Ende Februar 1990 wüteten die Winterstürme "Vivian" und "Wiebke" in den Wäldern Europas. Bereits im Jahr darauf wurden im Hochgebirge Dauerbeobachtungsflächen eingerichtet, um praxisrelevante Informationen über die Waldentwicklung und Verjüngungsdynamik auf Windwurfflächen im Schutzwald zu gewinnen. Die Aufnahmen fanden in den Jahren 1991, 1995, 2000 und 2010 statt.
Die Ausgangssituation
In den Wuchsbezirken "Mittlere Bayerische Kalkalpen" (15.5) und "Allgäuer Hochalpen" (15.7) wurden fünf 0,9 bis 5,0 ha große Sturmwurfflächen ausgewählt. In deren Zentren liegen insgesamt elf Beobachtungsflächen mit Flächengrößen zwischen 200 und 600 m2. Die Sturmwurfflächen unterscheiden sich hinsichtlich Höhenlage, Hangrichtung, Hangneigung und Bodentyp. Auf drei Flächen wurde das Sturmholz aufgearbeitet und geräumt, auf acht Flächen blieb das Holz liegen, um den Einfluss des Sturmholzes auf das Verjüngungsgeschehen zu erfassen. Auf drei Flächen wurden verschiedene Baumarten ausgesät. Erfasst wurden die Verjüngung (nach Baumarten getrennt), das vorhandene Totholz, das stehen gebliebene Altholz und die Bodenvegetation.
Pflanzen, die höher als 30 Zentimeter waren, wurden einzeln gemessen und beurteilt (Baumhöhe, Terminaltrieblänge, Wurzel- und Brusthöhendurchmesser, Wuchsformen und Schäden). Bei Pflanzen kleiner als 30 Zentimeter wurde die Stückzahl erhoben (inkl. Keimlinge). 2010 kam zusätzlich die Erfassung des Kleinstandortes der aufgenommen Pflanzen hinzu. Die Kleinstandorte wurden in folgende sechs Typen eingeteilt:
- in der Nähe von Wurzelstöcken
- auf Wurzelstöcken
- in der Nähe von Wurzeltellern
- auf Wurzeltellern
- in der Nähe von liegenden Stämmen
- auf liegenden Stämmen
Alle einzeln aufgenommenen Pflanzen wurden für die Wiederholungsaufnahmen mit einer Nummer markiert.
Hier werden beispielhaft die Ergebnisse von zwei Flächen im Wuchsbezirk "Mittlere Bayerische Kalkalpen" aufgegriffen. Die Untersuchungsflächen unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich Höhenlage und Hangrichtung (Tab. 1).
Verjüngungsfreudiger Nordhang
Auf der nordexponierten Beobachtungsfläche HO-2 stieg die Pflanzenzahl innerhalb des Beobachtungszeitraums um das Zwanzigfache und erreichte 2010 einen Wert von knapp 6.600 Pflanzen pro Hektar; rund 5.200 Pflanzen davon sind über 30 Zentimeter hoch. Zu Beginn der Aufnahmen setzt sich die Verjüngung aus Fichte, Tanne, Buche, Bergahorn und Vogelbeere zusammen; später kommt Weide hinzu. 1991 sind damit alle Baumarten des Altbestandes in der Verjüngung vertreten (vgl. Tab. 1). Der Bergahorn nimmt stets eine dominante Rolle ein (Abb. 1), der Anteil der Buche nimmt im Beobachtungszeitraum stark ab. Die Tanne ist sowohl 1991 als auch 2010 vorzufinden. Die Pionierbaumarten Vogelbeere und Weide sind 2010 mit insgesamt 16 Prozent vertreten. Während 1991 keine Pflanze größer als 30 Zentimeter ist, weisen die Baumhöhen der Verjüngungspflanzen 2010 eine hohe Spannweite auf (Abb. 2, oben). 15 Prozent der Pflanzen erreichen zu diesem Zeitpunkt Höhen über 300 Zentimeter.
Der Südhang – deutlich langsamer in der Entwicklung
Die Fläche HO-3 repräsentiert aufgrund ihrer Südexposition eine typische Schutzwald-Sanierungsfläche. Mit gut 3.400 finden sich hier deutlich weniger Pflanzen pro Hektar ein als auf der Beobachtungsfläche HO-2 (Abb. 1) – und das obwohl auf der HO-3 plätzeweise Fichte, Kiefer und Bergahorn gesät wurden. Der Anteil des Bergahorns ging kontinuierlich zurück und erreichte 2010 einen Wert von 22 Prozent. Tanne und Buche sind in der Verjüngung nicht mehr vertreten. Zu Vogelbeere und Weide gesellt sich die wärmeliebende Mehlbeere. Ein kleiner Anteil Kiefern (1 %) aus der Saat bleibt bis 2010 erhalten. Bis zur letzten Aufnahme sind kaum Pflanzen vorhanden, die größer als 300 Zentimeter sind (6 %; Abb. 2, unten). Der Wiederbewaldungsprozess vollzieht sich im Vergleich zur nordexponierten Fläche deutlich langsamer. Das Baumartenspektrum ist deutlich eingeschränkt.
Die Bedeutung von Kleinstandorten
Auf der Fläche HO-2 befinden sich durchschnittlich 550 Festmeter pro Hektar liegendes Totholz, ähnlich über die Teilflächen verteilt. Es herrschen relativ homogene Verhältnisse hinsichtlich der Bodenrauigkeit vor. Teilfläche 1 hat mit 58 Prozent den höchsten Anteil an Kleinstandorten und gleichzeitig die meisten Verjüngungspflanzen.
Auf der Fläche HO-3 ist mit durchschnittlich 378 Festmeter pro Hektar deutlich weniger liegendes Totholz vorhanden, die Totholzmassen schwanken zwischen den drei Teilflächen deutlich stärker. Während auf der Teilfläche 1 und 2 viele Pflanzen in der Nähe von Wurzeltellern ihren Platz einnehmen, hat die geringe Menge auf Teilfläche 3 keinen Einfluss auf das Ankommen der Verjüngung (Abb. 3).
Bilder sagen mehr als tausend Worte
Jede Teilfläche wurde zu Beginn und bei der Wiederaufnahme 2010 fotografiert. Die Bildaufnahmen entstanden von festgelegten Punkten aus mit diagonaler Blickrichtung zur gegenüberliegenden Seite. Abbildung 4 zeigt die Fläche HO-2 im Jahr 1991 und im Jahr 2010; deutlich zu erkennen sind die Fichten und Bergahorne, die sich inzwischen auf der Fläche etabliert haben. Die Fläche HO-3 (Abb. 5) ist dagegen stark vergrast und es finden sich bis zum Jahr 2010 nur wenige Pflanzen ein, überwiegend Fichten.
Fazit
Die inzwischen 20jährige Beobachtungsreihe ist eine gute Grundlage für eine Dauerflächenforschung. Auf den Flächen HO-2 und HO-3 deutet sich die künftige Folgebestockung an. Diese enthält die Baumarten des Vorbestandes und wird ganz wesentlich von der Hangrichtung geprägt. Das drückt sich in den Pflanzenzahlen, der Pflanzenentwicklung und der Baumartenzusammensetzung aus. Auf der nordexponierten Seite hat sich eine zahlenmäßig günstige und vielfältige Naturverjüngung eingefunden. Dagegen sind auf der südexponierten Fläche zusätzliche Anstrengungen nötig, um einen Bergmischwald zu etablieren.
Die Sturmwurfflächen, in denen die Versuchsflächen liegen, sind vergleichsweise klein. Eine Verallgemeinerung oder Übertragung der Ergebnisse auf große Sturmwurfflächen ist nur bedingt möglich. Nichtsdestotrotz können die Beobachtungsflächen dazu dienen, mögliche Szenarien aufzuzeigen. Eine weitere sorgfältige Beobachtung ist daher geboten. Generelle Empfehlungen zum Liegenlassen von Sturmholz im bayerischen Alpenraum können auf dieser Grundlage nicht gegeben werden. Zumal das Augenmerk der Untersuchung nicht auf der Entwicklung der Buchdruckerpopulation lag. Das Risiko für Borkenkäferschäden in den angrenzenden Beständen muss aber zwingend ausgeschaltet sein, wenn größere Totholzmengen liegen bleiben.