Das Multitalent Wald schützt uns vor Naturgefahren, liefert sauberes Wasser und produziert den nachwachsenden Rohstoff Holz. Zusätzlich kompensieren zwei Hektar Wald jährlich etwa den CO2-Ausstoss eines Schweizers oder einer Schweizerin. Und nicht zuletzt stellt er wertvollen Lebens- und Erholungsraum und bietet eine willkommene Abkühlung bei Hitzetagen.

Mit der fortschreitenden Klimakrise geraten der Wald und seine Funktionen und Leistungen mehr und mehr unter Druck. Dazu kommen die nach wie vor zu hohen Stickstoffeinträge, Schadorganismen, Wilddruck und Konkurrenz durch Neophyten.
Ein Blick ins Landesforstinventar (LFI 4) der WSL zeigt, dass in den letzten Jahren die Waldstrukturen und Baumarten im Schweizer Wald vielfältiger wurden, was erfreulich ist. Gleichzeitig hat jedoch der Anteil an nicht bewirtschafteten Wäldern weiter zugenommen, ebenso die stark oder sehr stark geschädigten Bestände. Die erwartete klimabedingte Häufung von Hitzesommern wird der Stress auf den Wald noch weiter erhöhen. 

Es ist also nicht garantiert, dass der Wald in Zukunft noch im selben Ausmass Leistungen erbringen kann wie heute. Eine aktive Pflege und Bewirtschaftung ist dementsprechend für die Sicherstellung der Waldleistungen in den meisten Fällen unentbehrlich. Die Tatsache, dass die Kosten der Waldbewirtschaftung schon seit Jahren nicht mehr durch den Holzerlös gedeckt sind, verschärft die Lage zusätzlich. Es sind somit zusätzliche Finanzierungsquellen notwendig.

Ein erster wichtiger Punkt ist die Unterscheidung zwischen denjenigen Leistungen, die ein gesunder, strukturreicher Wald "von allein" erbringt, und den Massnahmen, welche die Waldeigentümer bzw. seine Bewirtschafter durchführen, um einerseits die Resilienz und somit die "Leistungserbringungsfähigkeit" des Waldes hochzuhalten und andererseits, um gewünschte Waldleistungen gezielt zu fördern. Das kann im Rahmen der normalen, natürlichen Waldbewirtschaftung geschehen oder über gezielte Massnahmen wie z.B. die Bereitstellung von Erholungsinfrastruktur oder die damit zusammenhängende Sicherheitsholzerei.
Die Waldeigentümer nehmen also bei der langfristigen Sicherstellung der Waldleistungen eine zentrale Rolle ein.

Programmvereinbarungen Wald

Dass bei der Sicherstellung der nachhaltigen Pflege und Nutzung des Waldes Handlungsbedarf besteht, hat auch die Politik erkannt und im Rahmen der Motion Fässler zusätzliche 100 Millionen Schweizer Franken bereitgestellt. Solche Beträge der öffentlichen Hand geniessen laut der letzten Umfrage WaMos 3 in der Bevölkerung grossen Rückhalt. Ob diese Summe für die vielen Herausforderungen genügt, wird sich zeigen. Deutschland geht in eine ähnliche Richtung und hat zur Sicherstellung der Waldleistungen für die nächsten Jahre 900 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Die Beteiligung von Bund und Kantonen im Rahmen der Programmvereinbarungen Wald ist ein wichtiges Element für den Erhalt der Resilienz des Waldes und seiner Funktionen. Doch genügt das?

Nach wie vor handelt es sich bei den heutigen Beiträgen meist nur um Abgeltungen von Mehrkosten und Mindererträgen und nicht um eine wirkliche Inwertsetzung basierend auf berechneten monetären Werten des Waldes.
So wird beispielsweise der Wert der Schutzleistung in der Schweiz auf 4 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr geschätzt. Die effektiv ausbezahlten Beträge von Bund und Kantonen beliefen sich beispielsweise im Jahr 2020 auf etwas mehr als 160 Millionen Schweizer Franken. Die ausbezahlten Beträge fallen also im Vergleich zu den berechneten Werten der erbrachten Schutzleistung wesentlich tiefer aus.

Dies ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass Doppelsubventionen im Beitragssystem nicht vorgesehen sind, sprich in einem Schutzwald häufig nur die Restkosten der Schutzwaldsbewirtschaftung vergütet werden. Dies, obwohl derselbe Wald gleichzeitig wertvolle Habitate beherbergen oder Trinkwasser filtern kann.
Das mag aus finanz- und waldpolitischer Sicht sinnvoll sein (Hauptsache der Wald wird gepflegt), wird aber der Multifunktionalität des Schweizer Waldes bei Weitem nicht gerecht. Denn laut LFI erfüllt die Mehrheit der Schweizer Wälder mindestens zwei Funktionen gleichzeitig. Sollen also Multifunktionalität des Waldes und die vielfältigen Waldleistungen konsequent und gerecht in Wert gesetzt werden, müssen andere Finanzierungsquellen gefunden werden.

Markt und partnerschaftliche Verträge

Bei einigen Leistungen, wie beispielsweise bei der CO2-Speicherung, existiert bereits ein Markt. Projekte können über den Verein Wald-Klimaschutz Schweiz durch den Verkauf von Zertifikaten auf dem freiwilligen Markt finanziert werden. Weitere Produkte, wie die Klimaleistungen von Wald und Holz in Wert gesetzt werden können, sind angedacht.

Auch partnerschaftliche Verträge spielen eine wichtige Rolle. So verfolgen beispielsweise kommunale Trinkwasserversorger und Waldeigentümer ähnliche Ziele: die Resilienz und somit die Filterfähigkeit des Waldes möglichst konstant hochzuhalten. Auch wenn bei bisherigen Projekten z.B. in der Romandie ("Je filtre, tu bois") keine grossen Beträge geflossen sind, haben sie doch Vorbildcharakter. 
Eine klare Kommunikation, wann und wo und weshalb Massnahmen durchgeführt werden, fördert das gegenseitige Verständnis. Dazu kommen Absprachen zum Vorgehen und zu Kostenbeteiligungen bei Unvorhergesehenem, wie z.B. bei Sturmereignissen. 

Schlussendlich geht es auch darum, Leistungen des Waldes sichtbar zu machen. Denn was nicht sichtbar ist, hat in der öffentlichen Wahrnehmung häufig keinen Wert.

Um dem entgegenzuwirken, haben einige kantonale Waldeigentümerverbände sogenannte Leistungskataloge ausgearbeitet. In diesen sind Massnahmen der Waldeigentümer bzw. der Bewirtschafter detailliert aufgelistet. Ausserdem sind Kostenbeteiligungen ersichtlich. Auf Basis solcher Kataloge wurden in den Kantonen Basel-Landschaft und Aargau bereits diverse Verträge zu den gemeinwirtschaftlichen Leistungen zwischen Waldbewirtschaftern und Einwohnergemeinden abgeschlossen. Insbesondere für Waldeigentümer ohne Steuereinnahmen sind solche Verträge wichtig, um die Waldbewirtschaftung und die Pflege des Waldes sicherzustellen.

Ökosponsoring

Waldleistungen wie der Schutz vor Naturgefahren, Biodiversitätsförderung oder die Wasserfilterung sind gut fassbar. 

Andere wie die ästhetischen, spirituellen oder kulturellen Werte des Waldes etwas weniger, da hier immer auch ein subjektives Empfinden mitspielt. Doch auch hier lassen sich interessante Finanzierungsmodelle finden. Gute Beispiele dafür sind Sagen- oder Poesiewege oder Veranstaltungen wie Lesungen oder Theater- und Tanzaufführungen im Wald. Für die Finanzierung solcher Projekte und Anlässe lassen sich oft regionale Partner finden. 

Gerade auch der Erhalt und die Pflege traditioneller Bewirtschaftungsformen wie Selven, aber auch Mittelwaldbewirtschaftung nimmt in der Bevölkerung einen immer höheren Stellenwert ein und kann dementsprechend Sponsoren anziehen. 
Darüber hinaus sind immer mehr Firmen bereit, auch längerfristige Sponsoringengagements einzugehen, beispielsweise für die Waldpflege oder für Neupflanzungen nach Störungen. Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass dabei mehrjährige Partnerschaften anzustreben sind, um die Administrationskosten möglichst gering zu halten.

Einige Projekte dazu sind hier beispielhaft aufgelistet. Natürlich ist diese Liste nicht vollständig, sondern soll als Anregung dienen und die Vielseitigkeit der Möglichkeiten aufzeigen:

Über den Tellerrand blicken

Diese Inwertsetzungen sind Beispiele, die heute in der Schweiz oder in Deutschland bereits anzutreffen sind und eine stetig wachsende Anzahl an Nachahmern finden. Ein in der Schweiz noch eher unbekanntes Beispiel sind sogenannte Lärm- und Sichtschutzwälder. Diese sind in einigen Bundesländern Deutschlands bereits in offiziellen Waldfunktionskarten eingetragen. Obwohl der Wald den Strassenlärm laut Messungen nur um wenige Dezibel senken kann, nimmt die wahrgenommene Belastung stark ab. So wurde gezeigt, dass Immobilien ohne Aussicht auf Infrastruktur wie Autobahnen höhere Marktwerte erzielen als solche ohne "grünen" Sichtschutz. Es ist nur fair, wenn ein Teil des erzielten Mehrwerts in die Waldpflege zurückfliesst. 
Bei künftigen Infrastrukturprojekten ist es also denkbar, dass Waldeigentümer/-innen ihren Lärm- und Sichtschutz des Waldes so in Wert setzen können. Empfehlungen, wie ein optimaler Sicht- und Lärmschutzwald aufgebaut und gepflegt werden kann, sind in Deutschland jedenfalls bereits vorhanden und könnten an Schweizer Verhältnisse angepasst werden.

Ausblick

An Ideen zur Inwertsetzung der Waldleistungen mangelt es nicht. Das nach wie vor fehlende Problembewusstsein bei einigen Entscheidungsträgern/-innen stellt jedoch eine Hürde dar. Dazu kommen viele Akteure und die nicht immer ganz klaren Unterscheidungen, von was jetzt genau die Rede ist. Die Bedeutung eines gesunden und widerstandsfähigen Waldes ist den meisten Akteuren klar, die Waldleistungen und die Massnahmen der Waldeigentümer/-innen sind aber nicht immer gleich fass- und begreifbar. Hier kommt den Waldeigentümerverbänden, aber auch den Kantonen eine wichtige kommunikative Rolle zu.

Wenn der Erfahrungsaustausch gefördert wird und die Waldeigentümer/-innen im richtigen Moment ihre berechtigten Forderungen einbringen, kann mit zusätzlichen Mitteln nicht nur der Erhalt eines stabilen und zukunftsfähigen Waldes gefördert werden, sondern auch ein wichtiger und notwendiger Beitrag zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Waldwirtschaft geleistet werden. Nötig sind Mut, gegenseitiges Verständnis und schlussendlich ein selbstbewusstes Auftreten sowie eine partnerschaftliche Zusammenarbeit.