Anfang August 2021 erreichte der Verdacht eines Fundes der Eichennetzwanze auf Initiative einer Privatperson in der Nähe von Oftersheim bei Schwetzingen die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Baden-Württemberg. Dieser Verdacht kann durch die Abteilung Waldschutz nun offiziell bestätigt werden: Die Eichennetzwanze (Corythucha arcuata) hat Baden-Württemberg und damit Deutschland erreicht.

Ein erstes orientierendes Monitoring der FVA in Zusammenarbeit mit der Abteilung Pflanzenschutz des LTZ (Landwirtschaftliches Technologiezentrum) Augustenberg ausgehend vom Fundort der Eichennetzwanze in der Oberrheinebene hat ergeben, dass sie entlang der ICE Bahnstrecke zwischen Mannheim und Karlsruhe an exponierten Stellen schon an weiteren Eichen vorkommt. Nach ersten Ergebnissen erstreckt sich das bisher dokumentierte Ausbreitungsgebiet der Eichennetzwanze auf mindestens 20 km Luftlinie. Es ist davon auszugehen, dass die Netzwanzen durch die vorbeifahrenden Züge mit dem Wind verwirbelt werden und sich dadurch ausbreiten.

Die ursprünglich in Nordamerika und Kanada beheimatete Art wurde im Jahr 2000 in Italien erstmals in Europa (EPPO) nachgewiesen und breitete sich von hier zunächst in Richtung Norden und Osten sehr rasant aus. Als Verbreitungswege werden Hauptverkehrsachsen wie große Straßen oder Schienen vermutet (Williams 2021). 

Mittlerweile kommt die Eichennetzwanze in zahlreichen europäischen Staaten vor, darunter Frankreich, die Schweiz, Österreich, große Teile der Balkan-Halbinsel sowie Griechenland und die Türkei. Auch auf dem asiatischen Kontinent wurde sie in Russland und im Iran nachgewiesen (Abb. 1)

Merkmale und Biologie

Die nur etwa 3 mm große adulte Eichennetzwanze fällt aufgrund der durchsichtigen und netzartigen Struktur bei geringen Populationsdichten im Wald nur schwer auf (vgl. Abb. 2). Die Unterscheidung zur ähnlich aussehenden Platanennetzwanze (Corythucha ciliata) kann optisch gut anhand der dunklen Flecken auf den Flügeln erfolgen, welche nur die Eichennetzwanze aufweist.

Die Eichennetzwanzen saugen an der Unterseite der Blätter. Zu erkennen ist ein Befall ab dem Frühjahr zunächst an hellgelb gesprenkelten Bereichen der Blätter, welche meist von der Blattmitte ausgehen (Abb. 3).

Die Verfärbung entsteht aufgrund der Saugtätigkeit der Nymphen und Imagines und wird mit zunehmender Befallsdichte intensiver und großflächiger. Bei starkem Befall kommt es im Hochsommer zur Vergilbung der Blätter bis hin zum Vertrocknen und vorzeitigem Blattfall. Dann können nahezu alle Blätter eines Baumes betroffen sein. Untersuchungen in Österreich zeigten, dass ein Primärbefall zunächst bei exponierten Eichen auftritt und von der unteren Krone ausgeht (Sallmannshofer 2019).

Auf der Blattunterseite befinden sich die spindelförmigen und in Kolonien abgelegten schwarzen Eier (Abb. 4 und 5). Die flugunfähigen dunkel gefärbten Nymphen leben gesellig ebenfalls auf der Blattunterseite und entwickeln sich über mehrere Stadien bis hin zum adulten Imago. Pro Jahr können mehrere Generationen ausgebildet werden. Die Eichennetzwanze überwintert als Imago in geschützten Bereichen wie etwa Borkenrissen oder in der Bodenstreu.

Abb. 4 und 5: Die Eier werden in Kolonien an der Blattunterseite abgelegt (links), sind dunkel gefärbt und spindelförmig (rechts) (D. Wonsack).

Wirtspflanzen

Bevorzugt werden in Europa Eichenarten wie Trauben-, Stiel-, Flaum-, Zerr-und Roteiche befallen. Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass auch andere Baum- und Straucharten wie Edelkastanie oder Hundsrose als Wirt dienen können (Sallmannshofer 2019).

Verursachte Schäden

Durch ihre Saugtätigkeiten verringert die Eichennetzwanze zunächst die Photosyntheserate des Blattes, was bei starkem Befall zu verfrühtem Blattabfall führt (EPPO 2007). Neben einer grundsätzlichen Schwächung der Vitalität des betroffenen Baumes sind auch Absterbeerscheinungen einzelner Äste bekannt und Zuwachsverluste werden vermutet. Das Absterben ganzer Bäume allein aufgrund des Befalls mit der Eichennetzwanze ist aktuell nicht bekannt. Eine Prädisposition für den Befall weiterer Schadorganismen in der Folge ist aber wahrscheinlich.

In wie fern die Kombination dieses neuen Schädlings mit schon vorhandenen Schadorganismen wie bspw. Vertreter der Eichenfraßgesellschaft eine Potenzierung der Gefährdung für Eichen bedeutet, kann aktuell noch nicht abschließend bewertet werden.

In ihrer Heimat stellt die Eichennetzwanze in aller Regel kein ernsthaftes Waldproblem dar, da ausreichende Antagonisten vorhanden sind (Hyaliodes vitripennis (Say, 1832), Deraeocoris nebulosus (Uhler, 1832), Erythmelus klopomor (Triapitsyn), Orius insidiosus (Say, 1832)).

Aktueller Status und Maßnahmen

Die Eichennetzwanze ist seit 2007 nicht mehr als Quarantäneschädling eingestuft, da sich die weitere Ausbreitung in der EU nicht aufhalten ließ. Maßnahmen sind nach jetzigem Stand daher nicht vorgeschrieben.

In der Vergangenheit vollzogene Maßnahmen wie Ein- bzw. Ausfuhrbeschränkungen von potentiell infektiösem Holz in Kroatien, werden ebenfalls nicht mehr durchgeführt.

Die Ausbringung chemischer Substanzen mit Hilfe von Hubschraubern zeigte in ersten Untersuchungen wirkungsvolle Ergebnisse, muss jedoch insgesamt hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit in Kombination mit den bereits vorhandenen Schaderregern bzw. deren Zusammenspiel bewertet werden (Bălăcenoiu 2021). Auch mechanische Bekämpfungsmaßnahmen wie das Entfernen von Bodenstreu und die Entfernung befallener Bäume sind alleine aus arbeitswirtschaftlichen Gründen kaum möglich.

Ausblick

Die bisherigen Ausbreitungswege und -geschwindigkeiten lassen den Schluss zu, dass eine wirkungsvolle Vermeidung einer Besiedlung der hiesigen Eichenwälder durch die Eichennetzwanze langfristig nicht verhindert werden kann. Verdachtsfälle im Wald sollten der FVA gemeldet werden.

In wie weit die Eichennetzwanze als weiterer potentieller Schadfaktor an der Baumart Eiche, welche gerade im Hinblick auf die Klimaänderung eine besondere Rolle spielt, zu ernsthaften Problemen führen kann, muss nun weiter beobachtet werden.

Literatur

  • Bălăcenoiu, F., Netoiu, C., Tomescu, R., Simon, D., Buzatu, A., Toma, D., Petritan, I. (2021): Chemical Control of Corythucha arcuate (Say, 1832), an Invasive Alien Species, in Oak Forests, Forests 2021, 12, 770
  • EPPO Global Database (2021) https://gd.eppo.int/taxon/CRTHAR (abgerufen am 05.10.2021)
  • EPPO Mini data sheet on oak lace bug, Corythucha arcuate (2007) 1 Seite. https://gd.eppo.int/taxon/CRTHAR/documents (abgerufen am 05.10.2021)
  • Sallmannshofer, M., Ette, S., Hinterstoisser, W., Cech, T.L., Hoch, G. (2019): Erstnachweis der Eichennetzwanze, Corythucha arcuata, in Österreich, Forstschutz Aktuell 66 (2019)
  • Williams, D., Hocht, G., Csóka, G., de Groot, M., Hradil, K., Chireceanu, C., Hrašovec, B., Castagneyrol, B.(2021): Corythucha arcuata (Heteroptera, Tingidae): Evaluation of the pest status in Europe and development of survey, control and management strategies (OLBIE). Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.4898795 (abgerufen am 05.10.2021)