Die Forstwirtschaft in Deutschland trägt den Ansprüchen an den Schutz der Biodiversität vermehrt Rechnung, indem Biotop- oder Habitatbäume und liegendes Totholz im Wald belassen werden. Kahlschläge werden vermieden, indem gleitende Übergänge zwischen den Waldgenerationen ermöglicht werden. Dabei entstehen vertikal gestufte Waldstrukturen, die keine weite Durchsicht zulassen. Die Befahrung der Waldfläche soll geringgehalten werden, weshalb Rückegassen oft in solchen Abständen angelegt werden, dass ein Teil der Bäume außerhalb der Kranreichweite von Forstmaschinen steht.

Diese Waldstrukturen erschweren die Bewirtschaftung. Das Kuratorium für Waldarbeit und Forsttechnik e.V., die Unique land use GmbH und die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft haben in dem Projekt »BestHarvest« untersucht, wie die Holzernteverfahren an diese Herausforderungen angepasst werden können. Es fokussierte auf folgende Aspekte:

  • Rückegassenabstände größer als die Kranzone
  • Sichtbehinderung durch Verjüngung oder andere hinderliche Vegetation
  • Gefahren durch herabfallende Baumteile von Habitatbäumen
  • Liegendes Totholz oder das Gehen behindernde Vegetation

Untersuchungsmethode

In den Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen wurden standardisierte Interviews und Workshops mit Experten aus Forstbetrieben, Maschinenstützpunkten und Forstunternehmen durchgeführt, um Aufschluss darüber zu bekommen, wie deren Arbeitsverfahren an diese Herausforderungen angepasst werden können. Zudem wurden elf Fallstudien zu Holzerntemaßnahmen in strukturreichen Waldbeständen durchgeführt.

Dabei wurden Merkmale des Gesamtbestandes und vor allem der Entnahmebäume erhoben. Neben der Baumart und dem Durchmesser wurde im 10 m-Umkreis um die Bäume in jeweils vier Kreissegmenten das Vorkommen von Habitatbäumen, sichtbehindernder Vegetation, liegendem Totholz und Bodenbewuchs erfasst. Außerdem wurde die Distanz der Entnahmebäume zur nächsten Rückegasse gemessen und die Bäume mit Nummern markiert. Die Holzerntemaßnahmen wurden mit Actionkameras aufgezeichnet. Diese waren an der Brust der motormanuell arbeitenden Personen bzw. in den Fahrerkabinen der Forstmaschinen befestigt.

Anhand der Videos wurde der Zeitbedarf getrennt nach Arbeitsablaufabschnitten ermittelt. Mithilfe von generalisierten linearen Modellen (GLM) wurde auf Einzelbaumebene nach Zusammenhängen zwischen dem Arbeitszeitbedarf und den Strukturmerkmalen der Entnahmebäume bzw. ihres Umfeldes gesucht. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse getrennt nach den untersuchten Aspekten vorgestellt.

Rückegassenabstände

Das effizienteste und sicherste Holzernteverfahren ist zweifellos die vollmechanisierte Holzernte mit Harvestern. Sind die Rückegassenabstände so groß, dass nicht alle Bäume in der Kranzone stehen, werden kombinierte Verfahren aus motormanuellem und maschinellem Holzeinschlag eingesetzt. Die motormanuell arbeitenden Personen und die Harvester können zeitgleich arbeiten oder zeitlich entkoppelt. Die Verteilung der Arbeitsschritte auf Menschen und Maschinen kann unterschiedlich sein. In zwei Fallstudien arbeiteten ein Forstwirt und der Harvester zeitgleich auf der Fläche. Die Arbeit der Forstwirte beschränkte sich auf die Fällung. Im Vergleich zu zwei Fallstudien mit vollmechanisierter Holzernte fällt auf, dass im ersten Fall Wartezeiten des Harvesters (23 % und 13 % der Gesamtarbeitszeit) vorkamen.

Sichtbehindernde Verjüngung und andere Vegetation

Maßnahmen zum Umgang mit der Sichtbehinderung beginnen schon beim Auszeichnen der Bäume. In zwei Fallstudien in Baden-Württemberg wurden die Lagekoordinaten der Entnahmebäume beim Auszeichnen miterfasst. Die Forstwirte konnten beim Hieb den Standort der Bäume mithilfe einer App lokalisieren. Der Arbeitsschritt »Baum suchen« dauerte bei Bäumen mit viel sichtbehindernder Verjüngung sodann auch nicht länger, als wenn diese frei einsehbar waren. Es wurden im Durchschnitt in beiden Fällen 1,5 Minuten pro Baum für das Auszeichnen gemessen. Als weitere Maßnahme sollte die Farbmarkierung der Bäume in ausreichender Höhe angebracht werden. Zur Erhöhung der Arbeitssicherheit bei sichtbehindernder Verjüngung sollte über Helmfunk ein ständiger Sprechkontakt zwischen den motormanuell arbeitenden Personen möglich sein. Wird zeitgleich mit dem Harvester gearbeitet, kann die Person in der Maschine mithilfe eines elektronischen Warnsystems kontrollieren, ob Forstwirte oder Forstwirtinnen in den Gefahrenbereich der Maschine gelangen.

Bei den Fallstudien mit zeitgleicher Arbeit von Menschen und Maschinen war die Sicht auf den Stammfuß der Bäume in vielen Fällen durch Verjüngung behindert. In einem Fall wurden von den in Kranreichweite stehenden Bäumen nur 5 % vom Harvester gefällt, im anderen Fall 72 %. Wir empfehlen technische Entwicklungen wie etwa eine Kameraunterstützung oder sensorbasierte Systeme, die eine Teilautomation des Greif- und Fällungsvorgangs ermöglichen, um die Sichtbehinderung bei der maschinellen Fällung durch Vegetation zu überwinden und eine höhere Quote maschineller Fällung zu erreichen.

Bei beiden Fallstudien war der Zeitbedarf für das Freiräumen vor dem Fällschnitt um die Entnahmebäume herum signifikant größer, wenn sichtbehindernde Verjüngung im Umfeld war. Man muss zwar mit statistischen Auswertungen für Teilprozesse vorsichtig sein, weil diese nicht unabhängig voneinander sind. Wenn die Teilprozesse nur wenig Zeit benötigen, werden Unterschiede bei der Gesamtarbeitszeit aber oft nicht deutlich. Für die qualitative Beurteilung können diese Unterschiede dennoch bedeutsam sein. So nimmt die Zeit in der Rückweiche bei der motormanuellen Fällung stets nur einen geringen Anteil an der Gesamtarbeitszeit ein. Für die Arbeitssicherheit ist das Aufsuchen der Rückweiche aber äußerst wichtig. In einem Fall war der Zeitbedarf des »Zufällers« für die Rückweiche signifikant geringer, je mehr sichtbehindernde Verjüngung sich im Umfeld befand. Im anderen Fall suchte der Forstwirt die Rückweiche überhaupt nicht auf, womit er ein erhebliches Risiko einging und gegen die Unfallverhütungsvorschriften verstieß. Wenn eine Maschine darauf wartet, dass ein Baum zugefällt wird, und dichte Verjüngung den Weg in die Rückweiche erschwert, mögen Forstwirte eher geneigt sein, die Sicherheitsvorkehrungen zu vernachlässigen.

Dies wird beim Königsbronner-Nadelstarkholzverfahren (KSV) vermieden. Dort arbeiten Forstwirte und der Harvester zeitlich entkoppelt. Dieses Verfahren zielt auf eine Schonung der Vorausverjüngung. Die Forstwirte fällen jeweils zwei bis drei Bäume auf Schlaglinien schräg zur Rückegasse übereinander, sodass der Gipfel möglichst auf die Rückegasse fällt. Die Stämme werden motormanuell entastet und der Gipfel abgezopft. Der später kommende Harvester liefert das Stammholz vor und prozessiert die Gipfel. Da die Forstwirte mit der Fällung bei den am nächsten zur Rückegasse stehenden Bäumen beginnen, müssen sie alle Bäume motormanuell fällen. Damit wird der gefährlichste Prozessschritt weiterhin von den Forstwirten ausgeführt. Bei der Fallstudie zum KSV standen fast 90 % der Bäume eigentlich in der Kranreichweite des Harvesters. Die Gesamtarbeitszeit war signifikant länger, je mehr Verjüngung im Umfeld der Bäume war. Dies beruhte auf einem größeren Zeitbedarf für das Freiräumen und die Aufarbeitung.

Für einen durchschnittlichen Baum war der Zeitbedarf um 32 % größer, wenn ringsum Verjüngung vorhanden war, im Vergleich zu Bäumen ohne Verjüngung. Auch bei einem motormanuellen Holzeinschlag in einem Buchen-Eichen-Altbestand war die Gesamtarbeitszeit um 27 % länger, wenn ringsum sichtbehindernde Verjüngung vorhanden war. Weinbrenner et al. haben in Gruppengesprächen mit Forstwirtinnen und Forstwirten die Ursachen von Arbeitsunfällen bei der Waldarbeit diskutiert. Dabei zeigte sich, dass eine hinderliche Vegetation im Arbeitsalltag dieser Menschen eine große Belastung darstellt. »Das häufige Hängenbleiben und Ausrutschen in der Vegetation, oft einhergehend mit kleinen Verletzungen (z. B. Zerkratzen der Haut), all dies ist eine Arbeitserschwernis und Frustrationsquelle im Arbeitsalltag.«

Habitatbäume

Neben dem Faktor »Unfälle wegen der Unübersichtlichkeit durch Bewuchs« nennen Weinbrenner et al. das »Getroffen-Werden von herabfallendem Totholz bei der Fällung« als einen von drei typischen Unfallverläufen. Aus Sicht der Forstwirte sei dies die größte Gefahr bei der Waldarbeit.

Teils wurden in den Fallstudien signifikante Zusammenhänge zwischen dem Zeitbedarf für einzelne Arbeitsschritte und dem Vorkommen von Habitatbäumen festgestellt, auch wenn sich dies im Gesamtzeitbedarf nicht als signifikant erwies. So dauerte in einer Fallstudie das Suchen der Bäume und der Aufenthalt in der Rückweiche länger, in zwei anderen wurde mehr Zeit für das Freiräumen aufgewendet. Ein größerer Zeitbedarf bei diesen Arbeitsschritten kann ein Ausdruck größerer Vorsicht bei nahstehenden Habitatbäumen sein. Da diese Teilprozesse nur einen geringen Anteil an der Gesamtarbeitszeit haben, wurde der Effekt dort nicht sichtbar. Bei zwei Fallstudien wurden keine Zusammenhänge beobachtet, obgleich zumindest vereinzelt Habitatbäume vorkamen. In beiden Fällen handelte es sich um von Nadelbäumen dominierte Bestände. Als »Totasterhalter« stellen Nadelbäume vermutlich eine geringere Gefahr dar als die meisten Laubbaumarten.

Bei zwei Fallstudien gab es signifikante Zusammenhänge zum Gesamtzeitbedarf. Der Effekt der Habitatbäume im Umfeld der motormanuell zu fällenden Bäume hat in diesen Fällen überrascht. Eigentlich hätte das Projektteam einen größeren Zeitbedarf erwartet, wenn Habitatbäume in der Nähe stehen. Tatsächlich war der Zeitbedarf bei diesen Fallstudien kürzer, wenn solche Bäume in der Nähe standen.

Dies war auf eine kürzere Zeitdauer bei der Aufarbeitung zurückzuführen. Sollte dies tatsächlich darauf beruhen, dass Forstwirte bzw. Forstwirtinnen aus Angst vor herabfallenden Ästen einen längeren Aufenthalt unter den Habitatbäumen vermeiden und darunter womöglich die Sorgsamkeit bei der Waldarbeit leidet, wäre dies bedenklich. Dies würde bedeuten, dass sie Stress empfinden, was das Unfallrisiko erhöhen könnte und, selbst wenn kein Unfall passiert, bei längerer Dauer gesundheitlich schädlich sein kann.

Als verfahrenstechnische Maßnahme zur Vermeidung von Unfällen durch herabfallende Baumteile gilt generell folgende Hierarchie:

  1. Das sicherste Verfahren ist die maschinelle Fällung mit einem Harvester. Dabei befindet sich die ausführende Person nicht in unmittelbarer Nähe des Baumes und ist durch die Maschinenkabine vor herabfallenden Baumteilen geschützt.
  2. Wo eine motormanuelle Fällung allerdings unvermeidlich ist, sollte die Fällung bei Gefahr von herabfallenden Baumteilen möglichst seilwindenunterstützt durchgeführt werden.
  3. Ist dies ebenfalls nicht möglich, sollten die Bäume mit einem fernbedienbaren Fällkeil zu Fall gebracht werden. Dabei ist zu beachten, dass man mit ferngesteuerten Fällkeilen nur Bäume fällen darf, die theoretisch auch mit herkömmlichen Schlagkeilen gefällt werden könnten. Das heißt: keine stärkeren Rückhänger und keine Bäume, die faul sind. Neben der enormen Verringerung von Schwingungen beim Fällvorgang haben diese Fällkeile zudem ergonomische Vorteile gegenüber Schlagkeilen.

Abb. 3: Mit fernbedienbaren mechanischen Fällkeilen können Bäume erschütterungsarm aus der Distanz heraus zu Fall gebracht werden. Foto: Michael Bossenmaier, LWF

Liegendes Totholz

Ein Zusammenhang bei liegendem Totholz zum Zeitbedarf bei der motormanuellen Arbeit konnte nur bei einem der kombinierten Verfahren festgestellt werden. Dort wurden Bäume häufiger motormanuell gefällt, wenn viel liegendes Totholz im Umkreis vorhanden war. Ansonsten wurde der motormanuelle Holzeinschlag durch liegendes Totholz zumindest nicht in dem Maße behindert, dass dies im Zeitbedarf ersichtlich geworden wäre. Trotzdem sollte dieser Faktor nicht unterschätzt werden. Weinbrenner et al. (2019) nennen »Stolpern und Stürzen über herumliegendes Totholz« als den dritten der typischen Unfallverläufe.

Ein Einfluss liegenden Totholzes könnte beim Vorrücken von Holz erwartet werden. Die Seilarbeit ist schließlich auch mit langen Laufwegen verbunden. In den Fallstudien konnten die vorgerückten Stammteile nur selten bestimmten Entnahmebäumen zugeordnet werden, sodass eine statistische Auswertung dieses Effekts nicht möglich war.

Schlussfolgerungen

Die verfahrenstechnischen Maßnahmen zum Umgang mit den Herausforderungen, welche naturschutzfachlich begründete Waldstrukturen für die Holzernte darstellen, sind begrenzt. Als Ergebnis des Projektes wird deshalb eine Überprüfung der waldbaulichen Konzepte empfohlen. In den Gesprächen von Weinbrenner et al. äußerten die Forstwirtinnen und Forstwirte großes Unverständnis für die aktuellen Waldbaukonzepte. »In anderen Arbeitsfeldern würde man bei Unfallgefahren versuchen, den Arbeitsort sicherer zu machen (…) Am Arbeitsplatz Wald sei das Gegenteil der Fall.«

Insbesondere die Anforderungen an Rückegassenabstände sollten mit dem Bedürfnis der im Wald arbeitenden Menschen nach körperlicher Unversehrtheit neu abgewogen werden. Technische Möglichkeiten, um die Holzernte auch bei sichtbehindernden Verhältnissen sicherer und effizienter zu machen, müssen weiterentwickelt werden. Dort wo eine flächendeckende maschinelle Holzernte dann immer noch nicht möglich ist, sollten aus Sicht des Arbeitsschutzes die »Gefahrbäume« zumindest nicht mehr einzeln auf der Fläche verteilt, sondern in Gruppen konzentriert werden, wobei nicht jeder Baum mit einer Spechthöhle ein Gefahrbaum ist. Bei den Habitatbäumen sollte entsprechend differenziert werden. Bei den Gefahrbäumen sollte den Anforderungen des Naturschutzes an stehendes Totholz dann allerdings besser durch eine kleinflächige Trennung von bewirtschafteten Zonen ohne und nicht bewirtschafteten mit stehendem Totholz entsprochen werden.

Das Projekt »BestHarvest« wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. als Projektträger des BMEL für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe unterstützt.