Die Baumartenzusammensetzung von Wäldern wird sich aufgrund der Klimaerwärmung verändern. Buchen können zukünftig höhere Lagen erschliessen und in voralpinen Gebieten verstärkt in bestehende Tannen-Fichten-Wälder einwachsen. Viele Hochwasserschutzwälder in den Einzugsgebieten der grossen Schweizer Flüsse befinden sich in den Voralpen. Die Änderung der Artenzusammensetzung kann auch die Hochwasserschutzwirkung dieser Wälder beeinflussen.
Die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL untersuchte zusammen mit der Universität Bern und der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissen schaften HAFL, wie sich die Hochwasserschutzwirkung von Tannen-Fichten-Wäldern verändert, wenn vermehrt Buchen einwachsen.
Weshalb schützen Wälder vor Hochwasser?
Die Wasserspeicher- und die Infiltrationseigenschaften des Bodens hängen vom Hohlraumsystem sowie vom Wassergehalt vor einem Niederschlagsereignis ab. Zwei Faktoren führen hauptsächlich dazu, dass Wälder Hochwasser verhindern bzw. abmindern können. Zum einen schirmen Wälder den Boden bei Regen durch ihr Kronendach besser ab als Wiesen oder Äcker. Durch das Auffangen und direkte Verdunsten des Niederschlagswassers in den Baumkronen (Interzeption) gelangt weniger Niederschlag auf den Boden. Hinzu kommt, dass in Waldböden das Hohlraumsystem tendenziell besser ausgebildet ist als bei landwirtschaftlicher Nutzung. Waldboden kann mehr Wasser aufnehmen. Wurzeln spielen eine zentrale Rolle bei der Bildung von grösseren Poren und können die Wasserspeicherleistung massgeblich beeinflussen.
Die Wurzelsysteme von Fichten, Tannen und Buchen unterscheiden sich bei ungehindertem Wachstum stark. Die Tanne verfügt über ein Pfahlwurzelsystem, die Fichte über ein flaches Senkerwurzelsystem und die Buche über ein Herzwurzelsystem. Vernässte Böden limitieren das Wurzelwachstum gewisser Arten deutlich. Vor allem die Fichte ist anfällig auf Sauerstoffmangel im Wurzelraum und erschliesst stark wassergesättigte Bodenhorizonte kaum (Abb. 3). Wächst die Buche vermehrt in Tannen-Fichten-Hochwasserschutzwälder ein, verändert sich durch die unterschiedlichen Wurzelsysteme auch das Hohlraumsystem im Boden. Dies kann die Hochwasserschutzfunktion positiv oder negativ beeinflussen.
Beregnungsexperiment im Wald
Der Tannen-Fichten-Wald wird sich im Zuge der Klimaerwärmung in gewissen Höhenlagen zu einem Tannen-Buchen-Wald entwickeln. Der Einfluss des Baumartenwechsels auf die Hochwasserschutzwirkung lässt sich in etwa abschätzen, indem man einen aktuell fichtenreichen Mischwald mit einem tiefer gelegenen buchenreichen vergleicht und im Rahmen eines Experiments deren Wasserspeichervermögen untersucht.
Darum verglichen wir im Gantrischgebiet (Kanton Bern) einen Tannen-Fichten-Wald auf 1000 m ü. M. mit einem nahe gelegenen, etwa 100 Höhenmeter tiefer liegenden Tannen-Buchen-Wald, beide mit vernässten Böden. Die Bodeneigenschaften (Vernässungsgrad, Dichte, Körnung, Bodensäure) sind an beiden Orten vergleichbar. Als einziger Unterschied zwischen den Untersuchungsflächen verbleiben die Anteile der Fichten und Buchen, da die Tanne auf beiden Flächen vorkommt. Mit dem Vergleich der Wasserspeicherkapazitäten der zwei Waldstandortstypen schätzten wir die zukünftige Hochwasserschutzwirkung unter dem Aspekt der Baumartenverschiebung im heutigen Tannen-Fichten-Wald ab.
Die Wasserspeicherkapazitäten wurden mittels Beregnungsexperimenten bestimmt. Dabei wurden kleinflächig (1 m2) einstündige Starkniederschläge simuliert, die mit dieser Intensität und Dauer (70 mm pro Stunde) natürlicherweise nur etwa einmal in 100 Jahren auftreten. Vor den Beregnungen wurden die Böden vorgesättigt, und die Wasseraufnahme des Bodens war auf grössere Poren limitiert. Während der Beregnungsexperimente zeichneten wir in verschiedenen Bodentiefen Wassergehalte auf und entnahmen nach der Beregnung Wurzelproben (Abb. 4).
Wurzelverteilung unterschiedlich
Die Verteilungen der Wurzeln über die Bodentiefen unterscheiden sich in den beiden untersuchten Standorten stark. Im Tannen-Fichten-Wald sind die Wurzeldichten in den obersten Zentimetern des Bodens sehr hoch, nehmen dann aber rasch ab. Der Tannen-Buchen-Wald hingegen hat die maximale Wurzeldichte in 10 bis 20 cm Tiefe und weist auch in grösseren Tiefen eine deutlich höhere Wurzeldichte auf als der Tannen-Fichten-Wald (Abb. 5). Damit widerspiegeln die gemessenen Wurzeldichten das Flachwurzelsystem der Fichte und das Herzwurzelsystem der Buche. Buchen vermögen also vernässte Horizonte besser zu durchwurzeln als Fichten.
Abb. 5 - Wurzellänge pro Bodenvolumen im Tannen-Fichten- und Tannen-Buchen-Wald
Tannen-Buchen-Wald speichert mehr Wasser
Der Boden im Tannen-Buchen-Wald kann insgesamt rund 45% mehr Wasser aufnehmen als derjenige im Tannen-Fichten-Wald. Zudem unterscheidet sich der Verlauf der Speicherkapazitäten über die Bodentiefe in den zwei Waldstandortstypen grundsätzlich. Im Tannen-Fichten-Wald nimmt die Wasserspeicherkapazität mit zunehmender Bodentiefe rasch ab, während sich die Wasseraufnahme im Tannen-Buchen-Wald erst ab ca. 70 cm Tiefe deutlich reduziert (Abb. 6). Im Tannen-Fichten-Wald weist der Bodenaufbau in 80–100 cm Tiefe Eigenschaften auf, die eine grössere Wasserspeicherkapazität ermöglichen.
Die Analysen zeigen, dass das Hohlraumsystem im Boden des Tannen-Fichten-Waldes hauptsächlich durch Wurzeln gebildet wurde, die die Wasserspeicherkapazität stark beeinflussen. Eine höhere Wurzeldichte ermöglicht dem Boden, mehr Wasser zu speichern. Wenn nun die Buche künftig unter dem Aspekt des wärmeren Klimas in diese Wälder einwächst, wird sich auch die Wurzeldichte in verschiedenen Bodentiefen verändern.
Abb. 6 - Durchschnittliche Wasserspeicherkapazität pro 10 cm Bodentiefe im Tannen-Fichten- und Tannen-Buchenwald
Der Zusammenhang zwischen der Wasserspeicherung und der Wurzeldichte im Tannen-Fichten-Wald ermöglicht die Berechnung der zukünftigen Wasserspeicherung, wenn sich die Wurzeldichte durch vermehrtes Einwachsen der Buche verändert. In den obersten 10 cm wird die Wasserspeicherung aufgrund geringerer Wurzeldichten leicht abnehmen (minus 2 mm), zwischen 10 und 100 cm dagegen zunehmen. Insgesamt wird sich die Wasserspeicherkapazität um knapp 9 mm erhöhen. Unterhalb von 50 cm Bodentiefe ist die erwartete Zunahme allerdings sehr gering (Abb. 7). In dieser Tiefe sind die vernässten Böden im Tannen-Fichten-Wald bei stärkeren Niederschlägen sowieso wassergesättigt und können kaum noch Wasser aufnehmen.
Abb. 7 - Zusätzlicher Wasserspeicher im heutigen Tannen-Fichten-Wald, wenn aufgrund der Klimaänderung vermehrt Buchen einwachsen.
Nachhaltige Verbesserung des Hochwasserschutzes?
Mit zunehmendem Einwachsen der Buche in Tannen-Fichten-Wälder erhöht sich bei einem einstündigen Starkregen die Wasserspeicherkapazität der vernässten Böden um rund 15%. Zudem wird sich die Interzeption durch den Baumartenwechsel verändern. Im Winter, wenn die Buche kein Laub trägt, wird die Interzeption abnehmen und mehr Niederschlag den Boden erreichen. Pro Niederschlagsereignis werden allerdings nur zwischen 0,5 und 5 mm direkt vom Kronendach aufgenommen, d.h., der zusätzliche Speicherraum durch die höhere Durchwurzelung der Buche ist deutlich grösser als derjenige der Kroneninterzeption.
Die Klimaänderung wird nicht nur höhere Temperaturen mit sich bringen, sondern auch stärkere und häufigere Niederschlagsereignisse. Auch wenn sich die Wasserspeicherkapazität durch vermehrtes Einwachsen der Buche leicht erhöhen wird, verbessert sich die effektive Hochwasserschutzwirkung der Wälder nicht automatisch, weil ein Grossteil der Starkniederschläge oberflächlich abfliesst. Negative Konsequenzen erhöhter Niederschlagsintensität werden aber zumindest abgeschwächt.
Hinweise für zukünftige Waldbehandlung
Auch bei veränderter Artenzusammensetzung der Hochwasserschutzwälder ist eine möglichst hohe Durchwurzelungsintensität das wichtigste Instrument zur Förderung der Hochwasserschutzwirkung. Eine hohe Wurzeldichte sowohl über die Fläche als auch über die Bodentiefe wird durch einen stufigen Bestand und eine einzelbaumweise Artenmischung erreicht (Abb. 8). Diese Vorgaben entsprechen den Anforderungen der Wegleitung "Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald-NaiS". In NaiS sind für verschiedene Wald-standortstypen minimale und ideale Zustände von Schutzwäldern bezüglich Artenmischung, Artengefüge und Verjüngung definiert. Aus diesen Anforderungen lassen sich waldbauliche Massnahmen ableiten, um bei veränderter Baumartenzusammensetzung die Hochwasserschutzwirkung des Waldes zu optimieren.
(TR)