Der Boom des Schneeschuhlaufens ist gerade einmal zehn Jahre alt, und der Trend, grossen Fusses durch die Winterlandschaft zu stapfen, ist ungebrochen. Ebenso aktuell sind Bemühungen, das bei Jung und Alt beliebte Schneeschuhlaufen in geordnete Bahnen zu lenken: Früh wurde erkannt, dass durch die neue Wintersportart oftmals bisher unberührte Gebiete betreten werden, die gleichzeitig Einstandsgebiet bedrohter Wildtiere sind (Abb. 1).
Unsere Fallstudie zur Lenkung des Schneeschuhlaufens in der Ibergeregg, Kanton Schwyz, zeigt, dass Schneeschuhläufer recht gut auf Beschilderungen und Informationen ansprechen – wenn auch mit wenigen Ausnahmen. Sowohl die skeptisch stimmenden Aspekte als auch die ermutigenden Resultate unserer Erhebung lassen Schlussfolgerungen für den Umgang mit dem Schneeschuhlaufen zu: Schneeschuhläufer lassen sich gut lenken, allerdings müssen die Massnahmen sauber geplant und gut kommuniziert werden.
"Eines Tages chlöpft es!"
Im Rahmen unseres Pilotprojekts haben wir einen Brief eines besorgten, ja gar erzürnten Freizeitlers erhalten: "Immer mehr Freiräume gehen verloren, man wird zunehmend eingeschränkt. Wenn jetzt auch in der Natur immer mehr Regeln kommen, chlöpft es eines Tages."
Diese Worte sind sicher übertrieben, zeigen aber beispielhaft, wie wichtig vielen Leuten die Bewegung in der freien Natur ist. Andererseits weisen sie darauf hin, dass es notwendig ist, der Bevölkerung aufzuzeigen wie auch in der Natur gewisse Regeln unerlässlich sind, um Freizeitaktivitäten und Umweltschutz in Einklang zu bringen. Es geht ja nicht darum, die menschlichen Aktivitäten in der Natur zu verhindern, sondern diese auf nachhaltige Art zu ermöglichen. Genau das ist das Ziel der Besucherlenkung: Freizeitaktivitäten sollen stattfinden, aber in einer Art und Weise, in der die Interessen von Bewirtschaftung, Natur, Tourismus, Jagd und Bevölkerung gewahrt bleiben.
Trails als Lösung?
Abb. 2. Schneeschuhläufer in der Testregion Ibergeregg.
Beim Schneeschuhlaufen haben wir es aus Sicht der Lenkung eigentlich mit einem Glücksfall zu tun: Die meisten Schneeschuhläufer haben Interesse an vorgegebenen, markierten Wegen, so genannten Trails, und sie geben in Befragungen an, die Natur schützen zu wollen und Schutzgebiete zu respektieren. Seit geraumer Zeit werden denn auch in allen Teilen der Schweiz Schneeschuhtrails angeboten und rege genutzt. Eine solche Kanalisierung verkleinert theoretisch die durchkreuzte Fläche und somit den Störungssektor.
Doch sind Schneeschuhläufer tatsächlich bereit, sich auf einen markierten Trail zu beschränken? Oder sehen sie ihn vielmehr nur als eine beliebige Variante unter vielen Routen? Wie und wo muss kommuniziert werden, um die Schneeschuhläufer davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, den Trail nicht zu verlassen?
Alle an einen Tisch holen
Zusammen mit dem Amt für Wald, Jagd und Fischerei des Kantons Schwyz und dem Forstingenieurbüro Burger & Liechti, Ennetbaden, gingen wir den offenen Fragen auf den Grund. Unsere beiden Partner verstanden es, für eine Pilotstudie über das Schneeschuhlaufen zum richtigen Zeitpunkt alle entscheidenden Leute an den Tisch zu holen, die zum Thema "Lenkung des Schneeschuhlaufens" etwas beizutragen (oder einzuwenden) hatten.
In der Testregion Ibergeregg fanden wir alles, was auch viele andere Forstleute im subalpinen Bereich beschäftigt: Sensible Naturräume mit bedrohten Tieren (hier das Auerhuhn) und Schneeschuhläufer, die kreuz und quer durchs Schutzgebiet laufen, dazu Tourismusanbieter, Naturschützer und Politiker mit den unterschiedlichsten Interessen.
In unserem Fall lag die Trägerschaft des Projekts beim Amt für Wald – das muss nicht überall so sein. Forstleute sind aber sicher kompetente und ortskundige Vermittler in der Planung und Umsetzung eines solchen Lenkungskonzeptes. Natürlich ist es ebenso denkbar, ja notwendig, zum Beispiel für Finanzierung und Kommunikation auch Gemeinden und Tourismusfachleute einzubinden und die Stimmen der Freizeitaktiven zu berücksichtigen, um nicht an der Zielgruppe vorbeizuplanen.
Schilder aufstellen reicht nicht
Abb. 3. Basistafel ohne ökologische Informationen (links) und Zusatztafel mit Erläuterungen.
Nach der Planung wurden im Gebiet Ibergeregg verschiedene Trails ausgesteckt, die sich in Länge und Schwierigkeitsgrad unterschieden, um möglichst alle Besucher anzusprechen. Auf einem der vier Trails probierten wir in drei Phasen verschiedene Beschilderungen aus, beobachteten das Verhalten, registrierten in regelmässigen Abständen den Spurenverlauf und befragten Schneeschuhläufer.
Unsere Ergebnisse zeigten, dass sich Schneeschuhläufer auf dem Papier sehr umweltfreundlich äusserten, dass aber bei einer einfachen Markierung nur die Hälfte von ihnen auf dem offiziellen Trail blieb. Dieser Anteil konnte stark erhöht werden, als die Basistafeln durch ökologische Informationen ergänzt wurden, die anschaulich auf die Empfindlichkeit der Winternatur hinwiesen (Abb. 3). Zusätzliche Infotafeln entlang des Trails konnten aber nicht verhindern, dass einzelne Schneeschuhläufer nach wie vor den Trail über Sommerwanderwege verliessen, und mit der Zeit sank auch der Anteil der trailtreuen Besucher wieder.
Aus diesen Beobachtungen folgern wir, dass es wichtig ist wenn Regeln durch Begründungen ergänzt und den Besuchern Rückmeldungen zu ihrem Verhalten gegeben werden: Naturfreundliches Verhalten sollte belohnt, unerwünschtes "gerügt" werden. Beispiele hierfür wären positive Zeitungsberichte, Rückmeldungen von Fachpersonen oder ein Dankesschild. Wird erwünschtes Verhalten nicht gelobt, verschwindet es früher oder später wieder; wird unerwünschtes Verhalten geduldet, nimmt es zu.
Gezielt kommunizieren
Die Kommunikation zu den Trails sollte schon ausserhalb des Waldes, also vor der Ankunft im Zielgebiet beginnen, damit Besucher die Trails in ihrer Tourenplanung berücksichtigen können. Gemäss unserer Befragung sind Schneeschuhläufer sehr offen für Informationen über die Winternatur. Mögliche Informationskanäle sind Zeitungen, Fachzeitschriften, Sportartikelverkäufer, das Internet, Flyer in Gaststätten usw. Dabei sollten die Medien sorgfältig ausgewählt werden, um nicht eine allzu grosse Menge zusätzlicher Besucher ins Gebiet zu holen.
Speziell schwierig ist die Lenkung bei eingeschliffenen Gewohnheiten: Viele Erholungsgebiete weisen eine Stammkundschaft auf, die sich zum Beispiel daran gewöhnt hat, Sommerwanderwege auch im Winter zu begehen. Sollen diese im Winter gemieden werden, ist besonders viel Überzeugungsarbeit notwendig – eventuell bieten sich an neuralgischen Punkten saisonale Sperrungen oder der Einsatz von Rangern an. Ob dabei im Extremfall das Verteilen von Bussen sinnvoll oder doch eher kontraproduktiv wäre, muss sicher noch diskutiert werden.
Insgesamt zeigt sich, dass durch das Markieren von Trails attraktive, touristische Angebote geschaffen werden können. Sollen sie aber auch einen ökologischen Nutzen haben und die Leute auf wenige Wege kanalisieren, sind eine sorgfältige Routenplanung, zusätzliche ökologische Informationen und eine gezielte Kommunikation wichtig – sowohl vor als auch nach der Ausschilderung.
Pilotprojekt für mehr Rücksichtnahme auf Wildtiere
Für viele Wildtiere ist der Winter eine harte Zeit. Sie bewegen sich in dieser Zeit wenig, versuchen sehr sparsam mit Energie umzugehen und halten sich bevorzugt an Orten auf, wo sie Schutz vor Witterung und Lawinen finden. Werden die Tiere allzu häufig von Natursportlerinnen- und sportlern aufgeschreckt und in die Flucht getrieben, kann das Überleben des harten Winters in Frage gestellt sein.
Gemeinsam mit dem Schweizer Alpen-Club SAC plant das Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine Kampagne zur Sensibilisierung der Natursportlerinnen und -sportler für ein rücksichtsvolles Natursportverhalten.