Die drei Krankheitserreger wurden im Herbst 2017 an drei frisch gepflanzten, aus dem Ausland stammenden Traubeneichen gefunden. Dies lässt vermuten, dass die Bakterien zusammen mit den Bäumen in die Schweiz gekommen sind.

Importierte Pflanzen können bei der Einfuhr gesund erscheinen und trotzdem latent Schadorganismen auf sich tragen. Die Symptome werden oft erst später sichtbar, zum Beispiel an gestressten Bäumen. Bisher haben Kontrollen in der Umgebung keine weiteren Nachweise von Eichen mit Krankheitssymptomen erbracht.

Schadbild des akuten Eichensterbens

Das akute Eichensterben ist eine Komplex-Erkrankung, wobei unterschiedliche Faktoren wie Frost, Trockenperioden, Standort und Baumalter im Zusammenspiel mit schadenbringenden Organismen Bäume erkranken lassen. Die ersten Symptome eines Ausbruchs sind Rindenrisse mit Schleimfluss am Stamm und in der Krone(Abb. 1 und 2). Diese Schädigungen treten typischerweise im Frühling und Herbst auf. Unterhalb der Rindenoberfläche werden die Risse als dunkle Nassflecken sichtbar (Abb. 3), welche bis zum Splintholz reichen. Die betroffenen Eichen sterben oft innerhalb weniger Jahre ab. Häufig sind mehrere Eichen jeden Alters oder ganze Eichenwälder betroffen.

Identität und Biologie der Bakterien

Gibbsiella quercinecans, B. goodwinii und R. victoriana sind sogenannte gramnegative Bakterien und haben eine stäbchenähnliche Form.Sie werden in Zusammenhang mit dem akuten Eichensterben gebracht. Eine aktuelle Studie zeigte in Beimpfungs-Versuchen (Inokulation), dass die Bakterien G. quercinecans und B. goodwinii den Schleimfluss verursachen. Welche Rolle R. victoriana dabei spielt, ist noch unklar. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Bakterienarten involviert sind.

Einfluss des Zweipunktigen Eichenprachtkäfers

Der Zweipunktige Eichenprachtkäfer (Agrilus biguttatus, Abb. 4) gilt als sekundärer Schädling, der geschwächte Bäume befällt und deren Absterben beschleunigen kann. Er scheint der Hauptüberträger der oben genannten Bakterien zu sein, gilt jedoch selbst nicht als Ursache für das akute Eichensterben.

In Grossbritannien sind bei 90% der erkrankten Bäume im Bereich der Schleimflussstellen Frassgänge dieses Käfers vorhanden. Auch bei den betroffenen Traubeneichen in der Schweiz waren kurze, unregelmässig verlaufende Larvengänge zu finden (Abb. 5), jedoch konnten weder das Insekt noch Ausfluglöcher eindeutig nachgewiesen werden. Zum Teil hatten die Eichen an den Wänden der Larvengänge bereits Wundgewebe gebildet. Somit lässt sich eine Eiablage im Vorjahr und eine nachfolgend erfolglose Entwicklung von Junglarven des Käfers nicht ausschliessen.

Weitere mögliche Verbreitungswege der pathogenen Bakterien sind Transport durch Wind, Regen, Vögel oder den Menschen.

Situation in Europa

Das akute Eichensterben wird seit 1980 in Grossbritannien beobachtet. 2008 haben Wissenschaftler dort erstmals pathogene Bakterien aus Rindenproben von Eichen mit Schleimfluss isoliert und studiert. Die Kombination der drei erwähnten Bakterienarten G. quercinecans, B. goodwinii und R. victoriana wurde bisher nur in Grossbritannien und eben erst kürzlich in der Schweiz nachgewiesen. Einzelnachweise verwandter Bakterien aus den Gattungen Brenneria und Gibbsiella an erkrankten Eichen gibt es aus Spanien und den Vereinigten Staaten.

Neben dem akuten Eichensterben kommt in Europa auch das "chronische" Eichensterben vor. Diese im Vergleich weniger aggressive Form ist ein wiederkehrendes Phänomen mit unterschiedlichem Krankheitsverlauf.

Empfehlungen

Nicht jede Eiche mit Schleimfluss oder Prachtkäferbefall muss von den erwähnten Bakterien befallen sein. Bevor Massnahmen ergriffen werden, sollte deshalb eine gesicherte Diagnose vorliegen. Weil die Kenntnisse der Komplexkrankheit "akutes Eichensterben" derzeit noch ungenügend sind, braucht es für fundierte Empfehlungen weitere Forschung zur Ökologie und Pathologie der entdeckten Bakterien sowie zur Interaktionen zwischen den beteiligten Organismen.

Vorerst wird nach dem Vorsorgeprinzip empfohlen, betroffene Bäume zu entfernen oder den Standort abzusperren, um den Kontakt mit den Schleimflussstellen an den Baumstämmen und somit eine Verschleppung der Erreger zu vermeiden. Betroffene Bäume sollten regelmässig kontrolliert und bei Verschlechterung deren Zustandes entfernt werden.

Beobachtungen bitte melden!

Die drei Bakterien G. quercinecans, B. goodwinii und R. victoriana sind in Europa nicht als Quarantäneorganismen eingestuft. Es besteht keine obligatorische Überwachungs- und Meldepflicht. Trotzdem bitten wir Sie, Beobachtungen von Schleimfluss an Eichen an den Waldschutz- oder den Pflanzenschutzdienst Ihres Kantons oder an Waldschutz Schweiz zu melden.

(TR)