Am Beispiel des biotischen Risikos einer Massenvermehrung der Nonne (Lymantria monacha L.) stellt dieser Beitrag einen methodischen Ansatz vor, um das Gefährdungspotential eines Forstschädlings auf Landschaftsebene darzustellen. Weiterhin wird beispielhaft aufgezeigt, wie waldbauliche Maßnahmen das zu erwartende Risiko beeinflussen.
Im Zuge der Modellentwicklung und einer erkundenden Analyse der einzelnen Einflussfaktoren konnten fünf bedeutsame Faktoren (Kovariablen) herausgestellt werden. Diese charakterisieren hierbei die Bestandesstruktur der in einer Abteilung vorkommenden Kiefernbestände (Durchmesser), die Diversität (nach Shannon) der Waldbestände innerhalb eines 1.000 ha großen Gebietes, die mittlere Bestandeshöhe dieses Suchraumes (Bestandeshöhe), die Witterung des Vorjahres (Temperatur) und die Wasserversorgung des Standorts (Bodenwasser).
Mit Hilfe einer optimierten Schwellenwertermittlung der modellierten Eintrittswahrscheinlichkeiten konnten im Mittel 80% der in den vergangen Jahren von der Nonne befallenen Forstabteilung korrekt klassifiziert werden.
Abb. 1b: Struktur und Mischung: Welchen Einfluss hat der Waldbau auf das Risiko von Insektenfraß? (Foto: J. Engel)
Risikomodellierung
Als Modellierungsansatz wurde ein generalisiertes additives Modell (GAM) in Form einer logistischen Regression ("Logit-Modell" aus der Familie der Binominal- Verteilungen) verwendet. Die resultierende Eintrittswahrscheinlichkeit eines Nonnenbefalls wurde im Rahmen eines Kreuzvalidierungsprozesses für die Klassifizierung der historischen Fraßereignisse genutzt. In Abbildung 2 sind die Modelleffekte der fünf Kovariablen dargestellt, wobei ein positiver Wert auf der y-Achse einer Erhöhung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Nonnenfraßes entspricht und ein negativer Wert entsprechend umgekehrt wirkt.
Abb. 2: Modelleffekte (y-Achse) der einzelnen Kovariablen und entsprechende Wertebereiche (x-Achse) im additiven Modell. Gestrichelte Linien geben die 95%-Konfidenzbänder der Effekte an.
Anhand der Modelleffekte zeigte sich, dass jüngere Kiefernbestände im Durchmesserbereich von 10 bis 22 cm besonders gefährdet sind. Dieses zeichnete sich auch in der Wirkung der mittleren Bestandeshöhe auf 1.000 ha ab, wobei die hier zugrunde liegenden Oberhöhen auch Ausdruck einer geringen Bonität des Waldgebietes sind. Diese Umstände decken sich mit Literaturergebnissen und den empirische belegten Fraßherden der Vergangenheit.
Erneut konnte nachgewiesen werden, dass eine höhere Biodiversität risikomindernd wirkt und es konnte ein annährend linearer Abfall der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Nonnenfraßes mit zunehmender Diversität modelliert werden.
Ebenfalls bekannt ist der positive Einfluss steigender Temperaturen auf die Populationsdichte dieses wärmeliebenden Insektes, was durch die Temperatursumme des Vorjahres ausgedrückt werden konnte und somit günstige Bedingungen in der Progradationsphase abbildet. Als Standortsparameter zeigte das pflanzenverfügbare Bodenwasser einen negativ mit dem Fraßrisiko korrelierten Effekt, wobei diese Kovariable sowohl Ausdruck einer geringeren Abwehrfähigkeit unter Wassermangel leidender Kiefern ausdrückt, als auch eine räumliche Korrelation zu den bestehenden Bestandesstrukturen schlechter Standorte (Kiefernreinbestände geringer Bonität) aufweist.
Waldwachstumssimulation
Ziel dieser Untersuchung war es, drei unterschiedliche Waldbauvarianten gegenüber zu stellen und den Einfluss auf das modellierte Risiko zu quantifizieren.
Im Fokus hierbei stand insbesondere die Abschätzung einer risikomindernden Wirkung einer starken Förderung des Waldumbaus bzw. der Einbringung von Laubholzarten und des Aufbrechens großräumig einheitlicher Bestandesstrukturen.
Für die Simulation der drei unterschiedlichen Behandlungspfade der Waldbewirtschaftung wurde sich des "WaldPlaners" der NW-FVA bedient.
Die entsprechende Parametrisierung des Eingriffsmodells entspricht einem völligen Nutzungsverzicht (Verzicht), einer herkömmlichen Bewirtschaftungsform entsprechend der Waldbaurichtlinien des Landes Brandenburg (Nutzen) und eines Waldumbaus (Umbau).
Abb. 3: Entwicklung des Shannon Indizes entsprechend der drei Waldbauszenarien nach 10 und 20 Jahren Simulationszeitraum.
Entsprechend der drei Behandlungspfade konnte die Entwicklung der Bestandesstrukturen innerhalb einer Modellregion im Südosten Brandenburgs für die nächsten 20 Jahre prognostiziert werden. Abbildung 4 zeigt exemplarisch die Entwicklung der Kovariable Shannon. Wie zu erwarten zeigte das Szenario eines Waldumbaus eine deutliche Erhöhung der Diversität.
Abb. 4: Entwicklung des "Nonnen-Risiko" entsprechend der drei Waldbauszenarien nach 10 und 20 Jahren Simulationszeitraum.
Szenarienanalyse
Anhand der Waldwachstumssimulationen konnten drei potentielle Szenarien der Waldentwicklung dargestellt werden. Als Klimaszenario wurde das Jahr 2003 unterstellt. In diesem Jahr kam es zu einer ausgeprägten Massenvermehrung der Nonne, weshalb diese Klimabedingungen als Risiko fördernd anzusehen sind. Die Kovariable Bodenwasser wurde ebenfalls über den gesamten Simulationszeitraum als konstant angenommen.
Abbildung 5 zeigt die Entwicklung des Risikos eines Nonnenbefalls für die Modellregion und der simulierten Waldentwicklungspfade. Ausgehend von einem prognostizierten Nonnenfraß für 66% der Forstabteilungen innerhalb der Modellregion in 2015, reduzierte sich die Anzahl nach zehn Jahren auf 44%, 37% bzw. 15% (obere Reihe) und nach weiteren zehn Jahren auf 23%, 15% bzw. 5% (untere Reihe) entsprechend der drei Waldbauszenarien Verzicht, Nutzen und Umbau.
Abb. 5: Balkendiagramm der relativen Veränderung mittlerer Bestandeskenngrößen und mittlere, erwartete Wahrscheinlichkeit eines Nonnenbefalls in der Modellregion entsprechend der drei Waldbauszenarien. Bei gleichfarbigen Balken eines Merkmals steht die linke Säule für den Zeitpunkt 2025 und die rechte Säule für den Zeitpunkt 2035. Die rote Zahl am unteren Rand der Grafik gibt den Ausgangswert der mittleren Ausprägung im Jahre 2015 an.
Das in Abbildung 5 dargestellte Balkendiagramm zeigt die relative Änderung der mittleren Ausprägungen verschiedener Merkmale in der Modellregion. Die stärksten Veränderungen sind für die Umbau Variante zu beobachten. Hierbei kann ein starker Anstieg des Shannon beobachtet werden, dessen mittlerer Wert nach 20 Jahren um gut 70% gestiegen ist. Der Durchmesser und auch die Bestandeshöhe steigen im Vergleich zu den anderen Waldbauszenarien an, wobei die relative Änderung für die Bestandeshöhe am geringsten ist.
Betrachten wir die relative Veränderung der mittleren Vorratsfestmeter pro Hektar als Merkmal einer Bestandes- bzw. Abteilungsveränderung, oder als Ausdruck einer Waldökosystemfunktion im Sinne der Holzbereitstellung, zeigte sich ein Anstieg des Vorrats in der Verzicht Variante und eine Absenkung für die beiden Bewirtschaftungsformen. Auch hier wurden die stärksten Veränderungen für die Umbau Variante mit einer Vorratsabnahme von etwa 30% deutlich.
Das Risiko der Modellregion verringerte sich innerhalb der ersten zehn Jahre in allen Szenarien um über 20% bezogen auf die mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit von 0,59 (2015). Nach zwanzig Jahren verstärkte sich diese Reduktion in der Verzicht Variante um 47 %, in der Nutzen Variante um 56 % und in der Umbau Variante um 75 %.
Zusammenfassung
In Anbetracht des Klimawandels ist von einem steigenden Gefahrenpotential durch die Nonne auszugehen. Dennoch wurde für alle drei Waldbauszenarien ein Sinken des Gefahrenpotentials simuliert, was im Wesentlichen auf das „Herauswachsen“ der Kieferbestände aus den Hochrisikobereichen zurückzuführen ist. Dennoch wurde deutlich, dass in einigen Gebieten auch mit voranschreitendem Bestandeswachstum mit zukünftigem Nonnenfraß zu rechnen ist.
Trotz intrinsischer Unsicherheiten von Risiko- und Waldwachstumsmodellierung konnte die Wirkung waldbaulichen Handelns annähernd abgebildet werden. Insbesondere das vorzeitige Aufbrechen bestehender Bestandesstrukturen und das Einbringen von Mischbaumarten in der Umbau Variante führte zu einer Erhöhung der Diversität und zur Reduktion des Risikos.
Ob sich der simulierte Waldumbau in der Praxis verwirklichen lässt und welche betriebswirtschaftlichen Folgen hiermit verbunden sind, konnte in dieser Arbeit nicht eruiert werden. Am Beispiel der Risikomodellierung konnte aber gezeigt werden, dass die Waldbewirtschaftung entscheidenden Einfluss auf das zu erwartende Risiko hat. Die Kopplung der Waldwachstumssimulationen mit den zur Verfügung stehenden Klimaszenarien ist hierbei ein unumgänglicher Schritt um verschiedenste Einzelrisiken (abiotischer und biotischer Natur) realistisch einschätzen zu können.