Feuchtigkeitsaustritt an Bäumen ist im Wald keine Seltenheit. Inzwischen ist klar, dass es sich in den meisten Fällen um komplexe Krankheitsbilder handelt. Die verschiedenen Wirkmechanismen sind jedoch noch lange nicht vollständig aufgedeckt. Das Verständnis dieser Symptomatik entwickelt sich fortlaufend weiter.
Schleimfluss (Abb. 1) wird durch verschiedene Mechanismen ausgelöst. Während einige Organismen bei einer Infektion alleiniger Auslöser des Schleimflusses sind, scheinen bei vielen anderen Bakterien mitzuwirken. Wenn diese unter die Rinde gelangen, vermehren sie sich und fermentieren, wodurch das Holz aufgeweicht wird und Kohlendioxid entsteht. Das Gas erzeugt Druck im Holz, der Saft wird durch Risse an die Oberfläche gedrückt, wo sich zahlreiche Mikroorganismen ansiedeln und durch ihre Vermehrung bewirken, dass er zähflüssiger und schleimiger wird.
Zunehmend erkennt man die Bedeutung von abiotischem Stress wieTrockenheit, Frost oder Hitze als Faktor, der die Bäume anfällig auf Krankheiten macht. Auch Bakterien werden vermehrt als Krankheitserreger nachgewiesen. Insgesamt zeichnet sich ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren und Schaderreger ab, wie es für komplexe Krankheitsbilder typisch ist. Wie genau die einzelnen Faktoren aufeinander wirken, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt. Schleimfluss ist dabei ein Symptom von vielen.
Waldschutz Schweiz untersucht Fälle mit Schleimfluss seit einigen Jahren. Während in einigen dieser Fälle lediglich Phytophthora-Arten involviert waren, wurde bei vielen auch eine Beteiligung von Bakterien nachgewiesen (Tab. 1).
Der Schleimfluss an Rosskastanie und Nussbäumen war eindeutig auf bakterielle Infektionen zurückzuführen. Bei der Rosskastanie handelte es sich um Pseudomonas syringae pv. aesculi, welches teilweise in Kombination mit Phytophthora-Arten auftrat. Ob und wie genau beide Arten aufeinander wirken, ist nicht bekannt.
Beim Nussbaum war das verursachende Bakterium Xanthomonas arboricola pv. juglandis. Interessanterweise wurden auch die beiden Bakteriengattungen Brenneria sp. und Erwinia sp. gefunden. Diese tauchen teilweise auch bei Eichen mit Schleimfluss auf. Ob sie beim Nussbaum als Sekundärbesiedler auftreten oder ursächlich zu den Schleimflusssymptomen beitragen, ist noch nicht geklärt. In einigen Fällen trugen auch abiotische Faktoren zur Entstehung der Symptome bei, so etwa beim Bergahorn.
Ausgehend von den durch Waldschutz Schweiz dokumentierten Fällen werden im Folgenden verschiedene Ursachen von Schleimflusssymptomen diskutiert:
Phytophthora
Verschiedene Phytophthora-Arten sind dafür bekannt, Schleimfluss auszulösen. Dazu gehören P. plurivora, P. cambivora, P. cactorum, P. cinnamomi und P. ramorum. Letztere ist ein eingeschleppter Quarantäneorganismus, der in den USA den plötzlichen Eichentod (Sudden Oak Death) verursacht. In der Schweiz wurde bisher kein Fall von P. ramorum an Eiche beobachtet. Betroffen waren hauptsächlich Ziersträucher der Gattungen Viburnum (Schneeball) und Rhododendron in Baumschulen. Schleimfluss an Eichen ist jedoch nicht immer gleichzusetzen mit einem Phytophthora-Befall; auch Bakterien können einen solchen verursachen.
Bakterien
In der Schweiz gelang im Frühjahr 2017 der erste Nachweis der Bakterien Brenneria goodwinii, Gibbsiella quercinecans und Rahnella victoriana an Traubeneichen (mehr dazu). Die isolierten Bakterien, die 2008 erstmalig in Grossbritannien beschrieben wurden, stehen im Zusammenhang mit dem Akuten Eichensterben (AOD), nicht zu verwechseln mit dem Plötzlichen Eichentod (SOD) (Tab. 2).
Dank einer molekularen Nachweismethode können die Spezialisten an der Eidg. Forschungsanstalt WSL einen Befall mit den drei Bakterien heute schnell und zuverlässig erfassen. So entdeckten sie weitere Befälle an Stiel- und Flaumeichen, sowie Roteichen. Waren beim Erstnachweis in der Schweiz gepflanzte Eichen betroffen, wurden die Bakterien in den darauffolgenden Fällen auch im Wald an naturverjüngten Bäumen gefunden.
Dunkler Schleimfluss und vertikale Risse mit totem, nässendem Holz unter der Rinde sind Anzeichen eines Bakterienbefalls (Abb. 2). Die erkrankten Bäume sind meist, aber nicht ausschliesslich, ausgewachsene Eichen. Erst im fortgeschrittenen Stadium zeigen sie eine Verlichtung durch astweises Rücksterben der Krone.
Die Bakterien allein würden die Eichen vermutlich nicht zum Absterben bringen. Es ist die Kombination mit anderen Faktoren, die zum Tod eines Baumes führen. Beispiele solcher Faktoren sind Verletzungen am Stamm, Trockenheit, Frostereignisse, starke Schwankungen von Umweltfaktoren allgemein oder auch die Besiedlung durch Sekundärschädlinge.
Während gewisse Phytophthora-Arten gesunde Bäume angreifen können, besiedeln die Bakterien B. goodwinii, G. quercinecans und R. victoriana vermutlich bereits geschwächte Bäume und beschleunigen damit eine fortschreitende Abnahme der Vitalität. Es handelt sich demnach um eine Komplexerkrankung, zu der biotische und abiotische Faktoren beitragen. Das stützen auch Studien aus Grossbritannien, welche einen Zusammenhang zwischen den Bakterien und dem Zweipunktigen Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus) sehen. Auch in der Schweiz ist dieser Käfer heimisch, Schäden sind jedoch selten. Der genaue Zusammenhang ist noch nicht vollständig verstanden.
Eine weitere Studie zeigte mittels Inokulationsversuchen, d.h. absichtlichem Einbringen von Krankheitserregern, dass die Bakterien G. quercinecans und B. goodwinii den Schleimfluss verursachen. Welche Rolle R. victoriana dabei spielt, ist noch unklar. Zudem lässt sich nicht ausgeschliessen, dass weitere Bakterienarten involviert sind.
Für eine solide Risikoabschätzung bezüglich der Symptome an Eichen ist eine systematische Beobachtung von gesunden und erkrankten Bäumen nötig. Insgesamt nehmen die Meldungen der drei Bakterien auf dem europäischen Festland zu. Damit verbunden stellt sich die Frage, ob es sich um einheimische oder eingeschleppte Organismen handelt. Funde in einem praktisch unberührten Waldgebiet und die grosse Ähnlichkeit der heute beobachteten Symptome mit solchen, die bereits 1995 beschrieben wurden, legen die Vermutung nahe, dass die Bakterien bereits seit längerer Zeit in der Schweiz vorkommen. Es sind jedoch weitere Untersuchungen notwendig, um diese Frage zu klären.
Weitere Ursachen
Viele dieser Erreger verursachen allein keine tödliche Erkrankung, wenn nicht weitere nachteilige Gegebenheiten hinzukommen. Abiotische Faktoren wie Trockenstress, Frostereignisse oder Hitze machen einen Baum anfällig für eine Besiedelung durch Schadorganismen und für eine nachfolgende Erkrankung.
An der Buche ist die Buchenrindennekrose bekannt, zu deren Ursachenkomplex neben biotischen Faktoren (Nectria coccinea, Cryptococcus fagisuga) auch Trockenperioden gehören, die sich negativ auf den Wasserhaushalt auswirken. Die Krankheit verläuft für den Baum nicht in jedem Fall tödlich.
Auch Pezicula-Krebse an Roteiche und Symptome durch Anthostoma decipiens werden durch krankheitsfördernde abiotische Faktoren begünstigt. Beim Ahorn kann bei einem Befall einer Nectria-Art, in Verbindung mit einer abiotischen Vorschädigung, Schleimfluss auftreten (Abb. 3). Teilweises, durch Nectria sp. ausgelöstes Absterben der Rinde mit Schleimfluss tritt nicht nur bei Ahorn, sondern auch bei Buche, Birke und Erle auf.
Neben den genannten Pilzen können Feuerbrandbakterien (Erwinia amylovora) Schleimfluss auslösen. Betroffen sind unter anderem Vogelbeere, Weissdorn und Zwergmispel. Zudem gehört Schleimfluss zu den möglichen Begleitsymptomen von Nasskernen. Die dunkel gefärbten und sehr nassen Zonen im Kern und inneren Splintholz sind stets mit Bakterien assoziiert. An Bäumen mit ausgedehnten Nasskernen tritt teilweise Feuchtigkeit durch Rindenspalten nach aussen.
Die Bohrtätigkeit von Insekten, durch die Bakterien und Pilze in den Baum transportiert werden können, ist eine weitere mögliche Ursache für Schleimfluss (Abb. 4). Beispiele dafür sind der Kleine Buchenborkenkäfer (Taphrorychus bicolor), der Pappelbohrer (Saperda calcarata) oder auch Cryptorhynchus lapathi an Pappel und Weide.
Fazit
Komplexkrankheiten gewinnen an Bedeutung. Es handelt sich um Syndrome, die sich aus biotischen und abiotischen Faktoren ergeben, deren schädliche Wirkung durch aufeinanderfolgendes, kombiniertes und sich gegenseitig verstärkendes Auftreten entsteht. Der Verlauf und die Intensität solcher Krankheiten werden durch komplexe Wechselwirkungen zwischen den einzelnen beteiligten Organismen, aber auch zwischen abiotischen Faktoren und den Organismen beeinflusst. Solche Komplexkrankheiten sind oft noch wenig untersucht und Ansatzpunkte für Managementstrategien fehlen.
(TR)