Früher wurden Moore systematisch entwässert um neue Produktionsflächen für die Land- und Forstwirtschaft zu erschließen. Gleichzeitig gewann man den wertvollen Rohstoff Torf, vor allem als Brenn- und Streumaterial. Durch die Torfnutzung konnten in vielen Regionen die hohen Belastungen der Wälder durch Brennholz- und Streunutzungsrechte reduziert werden. Heute gehört der Torfabbau in Bayern weitestgehend der Vergangenheit an.
Moorrenaturierung: knifflig aber multifunktional
Entwässerungsmaßnahmen und anschließende Nutzung haben den natürlichen Zustand der allermeisten Moore nachhaltig verändert. Viele Moore sind heute von Entwässerungsgräben und Torfabbauflächen zerschnitten bzw. zerteilt. Ihre Torfkörper sind oft stark gesackt, zersetzt und durch erhebliche Reliefunterschiede geprägt. Das gilt für fast alle größeren Hoch- und Übergangsmoore in Bayern. Daher hat eine vollständige Wiederherstellung vielfach auch ihre Grenzen.
Die Moorrenaturierung dient einem umfassenden Zielkanon, der neben dem Naturschutz auch Hochwasser- und Klimaschutz umfasst. Intakte Moore können in niederschlagsreichen Gebieten Extremereignisse puffern oder zumindest abmildern. Werden Moorflächen hydrologisch wieder in einen naturnahen Zustand versetzt, so dass dort wieder typische Moorpflanzen wachsen können, legen sie CO2 im Torf dauerhaft fest und werden so zu Kohlenstoffsenken. Aktuell stehen bei der Moorrenaturierung Klimaschutz-Aspekte besonders im Mittelpunkt des Interesses, sie ist aber immer "multifunktional".
Der Schutz der Moore reicht in Bayern weit zurück, so dass hier in fast allen größeren Moorgebieten zumindest auf Teilflächen bereits Maßnahmen zur Wiedervernässung durchgeführt wurden. Viele dieser Maßnahmen waren durchaus erfolgreich, wenn auch nicht immer flächig zu hundert Prozent. Die Renaturierungsplanung arbeitet heute mit Hilfe digitaler Geländemodelle, aus denen Grabenquerschnitte mit ihrem Gefälle erstellt werden. Damit gelingt es besser, den Wasserstand so an die Bodenoberfläche zu heben, dass Moorwachstum wieder einsetzen kann (möglichst 5-10 cm unter Flur). Eine größere dauerhafte Wasserfläche sollte dabei nicht entstehen. Dadurch würde zum einen das hochklimawirksame Faulgas Methan freigesetzt, zum anderen die Ansiedlung torfbildender Vegetation behindert. Nur wenige moortypische Arten können größere offene Wasserflächen besiedeln. Ihr Lebensraum sind vielmehr Schlenken und Löcher, die entstehen wenn beispielsweise eine Spirke samt Wurzelteller umfällt.
Moor und Wald?
Unser Bild von Mooren ist oft das offener Hochmoorweiten, unsere Leitbilder für den Moorschutz werden häufig aus diesen weitgehend baumfreien Hochmooren abgeleitet. Nadelbaumgeprägte Waldbestände auf Moorstandorten interpretieren wir dagegen meist als Ende einer negativen Entwicklung. Es gibt aber mindestens drei Gründe, naturnahe Moorwälder stärker in die Leitbildfindung einzubeziehen:
- Bayerns Moore waren ursprünglich vielfach – zumindest in erheblichen Teilen – bewaldet oder licht mit mattwüchsigen, krüppeligen Bäumen bestockt. Viele Moore trugen bis zum Eingreifen des Menschen auf nennenswerter Fläche lichte Gehölzbestände, die innig mit den offenen Bereichen verzahnt waren.
- Wo der Moorkörper irreversibel verändert wurde und es zu Moorsackungen und Reliefunterschieden gekommen ist, kann der Wasserspiegel nicht wieder im nötigen Umfang angehoben werden. Dort bilden Gehölzbestände die heutige potenzielle natürliche Vegetation.
- Intakte und vielgestaltige Moorwälder sind als Lebensraum für auf Moore spezialisierte Tiere und Pflanzen (sogenannte tyrphobionte und tyrphophile Arten) genauso gut geeignet wie offene Moore. Viele hochspezialisierte Arten bevorzugen Komplexe aus offenen, halboffenen und eher geschlossenen Bereichen. Manche der Arten hoher Schutzverantwortung bevorzugen gerade Moorwälder in besonderem Maße. Die Spirke (Pinus rotundata) – eine für das südliche Mitteleuropa endemische Art – ist bei uns erheblich am Bestandsaufbau naturnaher Moorwälder beteiligt. Ähnlich sind die Karpatenbirkenwälder (Betula carpatica) der Rhön zu bewerten.
Naturnah und wertvoll sind auch die meist fichtendominierten Moorrandwälder des Alpen- und Voralpenraumes sowie der ostbayerischen Grenzgebirge. Sie bilden mit Moorbirke und Waldkiefer hier häufig die natürliche Waldbestockung.
Moorrandwald für das Moorklima
Moore wirken zwar durch CO2-Aufnahme auf das globale Klima, weisen aber auch ein sehr spezielles Lokalklima auf. Insbesondere in Hochmooren können fast ganzjährig Fröste (v.a. während der Nacht) auftreten. In den Sommermonaten erreichen die Temperaturen an den vegetationsfreien Stellen oft bis zu 70 °C, die erhöhten Standorte (Bulte) trocknen kurzzeitig sehr stark aus.
Besonders bedeutsam ist für das spezielle Lokalklima ist auch ein intakter Moorrandwald. Er schützt das Moor nicht nur vor Nährstoffeinträgen, sondern auch vor austrocknenden Winden (Oasen-Effekt). Den als Peitschenmoos-Fichtenwald bezeichneten Moorrandwald dominieren natürlicherweise Fichten, oft in Mischung mit Moorbirken, Waldkiefern, je nach Meereshöhe und Mineralbodenwasser-Einfluss stellenweise auch Weißtannen, Vogelbeeren, Schwarzerlen, Bruchweiden und weiteren Mischbaumarten. Dieser Moorrandwald ist ein wichtiger Lebensraum für verschiedene Arten und ein natürlicher Standort der Fichte.
Intakte Moorrandwälder zugunsten seltener Arten wie dem Hochmoorgelbling (Colias palaeno) oder dem Birkhuhn (Tetrao tetrix) zu beseitigen, ist gar nicht notwendig. Diese Arten können die Moorkerne auch durch die Wälder oder über deren Kronendach hinweg erreichen und besiedeln. Zudem beeinträchtigen solche Maßnahmen den Lebensraum für weitere in diesen Wäldern lebende, moortypische Arten erheblich.
Artenschutz in Mooren
Moore sind auf einem Großteil der Fläche von Wassersättigung geprägt. Der natürliche Wasserhaushalt soll überwiegend durch das Verschließen ehemaliger Entwässerungsgräben wiederhergestellt werden. Sobald das Wasser wieder dauerhaft oberflächennah ansteht, können moortypische Pflanzen wachsen und Kohlendioxid klimawirksam festlegen.
Doch gerade trockengelegte Moore sind häufig Rückzugsräume für Arten, die Trockenheit und Wärme in Kombination mit Nährstoffarmut benötigen. Deren Lebensräume stehen aufgrund der vielfach intensiven Landnutzung nicht mehr zur Verfügung. In der Praxis wirken Staumaßnahmen aufgrund der erwähnten Reliefunterschiede allerdings nur begrenzt auf Teilbereiche. Damit verbleiben in der Regel nach der Wiedervernässung noch genügend "Trockenstandorte" wie Resttorfrücken im Renaturierungsgebiet. Zudem profitieren stark spezialisierte, typische Moorarten, die an die besonderen Habitatbedingungen der Moore angepasst sind. Deren Schutz ist nur in Mooren – in möglichst intakten – zu leisten. Daher muss diesen Arten im Zweifelsfall Priorität eingeräumt werden. Oft können erhaltenswerte Vorkommen von Waldarten und Moorheidebewohnern unter einen Hut gebracht werden. Insgesamt sollten Arterhalt und Wiedervernässung also keine Gegensätze darstellen.
Im Zweifelsfall sind die Ansprüche der konkret in dem Moor vorkommenden Arten genau zu analysieren. Möglicherweise stellt der vorhandene Baumbewuchs naturnaher Moorwälder nicht nur kein Problem dar, sondern ist sogar bevorzugter Lebensraum der moortypischen Arten dieses Gebietes.