Schutzwald – was ist das überhaupt?
Solange alles gut geht, nehmen wir ihn oft gar nicht wahr, den Schutzwald. Wir sehen bei einer Bergwanderung Bäume, den Wald, aber selten seine wichtige Schutzfunktion – dabei sind gerade in den Alpen viele Flächen als Schutzwald ausgewiesen.
Schutzwald ist wichtig. Warum? Im Wesentlichen aus zwei Gründen: Ein Schutzwald soll uns Menschen, unsere Infrastruktur und Nutzflächen vor Naturgefahren wie Überschwemmungen, Lawinen, Steinschlag, Muren oder Erdrutschen schützen. Und nicht weniger wichtig: Ein Schutzwald soll auch unter besonders schwierigen Verhältnissen seinen eigenen Standort oder einen benachbarten Wald schützen. Im ersten Fall geht es also mehr um unseren eigenen Schutz, im zweiten Fall um den Schutz des Waldökosystems selbst.
Dass ein Schutzwald seine Schutzfunktion erfüllt, ist nicht selbstverständlich, es braucht immer wieder auch unser Zutun. Der Klimawandel und die mit ihm einhergehenden extremen Wetterereignisse wie zum Beispiel Starkregen und Stürme fordern den Schutzwald gleich in doppelter Hinsicht: einerseits seine Schutzwirksamkeit (z. B. muss bei Starkregen mehr Wasser in kurzer Zeit zurückgehalten und gespeichert werden) und andererseits seine eigene Stabilität (der Waldbestand muss selbst z. B. den Orkan überstehen oder sich zumindest rasch wieder erholen). Das Schutzwaldmanagement hat primär die Aufgabe, die Wälder über waldbauliche Maßnahmen dauerhaft schutzwirksam und stabil zu halten (Schutzwaldpflege). Wo aber Wälder ihre Schutzwirksamkeit verloren haben, muss diese im Zuge der Schutzwaldsanierung erst wieder hergestellt werden. Allein wegen der zwischenzeitlichen Schutzlücke (protection gap) sollte es möglichst erst gar nicht so weit kommen. Wird eine Schutzwaldsanierung allerdings notwendig, ist sie meist langwierig und aufwendig, da sich die Wiederetablierung eines jungen Bestandes ohne ausreichenden Schutz durch die alten Bäume gerade auf alpinen Standorten meist schwierig gestaltet.
Auch wenn wir beim Schutzwald vor allem an den Schutz vor Naturgefahren denken: Die Maßnahmen, die den Schutzwald stärken, dienen zugleich dem Erhalt oder der Wiederherstellung wertvoller Waldökosysteme, der Kohlenstoffspeicherung, dem Bodenschutz, und letztlich auch dem Landschaftsbild und der Erholung.
Umsichtige Drohnenfernerkundung
Das Schutzwaldmanagement möchten wir in Zukunft besonders in zwei Bereichen durch Drohnenfernerkundung unterstützen: Zum einen, um Handlungsbedarf in der Schutzwaldpflege möglichst frühzeitig zu erkennen. Zum anderen, um die Erfolgskontrolle und das Monitoring in der Schutzwaldsanierung zu erleichtern und Maßnahmen noch effizienter steuern zu können. Drohnengestützte Fernerkundung ist im Vergleich zum Flugzeug kostengünstig und flexibel, sie liefert hochauflösende Daten und hat dadurch für die Erkundung und für das Monitoring insbesondere von Schutzwäldern großes Potenzial. Gerade im alpinen, teils schwer zugänglichen Gelände können die Vorzüge des UAV-Einsatzes (Unmanned Aerial Vehicle) besonders zum Tragen kommen. Richtig angewendet ist die Drohnenfernerkundung ein äußerst störungsarmes Verfahren, von dem sensible Tierarten profitieren können. Der alpine Lebensraum und seine morphologischen Besonderheiten erfordern allerdings eine besonders angepasste Planung für alle Befliegungen: Berücksichtigung aller Vorinformationen zu Flugsicherheit und Naturschutz, GIS-gestützte Vorauswahl zentraler Startplätze mit guter Sicht, an das steile und vielgestaltige Gelände und die jeweiligen Bestockungsverhältnisse angepasste Flugsteuerung, um nur einige zu nennen.
Projekt SANDRO gestartet
Um dieses Potenzial praxisbezogen und wissenschaftlich auszuschöpfen, müssen zunächst geeignete Verfahren erprobt und entwickelt werden. Das Projekt SANDRO umfasst mehrere Arbeitspakete. Ein Arbeitspaket soll die Flugplanung an die speziellen Verhältnisse des alpinen Geländes anpassen, da an erster Stelle die Flugsicherheit steht. Eine wichige Voraussetzung für gute Befliegungsergebnisse ist das sogenannte terrain following: Das bedeutet, dass die Drohne autonom einem genau vorgegebenen Flugpfad folgt und dabei einen konstanten Abstand zur Oberfläche einhält.
Da der Alpenraum ein Hotspot der Biodiversität ist, wollen wir erreichen, dass auch die Wildtiere von der störungsarmen Fernerkundung profitieren. Eine geeignete Flugplanung, z. B. die umsichtige Wahl von Flugzeitpunkt und Flughöhen, soll dies sicherstellen.
Eine zentrale Herausforderung ist es, wichtige Kenngrößen der Waldstruktur und ihrer Schutzwirksamkeit aus der Drohnenperspektive zu detektieren. Mit Drohnenluftbildern ist eine Bodenauflösung von 1–2 cm kein Problem, so dass noch die kleinste Baumpflanze erkennbar ist und sich ihre Entwicklung über die Jahre beobachten lässt. Für die Höhenmessung kommen zweierlei Verfahren zum Einsatz: Photogrammetrie (im UAV-Bereich auch structure from motion) und Laser (LIDAR – Light Detection and Ranging).
Für die Photogrammetrie werden Fotos aufgenommen, die sich während des Flugs stark überlappen. Durch die in der Flugbewegung wechselnde Kameraperspektive kann die Lage identischer Pixel bzw. Pixelmuster, welche auch die Spezialsoftware detektiert, im 3-dimensionalen Raum berechnet werden. Somit kann man anhand ganz normaler Fotos sogar die Baumhöhen ziemlich genau messen.
Das Laserverfahren dagegen ist technisch komplizierter: Während des Flugs werden Unmengen von (unschädlichen) Laserpulsen ausgesendet, die z. B. an einem Blatt reflektiert werden. Ein Sensor empfängt diese Rückstrahlung und kann über die Laufzeit und die ebenfalls bekannte Richtung des Laserpulses die Lage des Blattes (letztlich nur einen Punkt darauf) berechnen.
Probeflug mit vielversprechenden Ergebnissen
Im vergangenen Frühjahr, kurz nach der Schneeschmelze, haben wir einen ersten Probeflug im Bergwald durchgeführt. Der abgebildete Ausschnitt (Abbildung 3, oben) zeigt eine Rinne im Schutzwaldsanierungsgebiet Fahrenberg oberhalb des Walchensees. Solche Rinnen sind bevorzugte Lawinenwege, da sich der Schnee hier konzentriert. Für den Lawinenschutz sind primär die Anriss- und Zuliefergebiete entscheidend. Aus der Fotobefliegung wurde ein dreidimensionales Modell berechnet, letztendlich lauter in Echtfarben colorierte einzelne Punkte. Das Luftbild selbst ist wesentlich schärfer.
Ziel war es, an diesem Beispiel die sehr unterschiedlich großen Bäume automatisiert zu detektieren und ihre Höhe zu ermitteln. Zunächst wurden mit einem sogenannten "cloth simulation filter" die Bodenpunkte bestimmt. Die Bezeichnung kommt daher, dass gleichsam ein digitales Tuch von unten an die untersten Punkte angelegt wird. Im eingeebneten Modell wurden anschließend mit einem dynamisch an die jeweilige Punkthöhe (und damit an die zu erwartende Kronenbreite) angepassten Suchfenster lokale Maxima bestimmt. Nach Filterung der grünen Punkte über einen Vegetationsindex ergeben sich schließlich die Spitzen der Baumkronen mit Höhen von 50 cm bis knapp 19 m. Test erfolgreich: Die Detektion von sehr unterschiedlich großen Bäumen nebeneinander klappt offensichtlich gut.
Abbildung 4 zeigt eine klassische Sanierungssituation: einen stark vergrasten steilen Südhang. Da die jungen Baumpflänzchen hier durch Schneebewegungen stark gefährdet sind, dienen Dreibeinböcke aus dauerhaftem Edelkastanienholz als Schutz für die in kleinen Trupps gepflanzten Bäume. Dennoch kommt es an solchen schwierigen Standorten immer wieder zu Ausfällen und es dauert oft mehrere Jahrzehnte, bis die verbleibenden Bäume selbst eine Schutzfunktion übernehmen. Ob Nachpflanzungen erforderlich sind, lässt sich sehr gut anhand des Luftbilds beurteilen. Mit derselben Methode wie im obigen Beispiel wurden auf einer Fläche von circa 340 m² 103 grüne Nadelbaumpflänzchen detektiert. Das entspricht rund 3.000 Pflanzen pro Hektar – an sich ein akzeptabler Wert, allerdings ragen die meisten Bäumchen gerade einmal 20 cm über das noch vom Schnee niedergedrückte Gras hinaus, nur vereinzelte Exemplare haben schon die 1-Meter-Marke überschritten.
Methodisch lässt sich festhalten: Auf sehr stark aufgelichteten Waldflächen ist die Photogrammetrie besonders in Verbindung mit Multispektraldaten (für den Vegetationsindex) erwartungsgemäß eine sehr geeignete Methode.
Aufwachsen im "Waldkindergarten"
Eine ständige Waldbedeckung, ein Dauerwald, ist ein wichtiges Kriterium für die Schutzfunktion gegen alle Naturgefahren. Am günstigsten ist es, wenn sich bereits im Schutz des noch wenig durchlässigen Kronendachs der Altbäume (sozusagen im Waldkindergarten) schattenertragende Verjüngungspflanzen, insbesondere Buche und Tanne, ansamen und schon in den Startlöchern stehen, wenn eine Lücke entsteht. Hier finden dann auch die lichtbedürftigeren Arten des Bergmischwalds wie Fichte und Bergahorn ihren Platz. Zeitlich gestaffelt entsteht so ein strukturreicher, ungleichaltriger Schutzwald. Die jungen Bäume tragen bereits zur Bodenrauigkeit bei – ein wichtiger Faktor, um Gleitschnee oder das oberflächliche Abfließen des Niederschlags zu verhindern. Zudem sind sie die beste "Versicherung" für den Erhalt des Schutzwaldes, wenn es zu einer größeren Störung durch Borkenkäfer oder Sturmwurf kommt.
Ein großer Vorzug der Laser-basierten Fernerkundung (LIDAR) ist, dass sie auch einen Blick unter das Kronendach der älteren Bäume ermöglicht. Die aktiven Laserlichtpulse arbeiten gut im dunklen Schatten der Baumkronen und durch ihre große Anzahl erreichen immer ein paar die unteren Baumschichten und den Boden.
Dieser Blick unters Kronendach ist sehr wichtig, um die weitere Waldentwicklung einschätzen und mögliche Probleme frühzeitig erkennen zu können. Die allermeisten unserer Schutzwaldsanierungsflächen sind entstanden, weil keine jungen Bäume nachgekommen sind. Dabei spielt Wildverbiss oft eine entscheidende Rolle. Fallen die alten Bäume altersbedingt, durch Borkenkäfer oder Sturm aus, fehlt irgendwann der Schutzwald – und dann wird es richtig teuer.
Abbildung 5 zeigt ein Waldstück in der Laserpunktewolke. In der Detailansicht sind unter der alten Fichte bereits junge Bäumchen erkennbar. Über Clusterung konnten sie in diesem Beispiel auch im Computer abgegrenzt werden. Die Daten lieferten in diesem Fall allerdings Befliegungen per Flugzeug, diese werden jedoch (leider) bislang nicht regelmäßig bzw. nur in großen Abständen wiederholt. Von der Drohne aus sind um ein Vielfaches größere Punktedichten möglich, wodurch die automatische Erkennung der Verjüngung nochmals deutlich zuverlässiger werden sollte. Da dies aber nicht großflächig möglich ist, wollen wir die verschiedenen Datenquellen und ihre Vorteile kombinieren: Am hochauflösenden Drohnenluftbild lässt sich überprüfen, ob in größeren Lücken Verjüngung aufgekommen ist, der Flugzeuglaser schaut auf großer Fläche unter das Kronendach, der Drohnenlaser liefert für Teilbereiche, z. B. für Befliegungsstreifen, mehr und aktuelle Details.
Das Zusammenspiel bringt’s
Natürlich umfasst das Schutzwaldmanagement auch bisher schon eine Erfolgskontrolle und eine effiziente Maßnahmenplanung. Allerdings fußten diese bislang überwiegend auf rein terrestrischen Verfahren, d. h. auf Erhebungen vom Boden aus. Das möchten wir in Zukunft ergänzen und erleichtern. Flächenbegehungen können allein schon auf Basis der detaillierten Luftbilder noch gezielter geplant werden, allerdings geht manches auch weiterhin nur vom Boden aus (z. B. die Ursachenbewertung, wenn Ausfälle oder Wuchsstockungen zu beobachten sind). Mit den Drohnendaten decken wir aber vergleichsweise rasch große Flächen ab und können Messdaten wie die Baumhöhen oder den Deckungsgrad automatisiert ableiten. Letztlich sollte es auf ein Hybridverfahren hinauslaufen.
Zusammenfassung
Schutzwald bedeutet Schutz vor Naturgefahren und Schutz für Waldökosysteme gleichermaßen. Im Schutz- und Bergwald kann Drohnenfernerkundung ihre Vorzüge voll ausspielen. Eine umsichtige und professionelle Planung und Durchführung ist von zentraler Bedeutung. Erste Versuche zeigen: Mit Luftbild, Photogrammetrie und LIDAR lassen sich wichtige Kenngrößen des Schutzwaldes, seiner Entwicklung und seiner Schutzwirksamkeit rasch und flexibel erheben. Im Projekt SANDRO entwickeln wir die Drohnenfernerkundung für den Schutzwald und erarbeiten Konzepte für ein Hybridverfahren in Verbindung mit dem bestehenden terrestrischen Monitoring.
Das Projekt SANDRO wird vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten finanziert (Laufzeit: Januar 2023 bis Dezember 2025) und in Kooperation mit den Fachstellen für Schutzwaldmanagement durchgeführt.