Texte reich bebildert und können als praktische Identifikationshilfe zur Bestimmung von Lebewesen und Habitaten herangezogen werden. Praxisbeispiele veranschaulichen, wie bestimmte Arten konkret geschützt und gefördert werden können. Infokästen liefern Überblick über einzelne Fragestellungen und Phänomene, fassen Maßnahmen zusammen oder stellen Bauanleitungen für Schutzeinrichtungen bereit. Dabei gehen die Autoren nicht nach festen formalen Schemata vor, sondern räumen den Abschnitten den aus ihrer Sicht notwendigen Umfang ein. Hierdurch entsteht eine lebendige Lektüre, die Vertiefungsschwerpunkte, Exkurse und Seitenblicke zulässt. 

Ein Kapitel widmet sich explizit der Waldweide. Das Konzept der Nutztierhaltung im Wald hat in den vergangenen Jahren eine Renaissance erlebt und wird exemplarisch anhand der Herrenberger Waldweide beschrieben und unter Naturschutzaspekten eingeordnet. Ebenfalls in einem eigenen Abschnitt werden Bedeutung und Praxis naturschutzbezogener Öffentlichkeitsarbeit thematisiert. Damit wird den gewachsenen Anforderungen an den Beruf der Försterin und des Försters Rechnung getragen, dessen Aufgabenbereich inzwischen weit über die Waldbewirtschaftung hinausgeht und insbesondere in Fragen des Naturschutzes mit kommunikativen Herausforderungen verbunden ist.

Plädoyer für einen Naturschutz frei von Dogmen und Ästhetik

Das Buch möchte über den fachlichen Inhalt hinaus bei den Anspruchsgruppen des Waldes für gegenseitiges Verständnis werben. Der ökologische Wert von bewirtschafteten Waldflächen werde oftmals nicht in gleichem Maße anerkannt wie der ungenutzter Flächen, schreiben die Autoren. Nicht zuletzt eine Folge falscher gesellschaftlicher Vorstellungen. Die Habitate einiger Tiere – wie Pfützen in Rückegassen – entsprechen nicht dem verbreiteten menschlichen Bild des ästhetischen oder “natürlichen” Waldes. Dieser wissenschaftlich unbegründete und mitunter unbewusste Bewertungsfaktor dürfe aber keine Rolle im Naturschutz spielen.

Fazit

Die Autoren selbst verzichten bewusst auf plakative Musterlösungen und betonen die Einzigartigkeit von jeweiligen Baumbeständen und Standorten. Der Wirtschaftswald könne nicht überall den perfekten Naturschutz für alle Arten liefern. Nicht zuletzt, weil der Klimawandel kaum verlässliche Prognosen über den Erfolg von Konzepten zulässt. Damit rücken sie die gute fachliche Praxis ins Zentrum des Handelns und betonen die Bedeutung der Forstpraktiker vor Ort. 

 

Arnold, A.; Bek, H.-J.; Handschuh, M.; Hinneberg, H.; Kühnhöfer, A.; Müller, J. (2024): Praxishandbuch Naturschutz in der Waldwirtschaft. Stuttgart: Eugen Ulmer KG. ISBN 978-3-8186-2029-5.

Preis: 44,00 Euro (gedruckt), 31,99 Euro (digital)