Im Projekt »Soziokulturelles Waldmonitoring Bayern – WaMos Bayern« wurde im Jahr 2020 in Anlehnung an Untersuchungen aus der Schweiz und Baden-Württemberg eine repräsentative Bevölkerungsumfrage von insgesamt 3.504 Personen zum Thema Wald erstellt und ausgewertet. Die Studie wirft einen aktuellen Blick auf das gesellschaftliche Stimmungsbild zu wichtigen forstpolitischen Fragen. Im fünften Beitrag unserer Artikelserie »Die Bayern und ihr Wald« beschäftigen wir uns mit dem Thema Waldnaturschutz.

Umweltwerthaltung der Bevölkerung

Die bayerische Bevölkerung blickt mit Sorge auf Umwelt und Natur – nur die wenigsten vertreten die Meinung, die Menschen dürften sich über die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde (planetare Grenzen) hinwegsetzen. Aufschlussreich sind dabei die sogenannten »Umweltwerthaltungen«, d. h. die unterschiedlichen Naturverständnisse der Teilnehmenden. 69 % der Befragten lassen sich einem »ökozentristischen Weltbild«, also einem naturzentriertem Wertesystem zuordnen, lediglich 2 % einem »anthropozentrischen« und damit menschenzentrierten Weltbild (Abbildung 2).

Ein ökozentrisches Weltbild beinhaltet große Zustimmung zu Aussagen wie »Wir Menschen missbrauchen die Erde« oder »Das Gleichgewicht der Natur ist empfindlich und kann leicht gestört werden«. Eine anthropozentrische Weltsicht wird in der Befragung an Aussagen wie »Menschen haben das Recht, die Umwelt so zu verändern, dass sie ihren Bedürfnissen entspricht« oder »Menschen sind dazu auserwählt, über den Rest der Natur zu herrschen« festgemacht. Interessant ist, dass ein Großteil der Befragten, nämlich fast ein Drittel, keine klare Haltung zur Umwelt hat. Sie sind hier als »indifferent« gekennzeichnet bzw. haben keine Angaben gemacht.

Das sehr große Gewicht der ökozentrischen Umweltwerthaltung ist wenig überraschend. Ähnliche Befunde gibt es aus der Schweiz, wo seit Beginn des soziokulturellen Waldmonitorings im Jahr 1997 ein wachsendes Maß an »Naturzentriertheit« in der Bevölkerung festgestellt wird.

Zustand der Biodiversität im Wald

Natur- und Umweltschutz gehören auch oder gerade in Zeiten von Corona zu den relevantesten Themen für die deutsche Bevölkerung. Der Zustand unserer Umwelt wird – besonders bei Betrachtung der weltweiten Umweltqualitiät – als eher schlecht wahrgenommen. Laut der Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2020 wird dieser aber auch vor der eigenen Haustür bzw. in der näheren Umgebung als kritisch beurteilt.

Obwohl Wälder als besonders artenreiche Ökosysteme gelten, zeigen die Ergebnisse der bayerischen Bevölkerungsbefragung, dass sich die Menschen auch Sorgen um die Biodiversität im Wald machen. Bei der Frage nach dem Eindruck über die mengenmäßige Entwicklung der Flora und Fauna in den Wäldern gaben über 70 % an, diese habe ihrem Gefühl nach abgenommen. Nur rund 21 % waren der Meinung, es gäbe keine Veränderung, gut 7 % beobachteten eine Zunahme (Abbildung 3). Dabei zeigten sich keine Unterschiede zwischen Befragten mit einer ökozentrischen bzw. einer anthropozentrischen Umweltwerthaltung. Vergleicht man die Geschlechter, so sahen 76 % der Frauen (Männer: 66 %) eine Abnahme der Tier- und Pflanzenarten und nur 5 % (Männer: 10 %) eine Zunahme.

Die Bedeutung von Totholz als besonders wertvolles Habitat für seltenere, spezialisierte Tier-, Pflanzen- und Pilzarten und als wichtiger Indikator für die biologische Vielfalt ist mittlerweile weitgehend im öffentlichen Bewusstsein verankert. Bei der Frage nach der Menge an stehendem und liegendem Totholz zeigt sich eine im Vergleich zur allgemeinen Artenvielfalt gegenteilige Tendenz. So beobachteten immerhin rund 45 % der Befragten eine Zunahme der Totholzmenge, 27 % erlebten sie als gleichbleibend und rund 16 % stellten eine Abnahme fest. Mit »kann ich nicht sagen« antworteten knapp 13 %. Diese Einschätzungen bestätigen auch die Ergebnisse der dritten Bundeswaldinventur (BWI 3), die eine Zunahme der bundesweiten Totholzmenge um 18 % belegte. Bei der Beantwortung dieser Frage ergaben sich keine Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Umweltwerthaltungen und dem Geschlecht der Befragten.

Auswirkungen auf die Waldbiodiversität

Wir erleben in den letzten Jahrzehnten einen weltweiten, aber auch nationalen Artenrückgang. Dies bestätigen sowohl die Veröffentlichungen der Rote-Liste-Arten der gefährdeten Pflanzen-, Tier- und Pilzarten, die das Umweltbundesamt anhand repräsentativer Daten erstellt, als auch zahlreiche weitere Untersuchungen (Seibold et al., 2016, Seibold et al., 2019). Als ursächlich werden insbesondere die Verschlechterung und Zerstörung der Lebensräume durch zunehmende Zerschneidung und Versiegelung sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln angesehen. Für das Ökosystem Wald wird die Artenvielfalt und Artenzahl zwar wie beschrieben ebenfalls als rückläufig wahrgenommen, es liegen hier jedoch wesentlich weniger wissenschaftliche Daten vor als beispielsweise für die Landwirtschaft.

Dennoch macht sich die Bevölkerung ein Bild über die ursächlichen Zusammenhänge des Artenrückgangs. So wurden bei der Frage nach den drei größten Gefährdungen für die im Wald lebenden Tier- und Pflanzenarten die Verkehrs- und Infrastruktur (43,5 %), der Klimawandel (40 %) und die Umweltvermutzung (38,8 %) genannt (Abbildung 4).

Die Bewirtschaftung durch große Maschinen und auch die Holznutzung sah mit rund 16 % bzw. 11 % nur ein geringerer Teil der Befragten als bedrohlich für Flora und Fauna an. Dabei zeigten sich kaum Unterschiede im Antwortverhalten nach Umweltwerthaltung und Geschlecht. Somit wird unsere heimische Forstwirtschaft in den Augen der Bevölkerung als weitgehend naturverträglich und weniger als Bedrohung für die im Wald lebenden Tier- und Pflanzenarten erachtet.

Neben den Gefährdungen für die im Wald lebenden Tier- und Pflanzenarten wurde auch nach der Bedeutung bestimmter Faktoren für die biologische Vielfalt in den Wäldern gefragt. Hierzu nannten die Befragten die Schaffung von Mischwäldern (absolut und eher wichtig 89 %), Bäume mit Höhlen (absolut und eher wichtig rund 88 %) sowie die naturnahe Bewirtschaftung (absolut und eher wichtig rund 85 %).

Diese und viele weitere Schwerpunkte sieht auch der Bericht »Wege zu einem effizienten Waldnaturschutz« der wissenschaftlichen Beiräte für Waldpolitik sowie für Biodiversität und Genetische Ressourcen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aus dem Jahr 2020 vor. Einige der zahlreichen Empfehlungen sind die Förderung von Mischbaumarten, die Sicherung der Habitatkontinuität mit alten, mittelalten und jungen Bäumen, der vorrangige Erhalt von Habitatbäumen und die gezielte Entwicklung von Totholzstrukturen.

Zusammenfassung

Die Natur ist der bayerischen Bevölkerung wichtig – mehr als zwei Drittel der Befragten weist eine naturzentrierte Einstellung auf und blickt mit Sorge auf Umwelt und Landschaft, insbesondere auch auf den Wald. Über 70 % der Befragten gaben an, dass die Flora und Fauna in den Wäldern ihrer Meinung nach abgenommen hat. Hingegen stellten immerhin 45 % eine Zunahme von Totholz fest, das als wichtiger Indikator für die biologische Vielfalt im Wald gilt. Als Gefährdung für die im Wald lebenden Tier- und Pflanzenarten sieht die Bevölkerung vor allem die Verkehrs- und Infrastruktur, den Klimawandel und die Umweltverschmutzung. Die heimische Forstwirtschaft wird als weitgehend naturverträglich betrachtet und von nur 16 % als bedrohlich betrachtet. Als wichtige Faktoren zum Erhalt der Biodiversität in den Wäldern nennt sie die Schaffung von Mischwäldern, Bäume mit Höhlen sowie eine naturnahe Bewirtschaftung.