Mit dem Rheinausbau haben sich die standörtlichen Verhältnisse in der Rheinaue bezüglich des Wasserregimes grundlegend geändert. In den sogenannten Staubereichen der Rheinaue zwischen Breisach und Iffezheim fanden früher im Jahresgang starke Wasserstandsschwankungen von ungefähr 2 m um den Mittelwasserstand statt. Heute befindet sich die Aue durch den kanalisierten Rhein in einem statischen Zustand: Große Flächen sind nicht mehr überflutet ("Altaue"), der Grundwasserstand ist durch die Stauhaltungen fixiert und schwankt nur noch wenig. Die Hochwässer kommen mit stärker eutrophiertem Wasser schneller und teilweise höher. Unter dem Eindruck dieser geänderten Wachstumsbedingungen hat die FVA in enger Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium Freiburg auf rund 6.000 von insgesamt rund 7.200 ha bewaldeter Fläche die standortskundlichen Grundlagen in den letzten Jahren neu erarbeitet.
Auf rund vier Fünftel dieser Flächen wächst Wald auf Standorten, auf denen keine Überflutungen mehr stattfinden. Wir ordnen diese Flächen der "Altaue" zu. Flächen, die zumindest periodisch überflutet werden, nehmen ungefähr 20% der Auewaldfläche ein. Nährstoffreiche Schlickauflagen sorgen auf nahezu zwei Drittel der kartierten Fläche für hohes Waldwachstum. Damit sind wuchskräftige Standorte weitaus verbreiteter als in der früheren dynamischen Rheinaue.
Veränderte standörtliche Verhältnisse
Abb. 2: Altrheinaue Taubergießen.
Die natürlichen Hauptbaumarten der Auenwälder sind unter den heutigen Bedingungen Esche, Bergahorn, Hainbuche, Rotbuche sowie auf den nassen, aber zunehmend verlandenden Standorten reliktisch auch noch die Silberweide. Erkennbar wird, dass sich die standörtlichen Verhältnisse zu einem terrestrischen Ökosystem hin bewegen.
Erneut verändert werden die standörtlichen Verhältnisse durch den Bau von Rückhalteräumen für Hochwässer, die an dreizehn Orten entlang des Oberrheins im Einsatz oder im Entstehen sind. In diesen sollen durch kontrollierte Flutungen aueähnliche Lebensräume geschaffen werden. Standortskundliche Feinkartierungen und Modellierungen der unter dem neuen Wasserregime zu erwartenden Auewaldstufen sind die Grundlage für die Planung der zukünftigen Waldbehandlung.
Ulmen verschwunden, Eschen bedroht
Abb. 3: Eschentriebsterben in Eschen-Stangenholz.
Wichtigste Baumart der aktuellen Bestockung in der Aue ist heute die Esche, gefolgt von Bergahorn, Pappelarten und Weidenarten. Die bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts noch waldprägenden Ulmen sind durch das Ulmensterben weitgehend verschwunden. Seit wenigen Jahren zeigt nun auch die Esche aufgrund einer neuen Pilzerkrankung ein massives Triebsterben, das zum Absterben ganzer Waldteile führen kann. Für die Waldbesitzenden – häufig sind dies die rheinanliegenden Gemeinden – ist dies eine bedrohliche Entwicklung. So hat die Esche im Stadtwald Kehl insgesamt einen Anteil von 20%, auf 350 ha Waldfläche besitzt sie Bestockungsanteile von 40% und mehr. In diesen Beständen kann nach dem Ausfall der Esche keine sofortige natürliche Waldregeneration mit anderen standortsgerechten Baumarten erwartet werden; wahrscheinlicher ist ein lang anhaltendes Strauchstadium mit Waldrebe.
Naturschutz am Oberrhein
Nach wie vor beherbergen Auewälder am Oberrhein zahlreiche seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten auf engem Raum. Der weit überwiegende Teil der Rheinauen unterliegt dem besonderen Schutz des Naturschutzrechts: Von rund 7.200 ha Auewald sind über 6.300 ha nach naturschutzfachlichen Vorgaben geschützt. Ziel ist, wo möglich auetypische Standortverhältnisse wieder herzustellen und möglichst eine auentypische Entwicklung zuzulassen, das heißt, Überflutungen zu ermöglichen. Charakteristische Artengemeinschaften des Auewaldes sollen sich einerseits in möglichst großen ungestörten Lebensräumen entwickeln können, andererseits kann vor allem auf Standorten der "Altaue" eine hohe Strukturvielfalt mit entsprechend lichten Strukturen nur mit Hilfe menschlicher Eingriffe erzeugt und erhalten werden. Dabei ist es wichtig, auch für Arten, die auf ungestörte Lebensräume angewiesen sind, Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen. Die Kombination von lichten Strukturen und einem standörtlich angepassten Alt- und Totholz-Konzept ermöglicht mit einem Instrumentarium der geschützten Einzelbäume, der Habitatbaumgruppen und Waldrefugien einen Artenschutz, welcher der Kleinflächigkeit der Aue angepasst ist.
Lichtbaumarten in den Auewäldern
Das Leitbild für eine zukunftsorientierte, weil naturschutzfachlich fundierte Auewaldbewirtschaftung, kann sich auf aussagekräftige standortskundliche und wissenschaftliche Ergebnisse zu Ansprüchen und Dynamik der Baumarten stützen, bei Eiche auch auf Ergebnisse genetischer Untersuchungen. Wald nutzen und Lebensräume erhalten kann im Auewald in vielen Fällen integrativ erfolgen – die Lichtbaumarten in den Auewäldern, insbesondere in der "Altaue", müssen in vielen Fällen durch forstliche Eingriffe gefördert werden, sollen sie nicht im Laufe von Jahrzehnten herausgedunkelt werden.
Die naturschutzfachlichen Ziele können und sollen insbesondere hinsichtlich der Erhaltung der Eichenwälder im Rahmen der Bewirtschaftung erfüllt werden. Hierbei gilt es, die Bewirtschaftung der Eichenwälder mit den Erhaltungszielen des jeweiligen FFH-Gebietes in Einklang zu bringen. Teilweise sind die waldbesitzenden Gemeinden auch bereit, die hohen Investitionen für Eichen-Kulturen zu tragen, um neue eichenreiche Wälder zu begründen. Gerade bei Eichenwäldern können waldbaulich begründete Eingriffe – insbesondere zugunsten der Eiche – eine Verschlechterung des naturschutzfachlichen Erhaltungszustandes verhindern. Mit diesen Maßnahmen werden die naturschutzfachlich werftvollen, lichten Waldstrukturen geschaffen und erhalten.
FFH-Managementpläne
In welchem Umfang Eichenwälder am Oberrhein insgesamt zu erhalten sind beziehungsweise erhalten werden können, kann/muss auch aus den Erhaltungszielen der FFH-Managementpläne abgeleitet werden. Für die Kommunen gilt als Orientierung, dass Waldlebensraumtypen und Lebensstätten mindestens "im bisherigen Umfang und der bisherigen Qualität" zu erhalten sind. Für eine Gemeinde bedeutet dies, dass bei der Entwicklung eines Leitbildes die Erhaltungsziele des FFH-Managementplanes auf den Gemeindewald heruntergebrochen werden müssen. Sicherlich werden auch die Fördermöglichkeiten für Eichenkulturen eine wesentliche Rolle spielen, wenn der Gemeinderat entscheidet, wie viel Eichenfläche neu begründet werden kann. In der Forsteinrichtungsplanung sind dann die naturschutzfachlichen Anforderungen gegenüber den Interessen der Holzwirtschaft, Fischerei und Erholung abzuwägen, wobei in vielen Gemeindewäldern auch die Brennholzversorgung eine sehr bedeutende Rolle spielt.