Die Hängebirke (Betula pendula), nachfolgend Birke genannt, hat ein grosses Zuwachspotenzial in der Jugend, das wohl nur noch von der Aspe übertroffen wird. Dies betrifft sowohl Baumhöhe als auch Durchmesser. Damit ist die Birke in der Lage, rasch Waldleistungen zu erbringen. Denn viele Waldleistungen stehen im Zusammenhang mit dem Baumdurchmesser. Anders gesagt: Wenn übermässig viele dicke Bäume verschwinden, kann die Birke rasch für Ersatz sorgen, rascher jedenfalls als die meisten Baumarten.

Die Fähigkeit, grosse Durchmesser in kurzer Zeit zu produzieren, ist interessant für alle Waldfunktionen:

  • Holzproduktion: Es werden rasch nutzbare Dimensionen erreicht.
  • Erholung: Dicke Bäume werden geschätzt von den Waldbesuchern.
  • Biodiversität: Bäume mit starken Dimensionen sind im Allgemeinen wertvoller für die Biodiversität. Bereits ab rund 20 Jahren bildet die Birke eine strukturreiche raue Borke im Stammfussbereich aus.
  • Naturgefahren: Speziell im Steinschlagschutzwald sind nach Störungen möglichst schnell wieder bestimmte Durchmesser gefordert.

Das rasche Erreichen von Waldleistungen durch Birke und Pionierbaumarten generell zeigt schematisch Abbildung 2. Diese Grafik wurde 2018 symbolisch für die Klimawandel-Empfehlungen des Kantons Aargau gezeichnet, ohne den genauen Verlauf des Höhenwachstums zu kennen. Ein Auftrag des Bundesamtes für Umwelt BAFU zum Wuchspotenzial der Birke erlaubte es nun, die Möglichkeiten der Birke besser zu erfassen.

Analyse Höhen- und BHD-Wachstum

Dazu wurden Durchmesser (BHD) und Baumhöhe von rund 140 Birken in 21 Beständen analysiert. Die Bestände befanden sich hauptsächlich im Kanton Aargau sowie in den Kantonen Bern, Luzern und Graubünden. Die Birken stammen höchstwahrscheinlich aus Naturverjüngung; nur bei einem Bestand ist Pflanzung dokumentiert.

Bis zum Alter von 21 Jahren konnten diverse Einzelbäume und kleine Bestände mit hohem Birkenanteil gefunden werden, vor allem auf Lothar-Sturmflächen. Ältere Birken waren selten zu finden. Immerhin konnten drei kleine Bestände im Alter von 28, 30 und 37 Jahren gefunden werden. Weitere Einzelbäume bis zum Alter von 60 Jahren ergänzten die Datenbasis. Die gemessenen Daten wurden in Wachstumskurven für Baumhöhe und BHD umgesetzt.

An den besten Standorten erreichen die Birken nach 10 Jahren 13 m Höhe, nach 20 Jahren 22 m und nach 30 Jahren 28 m (Abb. 2). Das Wachstum ist zu Beginn sehr schnell und lässt danach stark nach. Das rasche Höhenwachstum der Birke ist ein Konkurrenz- vorteil gegenüber anderen Baumarten, d.h., die Birke sorgt in den ersten rund 20 Jahren gleich selbst dafür, dass sie viel Platz hat (s. Abb. 3). Die Maximalhöhe der Birke an besten Standorten wurde mit 36 m angenommen. Leider fehlten Daten von älteren Birken an Top-Standorten; aber auch Birken an mittleren Standorten erreichten rund 30 m Höhe und zeigten immer noch ein Höhenwachstum. Weil die Birke ihr Höhenwachstum früher als andere Baumarten einstellt, ist klar, dass sie mittelfristig keine Chance gegenüber Buche, Fichte oder Tanne hat. Diese können am gleichen Standort höher werden und sind auch deutlich konkurrenzstärker.

Auch bezüglich Durchmesser ist die Birke in der Jugend zuwachsstark. Die dickste Birke auf einer Lothar-Fläche war 41,3 cm dick, Durchmesser im Bereich von 30 bis 35 cm waren keine Seltenheit. Für die ersten rund 20 Jahre ist somit das hohe Wachstumspotenzial gut belegt. Dieses ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass in den meisten der betroffenen Lothar-Flächen keinerlei Eingriffe stattgefunden haben.

Die älteren Birken standen hingegen alle unter starkem Konkurrenzdruck ihrer Nachbarn (Buche, Bergahorn, Fichte, Tanne), d.h., kaum eine Birke wurde frühzeitig und genügend stark gefördert. Eine einzige Birke mit BHD 63 cm im Alter von 54 Jahren zeigt ansatzweise das Potenzial, das bei zielgerichteter Förderung möglich wäre. Dabei handelt es sich nicht einmal um einen Standort mit bester Wüchsigkeit.

Die besten Wuchsleistungen wurden an den Standorten 7a/8a (frisch, mässig sauer) gemessen. Aber auch an den etwas weniger wüchsigen Standorten 6a (trocken-sauer) und 7c/7* (frisch, sehr sauer) war das Wachstum gut. Die 49-jährigen Birken, die erst 20–25 cm dick sind, stehen in einem hochmontanen Bestand im Tujetsch (GR) auf 1550 m über Meer. Ihre Funktion ist nicht Holzproduktion, sondern Vorwald für die aufkommenden Fichten. Dank den Birken hat sich hier – ohne Eingriffe – eine gute Struktur mit natürlichen Rotten und Kammern eingestellt.

Bestandesstruktur bestimmt Zuwachs

Bestandesstruktur bestimmt Zuwachs

Nicht nur der Standort, sondern auch die Struktur der jungen Bestände (Lothar-Flächen, 21-jährig) hatte einen grossen Einfluss auf das Durchmesserwachstum der vitalsten Einzelbäume, wobei drei typische Situationen unterschieden werden können:

  • Birken in Einzelmischung, die von deutlich weniger hohen Buchen, Tannen oder Fichten umgeben waren, profitierten von ihrem Höhenvorsprung und erreichten bereits grosse Durchmesser.
  • Birkengruppen auf natürlich verjüngten Sturmflächen wiesen oft kleine Lücken auf (Wurzelstöcke, Brombeere, Adlerfarn), was für das Durchmesserwachstum ebenfalls förderlich war.
  • In sehr dichten Birkenbeständen oder in Mischung mit ebenfalls schnellwüchsigen Aspen oder Schwarzerlen waren die erreichten Durchmesser zum Teil deutlich kleiner. Hier ist jeder Baum von ungefähr gleich hohen Nachbarn umgeben. Die Konkurrenz ist deshalb grösser.

Birke gilt als mässig schneedruckgefährdet. Bei frühen Nassschneefällen im Herbst, wenn die Bäume noch Laub tragen, und falls Birken sehr dicht aufkommen, besteht eine gewisse Gefahr. Ansonsten sind Birken meist stabil und kommen mit allen Höhenlagen und auch an steilen Hängen zurecht.

Waldbauliche Empfehlungen

Wie kann das hohe Zuwachspotenzial der Birke nun konkret in Wachstum und Wertleistung umgesetzt werden? Die folgenden Empfehlungen gelten als Richtwerte für gute und mittlere Standorte des Schweizer Mittellandes und der Voralpen und unter der Zielsetzung von starkem Wertholz:

  • Umtriebszeit 60 Jahre
  • Zieldurchmesser 60 bis 70 cm BHD.
  • Wertstamm von maximal 6 m Länge.
  • Endabstand 12 m und maximal 80 Bäume/ha.
  • Bei Nachbarschaft durch konkurrenz starke Baumarten grössere Abstände.
  • Konsequente Freistellung spätestens ab Alter 15, was Oberhöhen von 15 bis 18 m.
  • Bei sehr dichten Birkenverjüngungen bereits früherer Durchforstungsbeginn.
  • Wertastung bis max. 6 m Höhe ist vorteilhaft für Wertholz-Qualität, weil die natürliche Astreinigung zwar gut ist, aber bei den zwingend sehr vitalen Z-Bäumen manchmal nicht rasch genug verläuft.
  • Regelmässige Kronenfreistellung zum frühen und starken Ausbau einer grossen Krone
  • Im Alter von rund 30 Jahren sollte die Durchforstung abgeschlossen sein, d.h., zwischen Birken im Endabstand steht kein Füllbestand mehr.
  • Die grossen Kronen müssen erhalten werden. Ein Absterben von Starkästen muss möglichst vermieden werden, weil dadurch Farbkern und Fäule entstehen.
  • Das Einwachsen von Bäumen in die Krone kann in den letzten Jahren vor der Ernte toleriert werden.

Nebst der Starkholzproduktion ist Birke auch als Massenware interessant für Energieholz. Auf lange Sicht ist der Zuwachs von Birkenbeständen gering. In den ersten Jahrzehnten wird aber viel produziert. Gemäss einer deutschen Ertragstafel wird der höchste Durchschnittszuwachs im Alter von 35 bis 40 Jahren erreicht; dies wäre somit die optimale Umtriebszeit für reine Energieholzproduktion. Der produktivste Lothar-Bestand Habsburg AG auf Standort 7a hat nach 21 Jahren bereits einen Vorrat von über 300 Tfm/ha erreicht. Die Oberhöhe beträgt 22,2 m, der Oberdurchmesser 30 cm. Dies ist beeindruckend und ökonomisch interessant; es handelt sich um eine unbehandelte Lothar-Fläche, also ohne Kosten für Verjüngung oder Jungwaldpflege.

Weitere Vorteile:

Nebst dem hohen Wuchspotential in der Jugend, welches auch für die CO2-Speicherung ist, in teressant ist, hat die Birke weitere Vorzüge, und zwar für alle Waldfunktionen:

Holzproduktion:

  • Einfache, kostenlose Naturverjüngung
  • Kaum Pflegekosten, natürlicher Höhenvorsprung gegenüber den meisten Mischbaumarten
  • Geringe Risiken dank tiefer Produktionskosten
  • Gute technologische Holzeigenschaften, hoher Energiegehalt (Brennwert 82% von Buche)
  • Positiv für die Bodenfruchtbarkeit dank sehr leicht abbaubarer Streu
  • Dient oft als natürlicher Vorbau, sehr lichtdurchlässig, davon profitieren viele wertvolle Baumarten

Erholung: Schöne Waldbilder mit der ausgeprägt weissen Rinde und der gelben Herbstfärbung

Biodiversität: Eine Vielzahl von Arten profitiert von Birke oder ist sogar exklusiv auf Birke angewiesen

Naturgefahren: Der meist lückige Vorwald von Birke verhindert ein einschichtiges Aufkommen von Fichte in Gebirgswäldern und fördert dadurch kostenlos stufige Strukturen.

Baumart mit Imageproblem?

Die Birke hat zu Unrecht ein schlechtes Image. Sie wurde früher als minderwertig angesehen und deshalb verbreitet flächig bekämpft. Mit ein Grund dafür war das "Märchen", dass Birken die Kronen ihrer Nachbarbäume "peitschen". Diese immer noch verbreitete Ansicht stammt aus einer Zeit, in der jeder Quadratmeter Waldfläche für "Wertholzproduktion" genutzt wurde und auch bereits Fichten mit BHD 10 cm als "Wertholz" galten.

Seit Lothar haben Birken im Wald zugenommen. Dies hat auch mit den Veränderungen in der Jungwaldpflege zu tun: Biologische Rationalisierung führt dazu, dass im unbehandelten Füllbestand Raum bleibt für natürliche Abläufe und generell weniger früh eingegriffen wird. Durch die Arbeit mit Z-Bäumen wird Birke vom ungeliebten Peitscher zum attraktiven Zielbaum – falls das Potenzial tatsächlich erkannt und ausgenutzt wird.

Die Birke schneidet dank sehr geringen (bzw. keinen) Investitionskosten und Risiken bei kurzer Umtriebszeit trotz mässigen finanziellen Erträgen gesamtwirtschaftlich gut ab. Berücksichtigt man alle Waldleistungen, drängt sich ein aktiver Waldbau mit Birke geradezu auf.