Die Moorkiefer, auch Spirke genannt, gehört wohl zu den seltensten einheimischen Baumarten. Diese endemische Kiefernart ist dem Komplex der Bergkiefer (Pinus mugo-Komplex) zuzuordnen und stellt eine Charakterbaumart von Lebensraumtypen in Moorgebieten dar. Die Spirke ist als gefährdete Art auf der roten Liste in Kategorie 3 geführt.
Die Spirke und ihre "Verwandten"
Abb. 2: Asymmetrische Spirkenzapfen.
Abb. 3: Lage der untersuchten 10 Bestände mit Kennung auf die ökologischen Grundeinheiten (rote Punkte kennzeichnen einzelne Bestände; die Pop. ID entspricht den Bezeichnungen in Tab. 1).
Abb. 4: Ergebnis einer einer Bayes’schen Clusteranalyse, bei der die Kiefern basierend auf ihren genetischen Strukturen Gruppen (= Farben) zugeordnet wurden. Es wurden dabei 12 Bestände in die Analyse einbezogen (= 12 Blöcke in dem Diagramm). Die Pop. ID entspricht den Bezeichnungen in Tab. 1, oben sind die vermuteten, vom Erscheinungsbild abgeleiteten Unterarten angegeben.
Die genaue taxonomische Einordnung der Moorkiefer und ihre Benennung sind wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Sie richten sich nach verschiedenen Habitus-Formen und gestaltet sich entsprechend schwierig. In der Literatur gibt es europaweit verschiedene Angaben dazu, ob es sich innerhalb des Pinus mugo Komplexes um Arten, Unterarten oder Standortsrassen (Wuchsformen) handelt.
Spirken kommen in Deutschland in einer niederliegenden Form unter der Bezeichnung Pinus mugo ssp. rotundata var. pseudopumilio und in einer aufrechten Form unter der Bezeichnung Pinus mugo ssp. rotundata var. arborea vor. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich aber überwiegend die kurze Bezeichnung Pinus rotundata (var. arborea oder var. pseudo-pumilio) durchgesetzt.
In aufrechter Form (var. arborea) erreicht sie in Baden-Württemberg Höhen von bis über 20 m und Brusthöhendurchmesser (BHD) von bis über 30 cm. Die Rinde ist in grau-braunen bis hin zu schwarzen Tönen sehr dunkel ausgeprägt, was die Spirke deutlich von der Gemeinen Kiefer (Pinus sylvestris) mit ihrer typischen Spiegelrinde unterscheidet. Die Kronen sind stets schlank und aufrecht ausgebildet, auch hier besteht ein deutlicher Unterschied zur Gemeinen Kiefer mit ihrer oft schirmförmigen Krone.
Spirken haben für den gesamten Pinus mugo-Komplex charakteristische, leicht asymmetrische Zapfen mit einer pyramidenartig verdickten Fruchtschuppe. Hier bestehen Verwechslungsmöglichkeiten mit der Hakenkiefer (Pinus mugo uncinata bzw. Pinus uncinata) die in den Westalpen bis zu den Pyrenäen hin vorkommt. Bei dieser ist die Fruchtschuppe jedoch zu einer deutlichen Hakenform hin weiterentwickelt.
Die dritte Unterart innerhalb des Pinus mugo-Komplexes ist die Latsche (Pinus mugo mugo) oder auch Legföhre genannt, die hauptsächlich im subalpinen Krummholzbereich vorkommt.
Allen drei Arten bzw. Unterarten des Pinus mugo-Komplexes ist ihr Vorkommen auf Sonderstandorten gemeinsam, an denen andere Bäume nicht oder nur vereinzelt vorkommen.
Verbreitung
Abb. 5: Moorkiefernvorkommen Elzhof, Ansicht Randlage.
Spirken kommen in Deutschland nur sehr eingeschränkt vor. Sie finden sich im südlichen Schwarzwald, in Oberschwaben nördlich des Bodensees, übergehend ins Allgäu und in Relikten im Bayrischen Wald. Hauptgrund für die geringe Verbreitung ist der sehr eingeschränkte Lebensraum. Die aufrechte Spirke besiedelt nahezu ausschließlich in Hochmooren nährstoffarme, staunasse und saure Standorte. Im Regelfall sind das die Moor-Randgehänge im Übergangsbereich zu angrenzenden trockneren Standorten. Sie hat dabei einen hohen Lichtbedarf. Sobald es trockener wird, steht sie in starker Konkurrenz zur Fichte und kann sich dort nicht mehr durchsetzen. In verlandenden Mooren wird sie somit häufig durch die Fichte verdrängt.
Im Nordschwarzwald kommt zudem auch die niederliegende Form Pinus rotundata var. pseudopumilio in Hochmooren vor. In den Hochmooren des Südschwarzwaldes und Oberschwabens finden sich sowohl aufrechte Spirken, wie auch eher flache und kugelige Formen, denen ein klarer Leittrieb bzw. die Tendenz zur Wipfelschäftigkeit fehlt. Im Regelfall steigt die Höhe der einzelnen Bäume in den Randgehängen in Richtung der trockneren Moorränder. Die kugeligen Formen finden sich somit hauptsächlich in Richtung zum Moorauge, also abnehmende Höhe mit zunehmender Nässe. Diese unterschiedlichen Erscheinungstypen geben auch Anlass zur Frage, ob es sich um Unterarten handeln könnte.
Ziel der Untersuchung
Die spezielle Standortanpassung der Spirke wirft die Frage auf, ob die Seltenheit der Baumart nur standörtlich bedingt ist, oder ob auch die Reproduktionsfähigkeit schwierig ist. Weil die Spirke waldbaulich und wirtschaftlich nicht genutzt wird, ist auch nur wenig zu Nachtzuchtverfahren dieser Art bekannt.
Vor dem Hintergrund und mit dem langfristigen Ziel, die Moorkiefer verstärkt auf geeigneten Flächen wieder in den Wald einzubringen (z. B. bei Moor-Renaturierungsmaßnahmen), wurden in der vorliegenden Arbeit ausgewählte süddeutsche Moorkiefernvorkommen aus zwei verschiedenen Blickwinkeln unter die Lupe genommen:
- (A) Es wurde die Vermehrung über Saatgut bei der Moorkiefer geprüft und
- (B) wurden die ausgewählten Moorkiefernvorkommen genetisch charakterisiert.
Spirken-Nachzucht an der FVA in Baden-Württemberg (A)
Abb. 6: Spirkensämlinge in der Saatschale
Durch die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) wurde im Herbst 2016 von fünf Spirkenvorkommen Saatgut geerntet: Elzhof, Weißenbach, Hinterzarten (südlicher Schwarzwald) und Bodenmöser Teilbereich 1: Gründelsmoos und Teilbereich 2: Winnismoos (Oberschwaben). Das Saatgut wurde anschließend aufbereitet und einer Saatgutprüfung unterzogen. Es zeigte sich, dass die Spirke, verglichen mit Pinus sylvestris, nur sehr schwach fruktifiziert. An vielen Bäumen war der Zapfen-Behang mit 20 bis 100 Zapfen pro Baum gering, zahlreiche weitere fruktifizierten gar nicht. Das Saatgut erwies sich jedoch nach praxisüblichen Aufbereitungs- und Reinigungsverfahren grundsätzlich als gut keimfähig, mit Keimraten zwischen 60 % und 95 %. Ähnliche Keimfähigkeits-Ergebnisse sind aus der Literatur bekannt, jedoch unter Laborbedingungen.
Hinsichtlich der Saatgutqualität zeigten sich jedoch deutliche regionale Unterschiede zwischen den beiden Beständen in Oberschwaben und den drei Beständen im Südschwarzwald. So waren die Anzahl Samen je Zapfen und das Saatgewicht der Schwarzwälder Bestände höher. Die Allgäuer Bestände wiesen dem gegenüber einen höheren Hohlkornanteil auf. Bei der Aussaat im Frühjahr 2017 zeigte dieser Unterschied deutliche Auswirkung in den Keimergebnissen: Die Spirken aus dem Bestand Elzhof keimten zu 88 %, die Spirken aus Furtwangen zu 90 %, die aus Hinterzarten deutlich reduzierter zu 75 % und dann noch reduzierter die Spirken aus den Allgäuer Beständen zu 64 % und 70 %. Ursachen für diese Unterschiede könnten in regional verschiedenen Umweltbedingungen (auch saisonal) liegen oder durch die Erbinformationen bedingt sein.
Süddeutsche Spirken-Bestände genetisch "unter die Lupe" genommen (B)
Abb. 7: Abgrenzung von zwei räumlichen Clustern (grau und grün) ermittelt mit dem R-Paket Geneland auf Basis der genetischen Strukturen. Die schwarzen Linien stellen die Ländergrenzen von Süddeutschland zu Österreich und der Schweiz dar.
Begleitet wurden die phänotypischen Untersuchungen am Saatgut ausgewählter Moorkiefernbestände von genetischen Analysen mittels sog. Kern-Mikrosatelliten. Neben den fünf beernteten Moorkiefernbeständen wurden noch drei Moorkiefernbestände aus dem Nordschwarzwald (Hohlohsee, Wildseemoor und Hornisgrinde) sowie zum Vergleich der Unterarten zwei Latschenkiefern-Vorkommen (Pinus mugo) aus dem oberbayerischen und österreichischen Raum, ein Hakenkiefern-Vorkommen (Pinus uncinata) aus den französischen Pyrenäen und eine ebenfalls als Hakenkiefer angesprochenes Vorkommen aus Oberbayern einbezogen. Aus den insgesamt 12 Kiefernvorkommen wurden insgesamt knapp 400 Individuen genetisch charakterisiert.
Tab. 1: Übersicht über genetische Variationswerte in den 12 Kiefernvorkommen und über Saatgut-Qualitätsparameter aus 4 der Vorkommen. N: Anzahl untersuchter Individuen, Ne: genetische Diversität, Ar: genetische Vielfalt | |||||||
Pop. ID | Bestände | N [St.] | Ne | Ar11 | Keim-prozent [%] | TKG [g] | Hohlkorn-anteil [%] |
1 | Elzhof (Schönwald) | 41 | 2,56 | 3,77 | 88 | 9 | 31 |
2 | Weißenbach (Furtwangen) | 40 | 2,79 | 3,98 | 90 | 7,8 | 42 |
3 | Hinterzarten | 40 | 2,84 | 3,95 | 75 | 7,8 | 47 |
4 | Hohlohsee (Kaltenbronn) | 40 | 3,37 | 4,33 | |||
5 | Wildseemoor (Kaltenbronn) | 40 | 3,94 | 4,31 | |||
6 | Hornisgrinde | 15 | 3,08 | 4,12 | |||
7 | Bodenmöser Teilbereich 1 | 43 | 3,66 | 4,52 | 70 | 6,8 | 56 |
| Teilbereich 2 | 64 | 6,4 | 65 | |||
8 | Pfrungener Ried (Pfullendorf) | 40 | 2,86 | 4,16 | |||
| für den genetischen Vergleich | ||||||
9 | Pinus mugo Oberbayern | 18 | 2,76 | 4,36 | |||
10 | Pinus uncinata Oberbayern | 20 | 4,07 | 4,94 | |||
11 | Pinus mugo Schlenken, AUT | 12 | 2,72 | 4,12 | |||
12 | Pinus uncinata Pyrenäen, FRA | 40 | 3,99 | 4,77 |
Tab. 1 zeigt eine Übersicht über die genetische Variation der analysierten Bestände. Die beobachteten Werte sind in etwa vergleichbar mit denen, die in anderen Untersuchungen an Pinus mugo beobachtet werden konnten. Auffallend ist die vergleichsweise geringe genetische Vielfalt (Ar) und Diversität (Ne) in den drei Moorkiefernbeständen des Südschwarzwaldes (Elzhof, Weißenbach, Hinterzarten). Die fünf anderen baden-württembergischen Moorkiefernbestände zeigen höhere und recht einheitliche Vielfalts- und Diversitätswerte.
Die beiden Bestände Elzhof und Weißenbach aus dem Südschwarzwald zeigen eine hohe Ähnlichkeit in den genetischen Strukturen und gruppieren statistisch signifikant zueinander (vgl. Abb. 4). Die beiden Bestände sind räumlich etwa 1 km voneinander entfernt und stammen höchstwahrscheinlich aus einem früher zusammenhängenden Moorgebiet. Die Ähnlichkeit der beiden Vorkommen zeigt sich nicht nur in den genetischen Strukturen, sondern auch in dem ähnlichen Keimverhalten (s. o.). Der auch im südlichen Schwarzwald liegenden Moorkiefernbestand Hinterzarten gruppiert allerdings mit den neun anderen Vorkommen, die zusammen eine zweite Gruppe bilden. Mittels eines geostatischen Verfahrens können auf Basis der genetischen Strukturen insgesamt zwei ähnliche geografische Bereich abgrenzt werden (Abb. 7): der südliche Schwarzwald, in dem sich die beiden Vorkommen Elzhof und Furtwangen befinden und der restliche süddeutsche Raum – unabhängig von Unterart und Morphologie.
Die genetischen Unterschiede scheinen demnach vielmehr auf geografische Regionen zurückzuführen zu sein als auf Unterschiede der Unterarten. Auch in anderen Untersuchungen wird ein stärkerer räumlicher Einfluss auf genetischen Strukturen vermutet als ein taxonomischer Einfluss. Bestätigend zu diesen Ergebnissen wird auch in anderen Studien – neben kleineren Einzelabgrenzungen – eine große Gruppe der alpinen Pinus mugo-Populationen beschrieben, die unabhängig von der Unterart und Morphologie höchstwahrscheinlich zu einem Genpool gehören aufgrund einer einheitlichen nacheiszeitlichen Rückwanderung.
Fazit für eine gezielte Vermehrung dieser seltenen Baumart
Abb. 8: Ernte an kugeliger und aufrechter Spirke, Gründelsmoos bei Isny.
Die Seltenheit der Moorkiefer in Deutschland ist weniger eine Folge des fehlenden natürlich Verjüngungspotenzials als vielmehr das Fehlen geeigneter Lebensräume (sprich Moorgebiete) bedingt. Dort wo Moorstandorte noch ein ausgewogenes Wasserregime führen, verjüngt sie sich gut natürlich und ist in ihrem Bestand nicht gefährdet.
Für Renaturierungsmaßnahmen von Mooren oder für Generhaltungzwecke kann allerdings auch das künstliche Einbringen von Moorkiefern wichtig und sinnvoll sein. Die vorliegende kombinierte Untersuchung von Saatgutqualität und genetischen Strukturen hat zum einen gezeigt, dass die generative Vermehrung (Nachzucht) über Saatgut in der Praxis gut möglich ist. Zum anderen hat sie gezeigt, dass es regionale Unterschiede gibt sowie Unterschiede in der genetischen Variation. Beide Aspekte müssen bei einer gezielten Reproduktion berücksichtigt werden. Die Regionalität lokaler Herkünfte ist dabei für die Angepasstheit eines Bestandes wichtig; eine hohe genetische Vielfalt dagegen die Basis für die Anpassungsfähigkeit, die gerade vor dem Hintergrund der Klimaänderungen von entscheidender Bedeutung ist.
Speziell für die untersuchten Moorkiefernbestände im Südschwarzwald ist von daher zu empfehlen, Saatgut der beiden Südschwarzwälder Bestände Elzhof und Weißenbach zu mischen, um die reduzierte Vielfalt auszugleichen. Von einer Beimischung aus der Region Hinterzarten wäre dagegen abzuraten, weil diese Moorkiefernbestände höchstwahrscheinlich aus einem anderen Genpool stammen.