Wald ist mehr als nur Holz, welches er produziert, mehr als gesäuberte Luft, die wir einatmen, mehr als Trinkwasser, das wir er filtert, mehr als der Erholungsraum, der täglich aufgesucht wird – und mehr als der Lebensraum, den er unzähligen Lebewesen bietet.
Um die Bedeutung dieser Leistungen als Basis für ein "gutes Leben" der Gesellschaft bzw. der Menschen langfristig nutzen zu können, ist eine angemessene Honorierung der Waldökosystemleistung erforderlich.
Mensch und Waldnutzung
Abb. 2. Viele Menschen suchen die Erholung im Wald. Foto: C. Lehmann
Waldökosysteme weisen zahlreiche Funktionen auf: Erzeugung und Zersetzung von Biomasse, Regulation des Landschaftswasserhaushaltes, Einfluss auf Lokal- und Regionalklima, Lebensraum für zahlreiche Organismen und vieles mehr. Nutzt der Mensch bewusst oder unbewusst diese Funktionen der Wälder zur Befriedigung eigener Ansprüche, so sind die genutzten Funktionen Leistungen der Wälder, welche die Wohlfahrt der Menschen steigern. Erweitert man diese Sichtweise vom einzelnen Menschen auf einen Wirtschaftsraum bzw. eine Volkswirtschaft, so sind die Leistungen (u. a. Erholung, Klimaschutz) und auch Produkte (u. a. Holz, Nahrung) der Wälder eine wichtige Basis jeder Volkswirtschaft.
Zudem haben viele Menschen, insbesondere in den Städten, eine Sehnsucht nach Landschaft und "unberührter" Natur. Diese Sehnsucht schlug sich in Werken der Romantik nieder und es entwickelten sich frühzeitig Umweltbewegungen wie der Alpenverein. Heute geben sie wichtige Impulse für eine "naturverträgliche" Gesellschaft.
Waldleistungen und ihr monetärer Wert
In den letzten Jahren treten auch Nachteile städtischer Lebensweise verstärkt in Form von "Zivilisationskrankheiten" wie Schlafstörungen, Diabetes, Depressionen, Adipositas, Atemwegsleiden, Burn-out, motorische Defizite etc. auf. Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass Wälder – als naturnächstes Ökosystem – für ein gutes Leben der Menschen und die tägliche Erholung (Abendspaziergang, Joggingstrecke, Gassirunde mit dem Hund) eine wichtige Basis sind. Dass dies so ist, hat bereits der Preussische Minister für Volkswohlfahrt 1927 betont: "Die Bedeutung der Wälder für die Volksgesundheit liegt in der seelischen und körperlichen Lebensgemeinschaft zwischen Mensch und Wald .... Ohne diesen Wald würden wir körperlich entarten und geistig veröden ... Ohne ihn würden unsere Äcker steinig, unsere Berge zu kahlen Klippen und unser Klima ungesund werden, unabwendbare sich wiederholende Überschwemmungen der Flüsse würden unsere Gesamtwirtschaft schädigen." Diese vor fast 100 Jahren für das Ruhrgebiet in Deutschland gemachte Aussage gilt auch heute noch, insbesondere, weil wir heute um den schnellen Klimawandel mit all seinen möglichen Folgen wissen.
Rechtliche Vorgaben
Alle Waldflächen in Deutschland haben einen Eigentümer. Durch die Gesellschaft werden Ökosystemleistungen seit langem erwartet und gefordert. Das Betretungsrecht von Wäldern wurde in Deutschland mit dem Bundewaldgesetz 1975 geregelt.
Mit der Rahmenvorschrift wurde den Bürgern gestattet, Wälder zum Zweck der Erholung auf eigene Gefahr zu betreten. Da diese forstgesetzliche Bestimmung eine Inhaltsbeschränkung des Waldeigentums darstellt und die Rechtsposition der WaldeigentümerInnen einschränkt, wurde schon frühzeitig über einen entsprechenden Ausgleich bzw. eine Honorierung der Dienstleistungsfunktion des Waldes gesprochen. Letztendlich wurde den Waldbesitzenden folgende Gegenleistung gewährt: Zuschuss zur Waldbrandversicherung, Ersatz durch die vom Erholungsverkehr verursachten Schäden, kostengünstige tätige Mithilfe bei der Waldbewirtschaftung durch die Forstverwaltung, Abfallentsorgung im Wald.
Diese für das Betretungsrecht zugesagten Gegenleistungen resp. Honorierungen wurden in den folgenden Jahren aber gestrichen bzw. deutlich reduziert.
Ernte und Verkauf des Holzes machen ca. 90% der Einnahmen von Forstbetrieben aus. Jedoch wird eine Holznutzung in heimischen Wäldern immer häufiger von Umweltgruppen und der urbanen Bevölkerung tendenziell abgelehnt (Stichworte: Flächenstilllegung, Wildnis) bzw. als unwichtig eingestuft, obwohl in Deutschland bzw. das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) seinen Holzbedarf aus eigenen Quellen nicht decken kann.
In der forstwirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Deutschland wird der monetäre Wert der Holzerzeugung mit rund 4,7 Milliarden Euro für 2018 angegeben. Bezogen auf die Gesamtwaldfläche von ca. 11 Millionen Hektar in Deutschland betragen die Bruttoerträge etwa 430 Euro pro Hektar.
Die zahlreichen Waldökosystemdienstleistungen des Waldes werden insbesondere von der urbanen Bevölkerung geschätzt.
- Dass diese Leistungen einen hohen Wert haben, konnte bereits 1969 für den Raum München aufgezeigt werden. Dabei war allein der Erholungswert pro Hektar und Jahr bis zu 30-mal höher als der Reinertrag der Holzproduktion. Eine neue Studie zum Wert der Waldökosystemleistungen für das Ruhrgebiet beziffert u.a. den Erholungswert der Wälder mit ca. 6400 Euro pro Hektar und Jahr und damit rund 50-mal so hoch wie die Erlöse durch den Holzverkauf.
- Die niedersächsischen Landesforste schätzen den wirtschaftlichen Wert der Ökosystemdienstleistungen für den Landeswald ca. 10-mal so hoch ein wie die durch Holznutzung erzielten Erträge.
- Auch für die Wälder im bevölkerungsarmen Mecklenburg-Vorpommern wurde der Wert der Ökosystemleistungen doppelt so hoch wie die durch Holznutzung erzielten Erträge eingeschätzt.
Im Waldbericht des BMEL 2017 wird der wirtschaftliche Wert allein der Erholung im Wald auf Basis einer TEEB-Studie (Globale Studie zur Ökonomie von Ökosystemen) mit ca. zwei Milliarden Euro (180 Euro pro Hektar) und der Wert des "Naturschutzes" ebenfalls mit zirka zwei Milliarden Euro (Euro pro Hektar) für Deutschland angegeben. Obwohl die Wälder eine hohe volkswirtschaftliche Wertschöpfung leisten, wird diese derzeit nicht oder nur ansatzweise im Privatwald honoriert – vielmehr haben die Forstbetriebe auch noch verschiedene Sozialabgaben zu leisten (u.a. Grundsteuer).
Berechnung monetärer Werte
Eine allgemein anerkannte Methode, Waldökosystemdienstleistungen zu berechnen, wurde bisher noch nicht erarbeitet. Vielmehr gibt es verschiedene Bewertungsansätze. Zudem lehnen einige Wissenschaftler und auch Vertreter des Naturschutzes eine monetäre Bewertung der zahlreichen Waldleistungen ab.
Ein anerkannt wirtschaftswissenschaftliches Verfahren, um entgangene Nutzen einer alternativen Handlung zu beschreiben, ist die Opportunitätskosten-Methode. Nutzt man diesen Ansatz für die monetäre Bewertung von Waldökosystemdienstleistungen, so kann deren Wert nachvollziehbar eingeschätzt werden. Beispiele hierfür sind die Entfernung von Stäuben aus der Luft mit Filtern, die Verdunstung von Wasser mit Luftbefeuchtern oder die Abscheidung von CO2 durch Adsorption an verschiedenen Reagenzien.
Am Beispiel der Wälder im Gebiet der Stadt Hagen (NRW) wird die Ableitung monetärer Werte der Waldökosystemdienstleistungen "Gesundheit" und CO2-Senke" beschrieben. Weitere Leistungen lassen sich mit diesem ebenfalls berechnen. Das Gebiet Hagen wurde gewählt, da für diesen Raum bereits eine monetäre Bewertung zahlreicher Waldleistungen vorliegt.
Vergütungsberechnung für CO2-Senke des Waldes
Emissionsrechte für CO2 werden an der Börse gehandelt. Derzeit wird dort ein Preis von ca. 90 Euro pro Tonne verlangt. Nutzt man diese Zahlen, so kann der volkswirtschaftliche Wert der CO2-Senke Wald im Gebiet der Stadt Hagen (NRW) berechnet werden:
- CO2-Senke Wald (nur geerntetes Holz) ca. 36'000 Tonnen bzw. 5,2 Tonnen pro Hektar.
- Börsenwert Leipzig (Sachsen; Februar 2022): 90 Euro
- Monetärer Wert Waldökosystemleistung CO2-Senke: 3'240'000 Euro resp. 465 Euro pro Hektar.
Wald und Gesundheit
Dass Waldbesuche die Gesundheit, Vitalität und das Wohlbefinden von Menschen stärken ist schon lange bekannt und durch verschiedene Studien beschrieben. Der Hygieniker Prof. H. Eyer führte bereits 1962 aus:
- Waldbesuche können Werte zugemessen werden, die den Inhalt halber Apotheken zu kompensieren vermögen.
- Wenn die Waldbesuche die Gesundheit und das Selbstwertgefühl stärken, dürfte dies dazu beitragen, dass Menschen mit diesen positiven Erfahrungen weniger medizinische Hilfe in Anspruch nehmen müssen als Menschen, die den Wald meiden oder keine positiven Wirkungen eines Waldbesuches erfahren. Und wenn weniger medizinische Hilfe für ein "gesundes Leben" erforderlich ist, entlastet dies das Gesundheitssystem (Gesamtkosten 2017: 376,6 Milliarden Euro bzw. 4544 Euro pro Person; Statistisches Bundesamt 2020) von erheblichen Kosten.
Diese eingesparten volkswirtschaftlichen Kosten kann man dann als Erträge der Wälder für eine gesteigerte Vitalität der Menschen beschrieben.
Kostenberechnung Faktor Gesundheit
In Hagen leben ca. 188'000 Einwohner. Wie viele davon tatsächlich den Wald im Stadtgebiet regelmässig nutzen, lässt sich nicht zuverlässig ermitteln. Insofern wird angenommen, dass 30% der Einwohner den Wald regelmässig aufsuchen und dadurch gesundheitliche Vorteile haben.
Wenn dieser verbesserte Gesundheitszustand dazu führt, dass diese Menschen im Durchschnitt weniger medizinische Hilfe benötigen und daher weniger oft im Jahr einen Arzt aufsuchen, ergibt sich eine monetäre Entlastung des Gesundheitswesens bzw. eine entsprechende Leistung des Waldaufenthaltes. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung betrug das durchschnittliche Arzthonorar pro Behandlung 66,36 Euro im dritten Quartal 2013. Nutzt man diese Zahlen – mit allen ihren Ungenauigkeiten, zeitlich und behandlungsbezogen – und führt sie zusammen, so kann die Waldökosystemdienstleistung "Gesundheit" wie folgt berechnet werden:
- Gesparte Arztbesuche pro Jahr: ca. 54'400
- Wert eines Arztbesuches: 66,36 Euro
- Monetärer Wert der Waldökosystemdienstleistung "Gesundheit": 3'743'000,00 Euro resp. 530 Euro pro Hektar
Kohlenstoffbindung im Wald
Waldbäume entziehen der Atmosphäre CO2 und bilden mithilfe der Photosynthese daraus Biomasse bzw. Holz. Von dem jährlichen Holzzuwachs (rund 65 000 Kubikmeter) werden etwa 40 000 Kubikmeter Holz jedes Jahr in den Wäldern im Gebiet der Stadt Hagen geerntet und verkauft. Das Holz wird in verschiedenen Produkten mittelfristig festgelegt. Hierdurch findet eine Substitution fossiler Energieträger oder energieintensiv hergestellter Werkstoffe (u.a. Stahl und Beton) statt, und die Atmosphäre wird jedes Jahr um ca. 36 000 Tonnen CO2 bzw. 5,2 TonnenCO2 pro Hektar entlastet.
Das Holz, welches im Wald verbleibt, ist für die Bodenfruchtbarkeit erforderlich und wird von den zahlreichen Organismen wieder in seine Bestandteile zerlegt. Eine Entlastung der Atmosphäre ist hierdurch nur so lange zu erwarten, bis der standorttypisch mögliche Biomassevorrat erreicht ist. Danach dürften CO2 -Bindungen und Freisetzung im Mittel der Jahre eine ähnliche Grössenordnung erreichen.
Durch die Photosynthese der Bäume wird nicht nur CO2 aus der Atmosphäre entfernt, sondern auch Sauerstoff freigesetzt. Dieser ist für uns Menschen lebenswichtig und ersetzt bei der Atmung verbrauchten Sauerstoff in der Atmosphäre. Auch diese Leistung besitzt einen hohen Wert.
So sieht die Honorierung der CO2-Fixierung in Wäldern konkret aus:
Die CO2 -Fixierung – Klimaschutz – durch Waldbäume und deren Honorierung (z.B. mit dem halben an der Börse notierten CO2 -Preis) sollte sich an der tatsächlich in einem Jahr getätigten Holznutzung, die auch in der Finanzbuchführung verzeichnet ist, orientieren. Denn dieses Holz ersetzt fossile Energieträger bzw. energieintensiv hergestellte Bau- und Werkstoffe.
Nutzt jemand mehr Holz als der nachhaltige Hiebsatz festlegt (Stichwort: Kalamität), würde auch diese Nutzung honoriert; nutzt er kein Holz, erhält er auch keine Honorierung für die CO2-Fixierung. Möglicherweise erhält er dann aber einen höheren Betrag z.B. für "Naturschutzleistungen". Verwaltungstechnisch könnte dieses Vorgehen von der Finanzverwaltung umgesetzt werden – zumal betriebe dort ihre betriebswirtschaftlichen Unterlagen einreichen müssen.
Transparente Honorierung ist möglich!
Man kann eine Leistungshonorierung auch über einen Fonds abwickeln, der von allen Nutzern der Waldökosystemleistungen getragen wird. Möglicherweise würde das jedoch einen hoher Verwaltungsaufwand generieren, was zusätzliche Mittel erforderlich macht. Diese stünden dann für eine Honorierung nicht mehr zur Verfügung.
Eine einfache Möglichkeit, private WaldbesitzerInnen kostengünstig und schnell an volkswirtschaftlichen Erträgen zu beteiligen, könnte die Befreiung von öffentlichen Abgaben wie z. B. Grundsteuer oder Sozialversicherung sein.
Wälder sind mehr als nur Holz – aber auch Holz.
Welchen hohen Wert diese Leistungen für uns Menschen haben, wurde mehrfach und gut begründet in zahlreichen Studien beschrieben. Um auch alle Waldbesitzer an dieser hohen Wertschöpfung teilhaben zu lassen, ist eine Honorierung der Waldökosystemdienstleistungen dringend erforderlich.
Eine wissenschaftliche Studie regte 2020 an, hierzu ein von Grund auf neu konzipiertes Instrumentarium zu entwickeln, das eine ergebnisorientierte Honorierung von gesellschaftlich nachgefragten Leistungen der Waldwirtschaft ermöglicht.
In welcher Form man WaldbesitzerInnen an diesen "Erträgen" beteiligt, ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung. Eine Honorierung sollte auf jeden Fall transparent, einfach und leicht nachvollziehbar sein (Stichwort: Baukasten). Bei einem solchen Ansatz würden WaldeigentünerInnen zudem angeregt, nachgefragte Leistungen vermehrt und in guter Qualität anzubieten.