In der äußersten Südostecke des Saarlandes erstreckt sich im Kontakt zu Rheinland-Pfalz und Frankreich der rund 1.900 ha umfassende Forstbetrieb der Stadt Blieskastel. Dieser ist im Zuge der Kommunalreform 1974 unter Verschmelzung von 15 ehemals eigenständigen Gemeinden entstanden.
Ein gut aufgestellter Laubwaldbetrieb im Buchenoptimum
Die Blieskasteler Wälder wachsen auf meist tiefgründigen Böden des Buntsandsteins und des Muschelkalks in Höhenlagen zwischen 200 und 400 m über NN. Jahresniederschläge zwischen 800 und 950 mm und Jahresdurchschnittstemperaturen um 9 ° C bieten günstige Ausgangsbedingungen für das Waldwachstum. Tatsächlich liegt der Zuwachs nur wenig unter 10 EFm o. R. pro ha und Jahr und dies bei einem Laubbaumanteil von 70 % und einem Durchschnittsvorrat von knapp über 300 EFm o. R./ha.
Mit einem Baumartenanteil von gut 40 % in der Oberschicht ist die Buche im Stadtwald Blieskastel die bei weitem wichtigste Wirtschaftsbaumart. Die ganze waldökologische Bedeutung der Buche zeigt sich in der rund 90 % der Gesamtfläche erreichenden mehrfach überschirmten Fläche, die unter anderem den Jungwald unter Schirm enthält. Hier erreicht die Buche einen Baumartenanteil von fast 80 %. Die Voraussetzungen für eine unaufwändige Rückkehr in die Vegetationsserien der Buchenwälder sind damit für den Stadtwald Blieskastel ausgezeichnet.
Die Blieskasteler Waldschadensversicherung heißt Birke
Diese gute Bevorratung ist in Anbetracht der bewegten Vergangenheit der Blieskasteler Wälder mit schweren Kriegs-, Orkan- und Borkenkäferschäden alles andere als selbstverständlich. Die schweren betrieblichen Störungen durch Kalamitäten kamen durch die Orkane "Vivian" und "Wiebke" 1990 voll in Schwung. Fichtenforste, die nicht schon damals niedergingen, befinden sich seither in fortschreitender Auflösung durch Sturm, Trocknis und Käfer. In den vergangenen 15 Jahren hat sich der zuvor schon erheblich rückläufige Fichtenanteil nochmals um ein Drittel verringert.
Diese Entwicklungen erfordern nur dort Investitionen in künstliche Verjüngung, wo Brombeere oder Adlerfarn die Waldentwicklung zu blockieren droht. Seit 1990 wurden bei diesen Veranlassungen ausschließlich standortheimische Laubbäume gepflanzt und seit einigen Jahren nur noch punktwirksam in Klumpen mit 5 – 7 m Durchmesser. Ganz überwiegend kann unter den örtlichen Verhältnissen jedoch mit hinreichendem Aufwachsen natürlicher Verjüngung gerechnet werden.
Hierbei kommt der Birke eine Schlüsselrolle zu, die so bedeutend ist, dass allein im heute 12 - 25-jährigen Jungwald über 500 Birken als Auslesebäume ausgewählt, markiert, wertgeästet und kronenfrei gestellt sind. Die natürliche Vegetationsserie im Stadtwald Blieskastel spannt sich mit einer breiten Baumartenpalette ganz überwiegend zwischen der Birke und der Buche auf, in die sich auch nicht standortheimische Nadelbäume aus Naturverjüngung integrieren.
Die Birke ist gewissermaßen die Waldschadensversicherung für eine unaufwändige und wertleistende Wirtschaft im sukzessionalen Aufstieg.
Birken-Wertholzerzeugung hat in Blieskastel eine (unterbrochene) Tradition
Abb. 2: Wertvolle Birke über Zieldurchmesser. (Foto: Hettesheimer)
Am Ende des Zweiten Weltkrieges hatte der Zustand vieler der meist im Eigentum der kleinen Bauerndörfer befindlichen Wälder im südlichen Bliesgau einen traurigen Tiefstpunkt erreicht. Die Kampfhandlungen an der deutsch-französischen Grenze zu Beginn wie zu Ende dieses Krieges ließen besplitterte, zerschossene, vielfach sogar auf vielen Hektaren völlig zerstörte Laubmischwälder zurück. Was an größeren Bäumen überhaupt noch stand, taugte oft nur noch zur Deckung des Brennstoffbedarfs der örtlichen Bevölkerung.
Auf großen Flächen wurden in den Nachkriegsjahren, oft nach Entfernung des natürlichen Aufwuchses an Birken und anderen früh besiedelnden Laubbäumen, Fichten gepflanzt, die heute oft längst wieder ausgeschieden sind. Auf anderen Flächen stellte sich, begünstigt durch reiche Buchenmasten, natürlicher Laubwald ein, der vor allem in den verlichteten Bereichen hohe Birkenanteile aufwies. Noch einigermaßen geschlossene, aber stark besplitterte, buchengeprägte Mischwälder standen zur vorzeitigen Verjüngung an.
In dieser schwierigen Zeit verließ ein gebürtiger Blieskasteler die bayerische Staatsforstverwaltung, in der ihm eine Spitzenstellung in Aussicht stand, um 1952 im Alter von 47 Jahren in seiner Heimatstadt die Leitung des Forstamtes zu übernehmen und bis zu seinem Ruhestand 1972 als praktizierender Waldbauer unter vollem persönlichem Einsatz wahrzunehmen: Adolf Schwalb.
In einer Zeit, in der im Wald höchste Massenleistung ganz im Vordergrund stand, die Fichte großflächig rein auf nahezu allen Standorten angebaut wurde und Pappelvereine und –institute in Blüte standen, setzte Schwalb seinen waldbaulichen Schwerpunkt auf die Erzeugung von Wertholz. Aber nicht genug damit, bezog er in seine Wertholzwirtschaft alle ihm standörtlich geeignet erscheinenden Baumarten ein.
Nach eigenem Bekunden fühlte sich Schwalb dem Schädelin´schen Pflegegedanken verpflichtet. Unverständnis und Spott bis hin zur offenen Feindseligkeit brachte ihm aber ein, dass er ganz ausdrücklich auch die Birke zu einem wesentlichen Element seiner Wertholzwirtschaft erkor. In einem Beitrag in der AFZ 19/1962 und schließlich in einem AFZ-Bildbericht vom Oktober 1973 sind seine Sicht und sein praktisches Wirken dokumentiert.
Kaum 15-jährige Birken ließ er kräftig fördern. Man kann sich gut vorstellen, wie seine Zeitgenossen darüber urteilten, wenn dabei Bäume massenzuwachsstarker Arten entnommen wurden. Nicht genug damit, betrieb Schwalb auch die Wertästung dieser Birken. Als man ihm dafür die Mittel entzog, führte er die Ästungen seiner künftigen Wertbirken unter Zuhilfenahme einer Leiter höchstpersönlich aus.
Vor allem aber leistete Schwalb kurz vor seiner Ruhestandsversetzung in einem entlegenen Winkel des damaligen Altheimer Gemeindewaldes auf etwa 0,25 ha ganze Arbeit. Bis auf die geästeten Birken und einzelne ebenfalls geästete Lärchen ließ er alles andere komplett räumen. Andererseits ließ er in der weisen Voraussicht des langfristig denkenden Forstmannes eine gut zugängliche Teilfläche in ebener Lage und in der Nähe einer Ortsverbindungsstraße völlig unbehandelt.
Er wusste warum. Seine Arbeit wurde nicht fortgeführt. Wenn seine stolzen Birken-Auslesebäume dem Leitasttod durch die von unten aufrückenden Buchen überlassen wurden, war dies noch der günstigste Fall.
Blieskasteler Birken aus der Ära Schwalb: das besondere Erbe eines Nonkonformisten
Wenn auch noch viel mehr möglich gewesen wäre, so reichten doch Schwalb 20 Jahre konsequenter, zielgerichteter waldbaulicher Beeinflussung junger Birken in ihrer Phase größter Expansionsfähigkeit aus, ein Beispiel zu hinterlassen, das mindestens im südwestdeutschen und nordostfranzösischen Raum seinesgleichen sucht.
Im Stadtwald Blieskastel stehen heute rund 1.000 auffällig großkronige, meist 50 - 70-jährige Birken mit einem Brusthöhendurchmesser von mehr als 38 cm und zum Teil bis über 60 cm. Die stärksten und höchsten Exemplare erreichen über 30 m Baumhöhe und ein Volumen von mehr als 3 EFm o. R. In Anbetracht des durch das viele Jahre zurückreichende Absterben starker Äste bestehenden Farbkern- und Fäulerisikos stehen diese Bäume in den kommenden 15 Jahren zur Ernte an.
In vorsichtiger Annäherung kann man bis zum Jahre 2025 unter Annahme eines mittleren BHD von 47 cm und einer mittleren Höhe von 29 m zum jeweiligen Erntezeitpunkt eine Ernte von rund 2.000 EFm o. R. an Birken der Stärkeklassen von L 3 b und darüber erwarten. Es erscheint aus heutiger Sicht realistisch, von einer Reinerlöserwartung in Höhe von mindestens 100.000 € auszugehen, wenn nur 100 m³ in Messerfurnierqualität im Durchschnitt über 200 €/m³, 1.200 m³ Sägeholz über 65 €/m³ und 200 m³ Brennholz 10 €/m³ erzielen ... ein Bruchteil dessen, was bei Fortführung der Arbeit des alter Meisters möglich gewesen wäre, aber ein Vielfaches dessen, was Birken in der üblichen Brennholz- bis Palettenqualität sonst wo erbringen.
Eine etwaige Aufrechnung mit einem entgangenen Reinerlös anderer Baumarten anstelle der von Schwalb geförderten Birken kommt nicht in Betracht. Schwalb hat seine Wertbirken meist so eingestreut, dass sie rein akzessorisch als Zeitmischung aufgefasst werden können.
Herzlichen Dank, alter Meister ... wir haben verstanden!
Flächenweisen Generationenwechsel im Blieskasteler Stadtwald können wir heute fast ausnahmslos auf Störungen zurückführen, die vom Menschen ausgelöst wurden. Oft und glücklicherweise bereitet dann die Birke den Weg voran zu reiferen Waldstadien. Dabei bietet sie selbst ausgezeichnete Möglichkeiten zu einer übergangsweisen oder akzessorischen Mehrwerterzeugung.
Einige andere mögen dies bereits vor Schwalb erkannt und in Veröffentlichungen zu Papier gebracht haben. Schwalb hat es in die Wirklichkeit umgesetzt und zwar in schwerer Zeit, gegen den Zeitgeist und unter Einsatz seiner ganzen – auch körperlichen – Kraft, vor allem aber ohne Schonung seines guten Namens. Diesen hatte er sich spätestens dann erworben, als der "Saargebietler" aus der äußersten Westecke der vormaligen bayerischen Rheinpfalz in München 1928 seinen Universitätsabschluss mit einem Prädikatsexamen und 1931 sein Staatsexamen als zweitbester von 34 Kandidaten seines Jahrgangs abgelegt hatte.
Die Birke bietet uns auf den Kalamitätsblößen eine ausgezeichnete Opportunität. Wir nutzen diese heute im Vergleich zu Schwalb in noch weniger Bäumen, die wir in noch größeren Abständen noch stärker fördern und freuen uns – ganz wie er – über die Bäume des Folgewaldes, allen voran über die Buchen, die sich unter der Birke einstellen und "feinmachen" oder die wir unter ihrem lichten Schirm ohne großen Aufwand im Wege der Wildlingspflanzung klumpenweise "anreichern" können.
Schwalb betitelte seine Veröffentlichung in der AFZ 19/1962 mit "Kommt und prüft!". Wir sind da. Auch wenn wir seine ertragskundlichen Einschätzungen nicht in allen Punkten teilen können, steht das Ergebnis seiner Arbeit offen und eindrucksvoll vor unseren Augen. Wir haben verstanden.