Während direkte Einflüsse von Luftverunreinigungen auf den Waldzustand aufgrund der erfolgreichen Maßnahmen zur Luftreinhaltung in ihrer Bedeutung abgenommen haben, tritt mit zunehmender Klimaerwärmung der Trockenstress als möglicher Schadfaktor in den Mittelpunkt des Interesses. Bereits zu Beginn der Waldzustandserhebung konnte eine Abhängigkeit der Kronenverlichtung der Kiefer von der Witterung festgestellt werden. Als signifikante Einflussgrößen erwiesen sich die Wintertemperatur des aktuellen Jahres, die Sommertemperaturen des aktuellen und Vorjahres sowie die Niederschlagssumme der Monate Juni bis August.

Im Rahmen der bundesweiten jährlichen Waldzustandserfassung wird die Kronenverlichtung in 5-Prozentstufen als unspezifischer Indikator für die Vitalität der Waldbäume geschätzt. In Brandenburg liegen für die Baumart Kiefer entsprechende Daten seit 1986 vor.
Vor diesem Hintergrund war es das Ziel der hier vorgestellten statistischen Auswertung mögliche Beziehungen zwischen den Waldzustandsdaten (prozentuale Kronenverlichtung) und dem standörtlichen Wasserhaushalt zu erschließen. Hierzu wurde ein auf brandenburgischen Dauerbeobachtungsflächen im Rahmen des forstlichen Umweltmonitoring kalibriertes Wasserhaushaltsmodell eingesetzt. Als Eingangsgrößen dienten räumlich interpolierte jährliche Witterungsdaten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) sowie bodenphysikalische Parameter zur Abschätzung der nutzbaren Wasserspeicherkapazität der Standorte.
Als integrierender Kennwert für Wassermangel wurde der Quotient aus aktueller und potenzieller Evapotranspiration (AET/PET) für jeden Erhebungspunkt und jedes Erhebungsjahr berechnet. Dieser Kennwert nimmt bei ausreichender Wasserversorgung Werte nahe 1 und bei ausgeprägtem Wassermangel Werte nahe 0 an.

Ergebnisse

Im Ergebnis vielfältiger statistischer Auswertungen zeigte sich, dass der Quotient AET/PET des aktuellen Jahres und der des Vorjahres Einfluss auf den Grad der Kronentransparenz der Kiefern hat. Vor allem wiederholt auftretende Trockenjahre wirken sich negativ auf den Kronenzustand aus.
Bei der statistischen Auswertung mittels nicht linearer multipler Regressionsanalyse wurden das Bestandesalter sowie der Befall mit biotischen Schaderregern als Kovariaten mitberücksichtigt. Des Weiteren musste der Erhebungszeitpunkt in die Modellentwicklung einfließen, da die Waldzustandserhebung zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr erfolgte. Die Berücksichtigung des Erhebungszeitpunktes geschah durch Codierung mittels einer binären Dummy-Variablen. Hierbei steht „0“ für die sommerliche Erhebung (Anfang August) und „1“ für die Erhebung im Herbst (September). Auch der Prädiktor „Pilzbefall“ wurde als sog. Dummy-Variable berücksichtigt. Hier steht der Wert „0“ für die mittlere Befallsstufe 0 (keine Pilzschäden vorhanden); der Wert „1 für eine mittlere Befallsstufe > 0 (Pilzschäden an mindestens einem der Erhebungsbäume pro Fläche vorhanden).

Der additive Einfluss aller Prädiktoren auf die Zielvariable (mittlere prozentuale Kronenverlichtung) stellt sich in dem Regressionsmodell wie folgt dar:
 

Y = 20,064+ 20,621 INSEKTEN – 21,281 INSEKTEN² + 7,149 INSEKTEN³+ 0,604 ALTER – 7,521*10-3 ALTER² + 2,868*10-5 ALTER³+ 3,484 PILZE+ 4,961 JAHRESZEIT - 18,725 AET/PETt-1 - 11,073 AET/PETt

Y:Mittlere Kronenverlichtung [%]
INSEKTEN:Mittlere Insektenbefallsstufe
ALTER:Bestandesalter [Jahre]
PILZE:Dummy-Variable: 0=kein Pilzbefall; 1=Pilzbefall (Befallsstufe > 0)
JAHRESZEIT:Dummy-Variable: 0 = Sommererhebung; 1 = Herbsterhebung
AET/PETt:Quotient aus aktueller und potenzieller Evapotranspiration im aktuellen Jahr
AET/PETt-1:Quotient aus aktueller und potenzieller Evapotranspiration im Vorjahr

Das Bestimmtheitsmaß des Regressionsmodells beträgt R²=0.38, d. h. das Modell erklärt 38% der Gesamtvariabilität der Kronenverlichtung bei Kiefer. Anhand der Regressionskoeffizienten der Dummy-Variablen kann geschlossen werden, dass die Herbsterhebung gegenüber der Sommererhebung zu durchschnittlich ca. 5 % höheren Kronenverlichtungen führt und dass das Vorhandensein pilzlicher Schädlinge im statistischen Mittel eine um ca. 3,5 % höhere Kronentransparenz erwarten lässt.

Den additiven Einfluss der Quotienten AET/PET des aktuellen Jahres und der des Vorjahres auf den Kronenzustand demonstriert die Darstellung in Abb.1. Hier wird von einem Bestandesalter von 80 Jahren ausgegangen und keinerlei Pilz- oder Insektenbefall unterstellt (Befallsstufe jeweils = 0). Die abgebildeten Modellwerte der prozentualen Kronentransparenz beziehen sich auf die Ansprache zum Zeitpunkt Anfang August. Aus der Darstellung wird deutlich, dass sich vor allem wiederholt auftretende Trockenjahre (kleine Werte des Quotienten AET/PET) negativ auf den Kronenzustand auswirken.
In einem weiteren Regressionsmodell wurde zusätzlich zu den genannten Einflussgrößen der Kronenzustand des Vorjahres als erklärende Größe für die Kronentransparenz im aktuellen Jahr mitberücksichtigt (sog. autoregressives Modell). Hierdurch erhöht sich das Bestimmtheitsmaß des Modells auf R²=0,61. Die Prädiktoren „AET/PET des Vorjahres“ sowie „Bestandesalter“ konnten in diesem Fall von der Regressionsanalyse ausgeschlossen werden, da ihr Erklärungsbeitrag bereits in der Kronenverlichtung des Vorjahres enthalten ist. Die Gegenüberstellung von tatsächlichen Schätzwerten der prozentualen Kronenverlichtung und den modellmäßig vorhergesagten Werten zeigt Abb. 2 .

Schlussfolgerungen

Aus den vorgestellten Befunden kann gefolgert werden, dass der unspezifische Kennwert „mittlere prozentuale Kronenverlichtung“ grundsätzlich auch für das flächenhafte Bio-Monitoring von Trockenstress geeignet ist. Die Kronenverlichtung ist vergleichsweise leicht zu erfassen und integriert verschiedene natürliche und anthropogene Stressfaktoren, die wiederum die ökologische Wirkung des klimabedingten Wassermangels modifizieren. Die Waldkiefer gilt zwar gemeinhin als trockenheitsresistente Baumart; gleichwohl zeigen Wasserhaushalt-Zuwachs-Beziehungen eine klare Reaktion auf Wassermangel, der durch frühzeitigen und sensiblen Spaltenschluss bei zunehmender Bodenaustrocknung interpretiert werden kann.

Die in der vorliegenden Publikation betrachtete Zeitreihe des Kronenzustands der Kiefer umfasst die Jahre 1986 bis 2006. Was sich für diesen Zeitraum bereits statistisch absichern lässt, konnte zwischenzeitlich aufgrund des eingetretenen Extremtrockenjahres 2018 und der sich unmittelbar anschließenden Trockenjahre 2019 und 2020 bestätigt und weiter verifiziert werden. So ist in Folge des Extremjahres 2018 eine drastische Verschlechterung des Kronenzustands und eine erhöhte Absterberate bei der Kiefer zu verzeichnen. Gemäß der jährlichen Waldzustandserfassung im Land Brandenburg nahm die mittlere Kronenverlichtung aller erfassten Kiefernbestände nach der Extremtrockenheit in 2018 um etwa 10 Prozentpunkte zu. Im Zeitraum 2019 bis 2022 blieb sie auf diesem hohen Niveau und sank erst 2023 wieder deutlich ab, was auf die sehr feuchten Bedingungen im Frühjahr und Sommer 2023 und das hinsichtlich der Trockenheit eher moderate Vorjahr 2022 zurückgeführt werden kann. Gleichwohl hat der Kronenzustand noch immer nicht das Niveau der Zeit vor 2018 erreicht.

Die Szenarien über zukünftige Klimaentwicklungen vor Augen, erscheint die Kronenzustandserfassung als ein adäquates Mittel für flächenrepräsentative Aussagen zur ökologischen Wirkung von Wassermangel. Die kontinuierliche Weiterführung dieser Erhebungen erscheint unabdingbar für die Analyse und Interpretation von jahresübergreifenden Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen. Zeitreihenanalytische Auswertungen der Kronenzustandsdaten sind vor diesem Hintergrund von erheblicher Bedeutung für die Quantifizierung von Klimasignalen bei Waldbäumen und damit für die Beschreibung und Prognose wirkungsbezogener Klimatrends.