Können wir unsere heimischen Baumarten halten oder sollten Fremdländer in künftige Planungen miteinbezogen werden? Eine Vergleichspflanzung von Zirbe mit der im südöstlichen Balkan vorkommenden Rumelischen Kiefer in Navis/Tirol gibt interessante Aufschlüsse über artenspezifisches Wuchs- und Resistenzverhalten, Anpassungsfähigkeit und Anbaueignung dieser beiden fünfnadeligen europäischen Kiefernarten.
- Vergleich von Kiefer und Rumelischer Kiefer
- Ergebnisse: Unterschiede zeigen sich erst im Alter
- Schnee als Hauptschadensursache
Besonders betroffen von den prognostizierten Klimaszenarien sind unsere Bergwälder und Wälder der subalpinen Waldstufe. Das Waldbild wird sich verändern, andere Baumarten werden ideale Verhältnisse vorfinden und es wird langfristig zu einer Verschiebung der Waldgesellschaften kommen.
Neben der Etablierung anderer heimischer Arten kann mancherorts der Anbau von Fremdländern eine Alternative zum heimischen Baumartenspektrum darstellen. Doch welche Baumarten/Herkünfte bieten sich an? Das Institut für Waldgenetik am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) kann bei diesen Fragen auf jahrzehntelange Forschungsarbeit zurückblicken. In einem Langzeitversuch wird eine heimische Zirbenherkunft aus der Steiermark mit zwei Rumelischen Kiefernherkünften aus Bulgarien verglichen und auf deren Anbaueignung getestet (weitere Versuche mit anderen Gastbaumarten im Schutzwald).
Thematik interessierte bereits vor 40 Jahren
Die Rumelische Kiefer gilt als eine der höchststeigenden Baumarten in ihrer Heimat. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet erstreckt sich in den südöstlichen Balkangebirgen, das ist die Region der nordalbanischen und montenegrinischen Berge sowie Teilen Mazedoniens, Bulgariens und Griechenlands; Rhodopen, Rila- und Piringebirge (Abbildung 1).
Ein Vergleichsanbau mit der in den Alpen die obere Waldgrenze bildenden Zirbe bot sich an: beides Kiefern, beides Fünfnadler, beide an das Terrain im Bereich der Kampfzone des Waldes angepasst. Nach Abschluss der Planungs- und Vorbereitungsarbeiten erfolgten im Oktober 1966 die Beerntungen. Ausgesät und angezogen wurde das Pflanzmaterial im Pflanzgarten Mariabrunn des BFW. Die Pflanzen wurden einmal verschult und kamen fünfjährig auf die Fläche (Tabelle 1).
Tabelle 1: Herkunftsverzeichnis Projektfläche Navis/Tirol | ||||
Baumart | lateinischer Name | Herkunft | Seehöhe | Pflanzjahr |
Zirbe | Pinus cembra L. | Zirbitzkogel, Seetaler Alpen, Österreich | 1.800 m | 1973 |
Rumelische Kiefer, HK Bansko | Pinus peuce Griseb. | Piringeb., Bulgarien, FV Bansko, Abt. 53 G | 1.950 m | 1973 |
Rumelische Kiefer, HK Razlog | Pinus peuce Griseb. | Piringeb., Bulgarien, FV Razlog, Abt. 100 O/100P | 1.600 m | 1973 |
Gepflanzt wurde auf einem südexponierten Hang (20-25°) westlich der Miesl Alm im vorderen Navistal auf einer Seehöhe von 2.000-2.050 m. Als Untergrund findet man eine podsolige Braunerde auf Quarzphyllit vor, der mittlere Jahresniederschlag liegt bei 1.000 mm.
Geringe Variation in der Jugend
Die ersten Höhenaufnahmen stammen aus dem Jahr 1975, gemessen wurden 1.449 Pflanzen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Pflanzen acht Jahre alt und standen zwei Jahre im Freiland. Am wüchsigsten zeigt sich die Rumelische Kiefernherkunft Razlog (19,8 cm) vor der österreichischen Zirbenherkunft Zirbitzkogel (17,8 cm) und der zweiten Rumelischen Kiefernherkunft Bansko (17,5 cm). Die Streuung ist gering, Unterschiede zwischen den Prüfgliedern sind kaum auszumachen.
Zwei Jahre später wurde die Messung wiederholt, auch diesmal waren die Wuchsunterschiede sehr gering, Rangverschiebungen zur vorangehenden Messung (Alter acht Jahre) gab es nicht. Die beste Höhenentwicklung zeigt auch bei dieser Messung die ursprünglich aus den tieferen Lagen stammende Rumelische Kiefernherkunft Razlog mit 31,5 cm vor der heimischen Zirbenherkunft mit 28,8 cm und der zweiten, ursprünglich aus den höheren Lagen stammenden Rumelischen Kiefernherkunft Bansko mit 27,5 cm. Die Jahreshöhenzuwächse der Jahre 1976 und 1977 lagen im Schnitt zwischen 4,4 bis 6,3 cm (Stern, Zwerger, 1980).
Die Unterschiede zeigen sich oft erst im Alter
Im Jahr 1997 waren die Jungbäume 30 Jahre alt, Baumhöhen und Wurzelhalsdurchmesser wurden gemessen. Dazu wurde das Kollektiv auf jeweils 100 Versuchsbäume je Herkunft reduziert. 2002 (35-jährig) wurde diese Messung wiederholt. Die letzte Aufnahme stammt aus dem Jahr 2011, die Versuchsbäume waren zu diesem Zeitpunkt 44 Jahre alt und bereits in Stangenholzdimensionen hineingewachsen (Abbildungen 2a + 2b).
Abbildung 2a: Langzeitversuch Navis/Tirol. Links: HK Bansko – Rechts: HK Razlog.
Foto: Weißenbacher
Abbildung 2b: Pinus peuce HK Bansko/Bulgarien, Alter: 44 Jahre. Foto: Weißenbacher
Für diese Messung erfolgte eine nochmalige Reduktion des Stichprobenumfanges auf jeweils 50 Stück je Herkunft. Die Wahl der Probanden erfolgte zufällig, d.h., es wurden Individuen aller Kraft'schen Baumklassen berücksichtigt, dauerhaft markiert und in die Messung mit einbezogen. Erhoben wurden der Brusthöhendurchmesser (BHD) in 1,30 m Höhe, die Baumhöhe sowie aktuelle Schäden.
1. Die Zirbe verliert an Höhenzuwachs
Waren acht- bzw. zehnjährig kaum Unterschiede im inner- bzw. zwischenartlichen Höhenwachstum zu erkennen, beginnen 30-jährig die beiden Rumelischen Kiefernherkünfte der heimischen Zirbe davonzuwachsen. Im direkten Vergleich verliert die Zirbe in diesem Alter bereits 80 Zentimeter (HK Bansko) bis zu einen Meter (HK Razlog) auf die beiden Rumelischen Kiefernherkünfte (Abbildung 3).
Die 35-jährige Messung verstärkt diesen Trend: Die Zirbe erreicht im Mittel 3,57 m, die Rumelische Kiefernherkunft Bansko 4,49 m und die ursprünglich aus den tieferen Lagen stammende Rumelische Kiefernherkunft Razlog 4,75 m. 44-jährig bestätigt sich dieser Trend, die Abstände zwischen den Arten werden aber größer. Die beiden bulgarischen Kiefern liegen ganz knapp beieinander.
Die ursprünglich aus den höheren Lagen stammende Herkunft Bansko erreicht bei dieser Messung eine mittlere Baumhöhe von 8,24 m und setzt sich damit erstmals an die Spitze. Knapp dahinter reiht sich die bis dato dominante Herkunft Razlog mit 8,19 m ein. Auffallend ist das deutliche Zurückbleiben der heimischen Zirbenherkunft aus der Steiermark. Ihre mittlere Höhe beträgt 6,46 m. Die Überlegenheit der beiden bulgarischen Herkünfte gegenüber der heimischen Zirbe ist signifikant.
Im Vergleich zur zehnjährigen Messung sind Rangverschiebungen zu beobachten. Die Zirbe rutscht ganz nach hinten, während sich die Herkunft Bansko von Platz 3 an die Spitze setzt. Inwieweit das Zurückbleiben der steirischen Zirbenherkunft ihre Ursache darin findet, dass nicht autochthones, wenig angepasstes und weit verfrachtetes Pflanzmaterial gepflanzt wurde, oder ob es allgemein an der arteigenen, typisch kegeligen, nicht in die Höhe strebenden Wuchsdynamik der Zirbe liegt, kann in dieser Arbeit nicht beantwortet werden.
2. Dickenwachstum praktisch identisch
Im Alter 30 Jahre und 35 Jahre wurde der Wurzelhalsdurchmesser (WHD) in 50 cm Höhe gemessen. Eine BHD-Messung war aufgrund der teilweise geringen Pflanzenhöhen (< 1,30 m) nicht möglich. Bei der ersten Messung liegen die beiden Rumelischen Kiefernherkünfte sehr nahe beieinander, die Zirbe reiht sich geringfügig dahinter ein (Abbildung 4). 35-jährig zeigt sich ein ähnliches Bild: Die Zirbe erreicht im Mittel 10,6 cm, die Rumelische Kiefernherkunft Bansko 11,3 cm und die Rumelische Kiefernherkunft Razlog 12,1 cm.
44-jährig wurde erstmals der Brusthöhendurchmesser (BHD) in 1,3 m Höhe erhoben. Der Versuchsflächenmittelstamm liegt bei 13,0 cm. Die aus den tieferen Lagen stammende Herkunft Razlog liegt geringfügig vorne. Mit 13,1 cm Mittendurchmesser führt sie diese Messung an, die zweite Balkankiefer (HK Bansko) kommt im Mittel auf 13,0 cm, die heimische Zirbe aus der Steiermark erreicht 12,9 cm. Die Streuung der Messwerte ist äußerst homogen. Die beiden bulgarischen Kiefern unterscheiden sich beinahe gar nicht, die heimische Zirbe streut geringfügig mehr.
Schnee verursacht die meisten Schäden
Neben Abweichungen im herkunftsspezifischen Wuchsverhalten waren zum Teil beachtliche Unterschiede in Art und Häufigkeit der Schäden zu beobachten (Abbildung 5). In Relation war der Anteil der nichtgeschädigten Bäume am höchsten. Gut ein Drittel der jungen Versuchsbäume (56 Bäume) zeigten keine Schäden. An den restlichen 94 Versuchsbäumen wurden in Summe 108 Schadbilder festgestellt.
Auffällig ist, dass die aus den tieferen Lagen stammende Rumelische Kiefernherkunft Razlog einen erheblich geringeren Anteil schadfreier Bäume aufweist als die Vergleichsherkunft Bansko. Sowohl Art als auch Häufigkeit des Schadaufkommens ist bei dieser Herkunft am höchsten.
Als größte Bedrohung für die jungen Bäume muss der Schnee angesehen werden. Zwieselbildungen, Schneebruch, Schneedruck, alles Belastungen, die eins zu eins auf enorme Schneemengen und -belastungen zurückzuführen sind bzw. daraus resultieren. 51 Versuchsbäume (34 %) haben einen Zwiesel, er ist damit die Hauptschadensursache. Zwischen den Prüfgliedern sind die Unterschiede minimal (16-19 %).
Beim Schneebruch sieht die Sache etwas anders aus. 20 Prozent der Zirben zeigen diesen Schaden, während bei den beiden Peuce-Herkünften diese Art des Schadens weit geringer ausfällt (6-12 %). Schneedruckschäden traten auf, fallen aber nicht ins Gewicht; Zirbe (6 %), Rumelische Kiefernherkunft Razlog (4 %), Rumelische Kiefernherkunft Bansko (0 %).
Ein relativ hoher Prozentsatz der untersuchten Bäume bildete Steiläste aus. 28 Bäume (19 %) weisen diese Wuchsanomalie auf. Diese Art des Schadens ist vorrangig bei der Rumelischen Kiefer zu beobachten (HK Razlog mit 28 %, HK Bansko mit 22 %). Bei der Zirbe ist er vernachlässigbar (6 %). Schälschäden wurden ausschließlich an der Rumelischen Kiefer beobachtet, wenn auch in geringem Ausmaß, die Zirbe blieb schadfrei.
Fremdländische Baumarten in Planung einbeziehen
Die heute im Hochgebirge anzutreffenden Baumarten haben sich über Tausende von Jahren an ihre unwirtliche Umwelt angepasst. Arten, denen dieses nicht gelang, verschwanden wieder von der Bildfläche. Aufgrund der langen Zeiträume im Wald gestalten sich vorzeitige Prognosen über den praktischen Wert als schwierig, lange Umtriebszeiten erfordern lange Beobachtungszeiträume.
Heimische, arten- und strukturreiche Mischwälder mit einer hohen ökologischen Amplitude und hoher genetischer Vielfalt sind womöglich am besten in der Lage, sich künftig auf die prognostizierten Klimaszenarien in unseren Breiten dauerhaft einzustellen.
Daneben sollten aber auch Fremdländer und Herkünfte heimischer Arten anderer Klimaregionen (Stichwort: Baumarten mit womöglich breiteren Klimahüllen) einen fixen Platz in unseren Überlegungen und Planungen finden. Die Ergebnisse von Vergleichsanbauten zeigen durchaus ebenbürtige, mancherorts eine überlegene Anpassungsfähigkeit der mit Bedacht ausgesuchten Fremdländer an veränderte Klima- und Wuchsbedingungen.
Als oberste Prämisse bei all diesen Überlegungen sollte jedoch gelten, langfristig einen gesunden und stabilen Gebirgswald zu erhalten, der in der Lage ist, Naturgefahren dauerhaft abzuwenden und den alpinen Siedlungsraum nachhaltig zu sichern.
Literatur
- Stern R., Zwerger P., 1980: Rumelische Kiefer (Pinus peuce Griseb.) und Zirbe (Pinus cembra L.). Mitteilungen der forstlichen Bundesversuchsanstalt 129: 27-40