Der Strukturwandel und politische Rahmenbedingungen führen seit über zwei Jahrzehnten zu einem Rückgang an weinbaulich genutzter Fläche. Vor allem entlang der Mosel ist diese Entwicklung besonders stark ausgeprägt. Seit Mitte der 1990er Jahre wurden dort über 3800 Hektar Rebfläche aus der Bewirtschaftung genommen. Zumeist werden die Flächen der natürlichen Sukzession überlassen, die häufig von Arten wie Brombeere und Ginster hin zu Pioniergehölzen wie Weiden, Aspen und Birken verläuft. Dadurch verlieren die Flächen an ökonomischem und auch an ökologischem Wert. Bislang fehlen Konzepte zur langfristigen Behandlung ehemaliger Weinberge. Hierbei bietet das Projekt SILVITI und die damit verbundene Aufforstung ehemaliger Weinberge mit seltenen Laubbaumarten wie Elsbeere, Speierling oder Wildbirne vielfältige Nutzungsoptionen.
Aufgabe von Weinbauflächen
Abb. 2: Feldahorn auf der Versuchsfläche bei Kesten im ersten Jahr nach der Pflanzung. Im Hintergrund bewirtschaftete Rebflächen (Foto: Jörg Kunz).
Die Weinbaufläche entlang der Mosel nahm seit Mitte der 1990er Jahre um ungefähr 35% ab. In ähnlichem Umfang ging auch Anzahl der Weinbaubetriebe zurück. Dieser Trend ist in der Weinbauregion "Mosel-Saar-Ruwer" besonders stark ausgeprägt, jedoch auch in allen deutschen Weingebieten spürbar. Neben dem fortschreitenden Wandel hin zu wenigen großen und wirtschaftlich konkurrenzfähigen Betrieben, sind auch die Reformen des europäischen Weinsektors wichtige Gründe für die Abnahme der mit Reben bestockten Flächen. Nach einer Aufgabe der Reben sollen in Rheinland-Pfalz, festgehalten in der so genannten Drieschenverordnung, innerhalb von zwei Jahren nach Aufgabe der Bewirtschaftung als Weinberg die Rebstöcke entfernt und die Flächen idealerweise anderweitig genutzt werden. Somit soll die kleinparzellierte Struktur vor Ort erhalten bleiben.
Aufforstung mit Koniferen
Allerdings führten die in der Vergangenheit oft durchgeführten landwirtschaftlichen Nutzungen als Wiese, Weide oder Acker ebenso zu einem Rückgang des ökologischen Werts der Flächen. Auch die Umwandlung der Flächen in Wald durch die Pflanzung schnellwachsende Nadelholzarten wie Fichte, Wald- und Schwarzkiefer oder Douglasie stellt keine ökologische Verbesserung dar. Denn trotz der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung können Weinberge aufgrund ihrer kleinteiligen Strukturen die geprägt sind durch Trockenmauern, Steinriegel, Flächen mit freigelegtem Mineralboden und ähnlichem einen hohen naturschutzfachlichen Wert bieten. Darüber hinaus sind die genannten Koniferen häufig nicht an trocken-warme Standorte angepasst und bleiben daher weit hinter ihren Ertragserwartungen zurück oder sterben ganz ab. Vor dem Hintergrund des Klimawandels erscheint auf diesen trocken-warmen Standorten eine Umwandlung in artenreiche Laubmischwälder bestehend aus trockenstresstoleranten Baumarten sinnvoll, dies ist bisher aber nur in seltenen Einzelfällen erfolgt.
Natürliche Sukzession
Vielfach werden die aufgelassenen Flächen der natürlichen Sukzession überlassen. Häufig erhofft man sich davon die Etablierung von seltenen, ökologisch wertvollen Trockenrasen- und Staudengesellschaften. Dieser Entwicklung steht jedoch in der Regel die Nutzungsgeschichte der Weinberge im Wege. Sie waren intensiv genutzte Kulturflächen, die durch Bodenverdichtung und -bearbeitung, regelmäßige Düngung und Pestizideinsatz geprägt sind. Zudem entstanden viele dieser Flächen durch die Rodung von Wald und würden sich daher bei Nutzungsaufgabe auch langfristig wieder in Wald entwickeln. Unter diesen Voraussetzungen werden zunächst häufig vorkommende Generalisten wie Brombeere, Ginster und andere Straucharten begünstigt, sodass sich die Flächen mit einem dichten Gebüsch überziehen (Abb. 1). Häufig schließt sich eine Baumschicht mit Pionieren wie Weiden- und Pappelarten, der Waldkiefer oder der Robinie an. Diese Entwicklung reduziert in der Regel den ökologischen Wert der Flächen, der mit der Habitatfunktion für wärme- und lichtliebende Arten verbunden ist noch weiter sinkt. Diese vorwaldartigen Strukturen bieten vor allem Wildschweinen und Rehwild gute Einstandsmöglichkeiten und können somit zu erheblichen Wildschäden in den benachbarten Rebkulturen beitragen. Ebenso können diese Flächen auch Schaderregern oder Pathogenen als Brutstätte dienen.
Alternative Bewirtschaftungskonzepte
Aus diesen Gründen ist ein weiteres Fortschreiten dieser Sukzessionsprozesse kritisch zu bewerten. Insbesondere in einer stark auf den Tourismus ausgerichteten Region sind die typischen Weinberge entlang der Mosel ein wichtiges Landschaftselement. Eine weitere Entwicklung von Reben zu mit Büschen und Pioniergehölzen bewachsenen Flächen wird daher von vielen Akteuren in der Landschaft (Artikel im volksfreund: Risiko im toten Wingert) nicht gewünscht. Bisher gilt eine Offenhaltung der Flächen durch Mahd, Mulchen oder Beweidung bei den Vertretern von Naturschutz, Landespflege und Weinbau als zielführendste Maßnahme zur Behandlung aufgelassener Weinberge und ist daher am häufigsten verbreitet. Dadurch wird die aufkommende Vegetation zurückgedrängt und die klar strukturierte Ordnungsform der ehemaligen Weinberge wird beibehalten. Die Maßnahmen wirken nicht dauerhaft und müssen regelmäßig wiederholt werden, um die oben beschriebene Sukzession zu vermeiden. Daher ist diese Art der Offenhaltung sehr kostspielig auf größeren Flächeneinheiten finanziell oft nur dann tragbar, wenn die Pflege der einzelnen Flächen finanziell und institutionell dauerhaft gesichert ist. Folgerichtig werden weiterhin alternative Bewirtschaftungskonzepte für aufgelassene Weinberge gesucht, die langfristige Nutzungsoptionen bei vergleichsweise geringen Kosten und extensivem Arbeitseinsatz bieten. Ein auf Dauer erfolgreiches Konzept muss zudem von vielen verschiedenen Akteuren aus Weinbau, Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Naturschutz, Landes- und Denkmalpflege akzeptiert und gemeinsam getragen werden.
Das Konzept des Projekts SILVITI
Vor diesem Hintergrund erscheint die weitere Entwicklung von Nutzungsoptionen für aufgelassene Weinberge notwendig. Diese sollten die wirtschaftlichen Interessen der Landbesitzer wie auch die Interessen der Gesellschaft an Schutz- und Erholungsfunktionen berücksichtigen. Hier setzte das Forschungsprojekt "SILVITI - Silvicultura statt Viticultura, Waldbau statt Weinbau" an. Durch die Aufforstung aufgelassener Weinberge mit seltenen Laubbaumarten wie Elsbeere, Speierling, Mehlbeere, Feldahorn, Französischen Ahorn, Wildapfel und Wildbirne werden diese Arten gezielt gefördert und die regionale Biodiversität erhöht. Vor allem Speierling und Wildapfel sind aufgrund ihrer Konkurrenzschwäche und kleiner Populationsgrößen in ihrem Bestand in Deutschland bedroht.
Dabei sind diese seltenen Laubbaumarten typische Begleitarten der natürlich vorkommenden wärmeliebenden Eichenmischwaldgesellschaften der gut nährstoffversorgten trocken-warmen Standorte des sogenannten "Weinbauklimas". Darüber hinaus könnten diese seltenen Laubbaumarten vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels aufgrund ihrer relativ hohen Toleranz gegenüber Trockenheit an Bedeutung gewinnen. Da einige der seltenen Laubbaumarten zu den wertvollsten Hölzern Europas zählen, kann der Anbau diese Arten zudem auch wirtschaftlich höchst interessant sein. Auch eine dauerhafte Bestockung ehemaliger Weinberge mit Laubbäumen bietet im Vergleich zu Reben und insbesondere Sträuchern in einer frühen Sukzessionsphase ein höheres CO2-Speicherpotenzial in Böden und Biomasse. Neben der Holznutzung lassen sich aus den Früchten von Elsbeere, Speierling, Wildapfel und -birne edle und hochpreisige Obstbrände erzeugen. Zudem setzen die ausgewählten Baumarten willkommene Kontrapunkte in der Landschaft und bieten nicht nur aufgrund ihres bunten Herbstlaubs ästhetische Anreize. Die Laubbaumarten dienen vielen Insekten als Lebensraum, sind ausgewiesene Bienenweiden und ihre Früchte eine beliebte Nahrungsquelle für verschiedenste Kleinsäuger- und Vogelarten.
Entscheidend für den dauerhaften Erfolg des Projekts ist jedoch vor allem Akzeptanz der lokalen Akteure. Daher wurden schon zu Beginn des Projekts Vertreter von Winzerverbänden und den zuständigen Behörden für die ländliche Entwicklung und Bodenordnung, der landwirtschaftlichen, weinbaulichen und gartenbaulichen Beratung und des Versuchswesens in die Entwicklung und Durchführung der Aufforstungen eingeschlossen. Somit ließen sich vorhandene Bedenken abbauen und langfristig tragbare Kooperationen ermöglichen.
Umsetzung der Aufforstungen
Abb. 3: Elsbeeren (Vordergrund) und Mehlbeeren (Hintergrund) auf der Versuchsfläche bei Kesten im ersten Jahr nach der Pflanzung (Foto: Jörg Kunz).
Im Rahmen des Projekts SILVITI wurden ab Ende 2014 drei Versuchs- und Demonstrationsflächen angelegt. In Avelsbach bei Trier, Monzel und Kesten in der Nähe von Bernkastel-Kues wurden aufgelassene Weinberge mit seltenen Laubbaumarten aufgeforstet um die Realisierbarkeit des angedachten Nutzungskonzepts zu erproben und gleichzeitig wertvolle dauerhafte Flächen zur weiteren Erforschung dieser Arten anzulegen. Zu diesem Zweck wurden im Herbst 2014 insgesamt 975 Elsbeeren, 925 Speierlinge, 1100 Mehlbeeren, 1275 Feldahorne, 775 Französische Ahorne, 850 Wildäpfel und 1025 Wildbirnen, zusammengenommen also 6925 Pflanzen, aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten bei kommerziellen Baumschulen bestellt. Die Pflanzen wurden noch im gleichen Jahr auf den Flächen in Avelsbach und Monzel ausgebracht, wobei die Versuchsfläche in Monzel leider nur knapp die Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Areals umfasst und somit eine direkte Vergleichbarkeit mit den anderen Flächen nicht gewährleistet werden konnte. Da die Fläche bei Kesten erst im Herbst 2015 aufgeforstet werden konnte, wurden die dafür vorgesehenen Bäume im Pflanzkamp der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz (FAWF) in Trippstadt über das Jahr 2015 hinweg eingeschlagen.
Im Vorfeld der Pflanzungen wurden die Flächen gemulcht und anschließend dauerhaft gezäunt. Die eigentlichen Pflanzungen wurden überwiegend mit Erdbohrern durchgeführt. Die Bäume wurden in einem Abstand von 1,5 auf 1,5 m gepflanzt (Abb. 3). Dieser Abstand würde bei einer klassisch forstlichen Aufforstung etwas höher gewählt (in der Regel 2 x 2 m oder 1,5 x 2 m), jedoch sollten die Pflanzen auf den Versuchs- und Demonstrationsflächen früher in Kronenspannung kommen, um so die Auswirkungen von inter- und intraspezifischer Konkurrenz erfassen und auswerten zu können.
Kosten und Möglichkeiten der Förderung
Für die so durchgeführten Aufforstungen inklusive der Kulturpflege während der ersten Jahre sind Kosten von etwa 15.000 bis 20.000 Euro pro Hektar zu erwarten. Danach können die Jungbestände deutlich extensiver bewirtschaftet werden, sodass nur noch geringe Kosten entstehen. Die hohen Kosten für die Anlage der Kulturen können potenzielle Interessenten abschrecken. Jedoch ist gerade die Langfristigkeit der Maßnahme insbesondere im Vergleich zur Offenhaltung ein überaus wichtiger Aspekt des gesamten Konzepts. Eine Möglichkeit zur Finanzierung eröffnet sich durch die Anerkennung der Aufforstung mit den seltenen Baumarten als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme. Dies ist vor allem für Kommunen interessant, die einen ökologischen Ausgleich für Eingriffsmaßnahmen suchen.
Eine andere Möglichkeit für eine finanzielle Unterstützung der Erstaufforstung von Wäldern besteht innerhalb des Rahmenplans der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes". Dort können zum Beispiel private Waldbesitzer für Erstaufforstungen, wenn sie keine Ersatzaufforstungen darstellen, bei Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen eine Förderung in Höhe von 100% der Kosten erhalten. Dies sollte insbesondere bei einer Pflanzung mit seltenen Laubbaumarten möglich sein. Für die Genehmigung der Erstaufforstung sowie die Beantragung der Förderung ist in der Regel die untere Forstbehörde der Ansprechpartner.
Einwände gegen Aufforstungen im Weinberg
Ein häufig geäußerter Kritikpunkt an Aufforstungen ist der mögliche Schattenwurf durch hohe Bäume auf benachbarte Rebflächen, sodass es zu Einbußen in Masse und Qualität der produzierten Trauben kommen könnte. Diese möglichen negativen Auswirkungen können jedoch durch eine überlegte Platzierung der aufzuforstenden Flächen am Hang erheblich reduziert werden. Bei der Aufforstung oberhalb von Reben kommt es zu fast keinem Schattenwurf auf die bewirtschaftete Fläche. Selbst bei einer hangparallelen Aufforstung (in östlicher wie auch westlicher Ausrichtung) konnte bei Simulationen der Beschattung von 25 m hohen Laubbäumen ab einer Entfernung von 15 m zu den Rebstöcken keine substantielle Reduktion des Lichteinfalls nachgewiesen werden. Darüber hinaus kann eine Bestockung mit Bäumen das Mikroklima günstig beeinflussen – und dadurch das Risiko von Frostschäden an Reben – deutlich reduzieren. Zeitgleich werden durch die Spende von Schatten im Sommer auch Schäden durch Sonnenbrand an Trauben oder die Hemmung der Photosynthese durch hohe Beleuchtungsstärken (Photoinhibition) gemindert. Die Übertragung von Pathogenen aus den aufgeforsteten Beständen heraus, insbesondere bei Rosengewächsen der Gattungen Sorbus, Pyrus oder Malus, gilt als mögliche Gefahr für bewirtschaftete Reben. Eine Untersuchung in Kooperation mit der Professur für Forstbotanik der Universität Freiburg verschiedenster tierischer und pilzlicher Schaderreger konnte bisher keine für den Weinbau relevanten Pathogene an den gepflanzten seltenen Laubbaumarten nachweisen.
Wachstum, Qualität und Mortalität
Seit den Aufforstungen im Herbst 2014 wurden auf den Versuchsflächen des Projekts SILVITI wiederholt die Höhen und Wurzelhalsdurchmesser aller gepflanzter Bäume vermessen und ebenso die Mortalität ermittelt. Darüber hinaus wurden im Sommer 2016 die bis dahin aufgetretenen Stamm-, und Kronenschäden dokumentiert und repräsentative Proben histologisch untersucht. Im Frühjahr 2018 erfolgte eine Evaluation der Qualität der Jungbäume. Dabei wurde die Wuchsform in drei Kategorien eingeteilt, wobei "gut" alle Pflanzen mit gerader und wipfelschäftiger Stammform umfasst, "mittel" auch Individuen mit Steilästen und einem bogigen Wuchs einschließt, und die Kategorie "schlecht" Jungbäume mit deutlich qualitätsmindernden Eigenschaften wie Zwieseln, stark gekrümmter Stammform oder buschig aufgelöster Krone beinhaltet. Diese Einteilung soll auch bei sehr jungen Laubbäumen eine erste Abschätzung der zukünftigen Qualitätsentwicklung forstlicher Kulturen ermöglichen. Die beschriebenen Messungen sollen zukünftig periodisch wiederholt werden.
Bis auf den Französischen Ahorn (52 cm) erreichten alle Baumarten vier Jahre nach der Pflanzung mittlere Baumhöhen von mehr als 100 cm, wobei der Wildapfel mit 134 cm das größte durchschnittliche Höhenwachstum erreichte (Abb. 4). Der vergleichsweise langsame Wuchs in der Jugend ist für die ausgewählten Laubbaumarten nicht untypisch und für sehr trockene und warme Südhänge als insgesamt gut einzustufen. Maximale Höhen von 280 cm erreichten eine Elsbeere sowie ein Feldahorn, insgesamt 41 Wildäpfel waren über zwei Meter hoch. Daher kann bereits ein beträchtlicher Teil der gepflanzten Bäume als dauerhaft gesichert bezeichnet werden, da die Triebspitzen nicht mehr vom Rehwild verbissen und die Bäume auch nicht mehr von der Konkurrenzvegetation überwachsen werden können. Dies gilt jedoch nicht für den Französischen Ahorn, bei dem nur sechs Individuen Höhen von über 100 cm erreichten, im Vergleich zu den anderen Arten ist die Wuchsleistung dieser Art sehr schwach.
Insgesamt betrachtet sind die bisher erreichten Qualitäten der Jungbäume als überwiegend gut einzustufen (Abb. 5). Vor allem bei der Mehlbeere (63% gute Wuchsformen) und Elsbeere (62% gute Qualität) ist bei knapp zwei Dritteln der gepflanzten Bäume die Qualität als gut eingestuft worden. Die niedrigsten Qualitäten konnten bei der Wildbirne beobachtet werden, hier zeigen rund 56% der untersuchten Individuen schlechte Wuchsformen. Beim Speierling und den beiden Ahornarten zeigten etwa die Hälfte der untersuchten Pflanzen gute Eigenschaften. Die Wuchsformen der Jungbäume könnten sich durch einen Pflegeschnitt zur Entfernung von Zwieseln und Steilästen weiter erhöhen lassen. Dies wurde auf den Versuchsflächen bisher nicht durchgeführt.
Abb. 4: Mittlere Höhen der untersuchten Baumarten vier Jahre nach der Pflanzung auf den Versuchsflächen Avelsbach und Kesten. Die Fehlerbalken geben die Standardabweichung an. Dargestellt sind Elsbeere (Els, 546 Individuen), Speierling (Spei, 506), Mehlbeere (Mehl, 665), Feldahorn (FAh, 728), Französischer Ahorn (FrAh, 153), Wildapfel (WAp, 600) und Wildbirne (WBi, 581).
Abb. 5: Darstellung der Qualität der untersuchten Baumarten in den Stufen gut (grün), mittel (gelb) und schlecht (rot) vier Jahre nach der Pflanzung. Dargestellt sind Elsbeere (Els, 546 Individuen), Speierling (Spei, 506), Mehlbeere (Mehl, 665), Feldahorn (FAh, 728), Französischer Ahorn (FrAh, 153), Wildapfel (WAp, 600) und Wildbirne (WBi, 581).
Abb. 6: Ausfallraten der untersuchten Baumarten über die ersten vier Jahre nach der Pflanzung. Dargestellt sind Elsbeere (Els), Speierling (Spei), Mehlbeere (Mehl), Feldahorn (FAh), Französischer Ahorn (FrAh), Wildapfel (WAp) und Wildbirne (WBi).
Die auf den beiden Versuchsflächen beobachten Ausfallraten innerhalb von vier Jahren nach der Pflanzung liegen bei den meisten Baumarten zwischen 20% (Wildapfel) und 32% (Speierling), wobei der Französische Ahorn mit 75% Ausfällen negativ heraussticht (Abb. 6). Die Gründe für diesen deutlich unterdurchschnittlichen Anwuchserfolg des Französischen Ahorns liegen einerseits in der geringen Wuchs- und Konkurrenzkraft der Art begründet (Abb. 4), andererseits auch in der Verwendung von sehr kleinen Pflanzen (Höhe zwischen 30 und 50 cm) da bei den Baumschulen keine größeren Sortimente zur Verfügung standen. Ein wichtiges vorläufiges Ergebnis ist, dass bei allen untersuchten Parametern (Größe, Qualität, Mortalität) keine Unterschiede zwischen einzelnen Provenienzen (Herkünften) festgestellt werden konnten. Daher können zum jetzigen Zeitpunkt für weitere Aufforstungen alle hier getesteten Provenienzen in gleicher Weise empfohlen werden. Allerdings konnten an den Pflanzen einiger Baumschulen mitgeführte Pathogene wie beispielsweise Schorf an Speierlingen festgestellt werden. Daher empfiehlt es sich, das Pflanzgut gründlich auf mögliche Pathogene und Schäden zu kontrollieren.
Bisher wurden auf den Versuchsflächen nur sehr extensive Maßnahmen zur Kontrolle der Konkurrenzvegetation durchgeführt. Ebenso fanden nur in einem sehr begrenzten Umfang Nachpflanzungen ausgefallener Individuen statt. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass auch ohne größere Pflegeeingriffe rund drei Viertel aller gepflanzten Bäume die ersten vier Jahre auf den Standorten, die hinsichtlich des Wasserhaushaltes als problematisch eingestuft werden können, überlebt haben.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Abb. 7: Wildapfel auf der Versuchsfläche bei Kesten im ersten Jahr nach der Pflanzung. (Foto: Jörg Kunz).
Die anschließend aufgeführten Empfehlungen für die forstliche Praxis basieren auf den bisherigen Erfahrungen aus den Aufforstungen der vergangenen vier Jahre seit Beginn der Pflanzungen. Dieser Zeitraum ist für eine abschließende Bewertung der Baumarteneignung für die trocken-warmen Standorte ehemaliger Weinberge natürlich zu kurz, allerdings können bereits jetzt erste praktische Hinweise für weitere Pflanzungen mit seltenen Laubbaumarten auf ehemaligen Weinbergflächen gegeben werden.
- Bis auf den Französischen Ahorn zeigen die seltenen Baumarten Elsbeere, Speierling, Mehlbeere, Feldahorn, Wildapfel und Wildbirne Anwuchserfolge, die eine Neubegründung von Wald auf ehemaligen Weinbergflächen mit einmaliger Pflanzung und ohne notwendige Nachbesserungen zulassen, sollten keine extrem ungünstigen Ereignisse wir Dürre oder eine Massenvermehrung von Schädlingen eintreten. Die Wuchsleistungen und Qualitäten der Arten und ihrer Herkünfte sind akzeptabel. Daher können diese Baumarten für weitere Aufforstungen empfohlen werden.
- Da alle hier gepflanzten Baumarten nicht unter das Forstliche Vermehrungsgutgesetz (FoVG) fallen, sind die verwendeten Provenienzen nur auf gutachterlich zugeteilte Herkunftsgebiete bezogen. Eine Qualitätssicherung erfolgt lediglich auf freiwilliger Basis direkt durch die Baumschulen. Daher sollte beim Kauf von Pflanzgut seltener Laubbaumarten auf bewährte Händler, beispielsweise der Erzeugergemeinschaft für Qualitätsforstpflanzen (EZG) zurückgegriffen werden.
- Zum Schutz der seltenen Laubbaumarten vor Wildverbiss ist bei größeren Aufforstungen der Bau eines Zauns, bei kleinräumigen Kulturen eine einzelweise Sicherung der Pflanzen beispielsweise durch Wuchshüllen unabdingbar.
- Eine Kulturpflege der aufgeforsteten Jungbestände zur Reduktion der Konkurrenz durch Begleitvegetation, insbesondere bei aufkommender Brombeere, sollte mindestens für die Dauer der ersten fünf Jahre wenigstens einmal jährlich erfolgen.
- Die vergleichsweise hohen Kosten bei der Aufforstung mit seltenen Laubbaumarten können durch die Anrechnung der Maßnahmen als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen oder die Berechnung von Punkten für ein Ökokonto ausgeglichen werden, und so insbesondere für kommunale Flächenbesitzer interessante finanzielle Anreize für die weitere Aufforstung ehemaliger Weinberge bieten. Passende Ansprechpartner bei Fragen zu Förderungsmöglichkeiten von Aufforstungen vor allem für Privatwaldbesitzer sind hierbei die jeweiligen unteren Forstbehörden.
Ausblick
Die angelegten Versuchs- und Demonstrationsflächen werden weiterhin als anschauliches Beispiel für die Aufforstung von aufgegebenen Weinbergen mit seltenen Baumarten und in diesem Zusammenhang als Ziel von Exkursionen und praktischen Übungen dienen. Damit soll ein möglicher Impuls für weitere Aufforstungen ehemaliger Weinberge mit seltenen Laubbaumarten gegeben werden.
Darüber hinaus liefern die Versuchsflächen wichtige Daten und fungieren als Freilandlabore für die weitere Erforschung von bisher wenig bekannten Baumarten. Die angelegten Kulturen in Avelsbach, Monzel und Kesten zählen zu den größten systematischen Aufforstungen mit Elsbeere, Speierling, Mehlbeere, Feldahorn, Französischem Ahorn, Wildapfel und Wildbirne, in denen auch unterschiedliche Herkünfte getestet werden. In den kommenden Jahren werden diese Versuchsflächen dazu beitragen, unser Wissen über die Konkurrenzkraft, Wuchsdynamik und Mortalität dieser Baumarten deutlich zu erweitern. Letztlich können die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, konkretere und an die einzelnen Baumarten angepasste waldbauliche Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Förderung und Danksagung
Das Projekt SILVITI wurde gefördert durch den Waldklimafonds (Förderkennzeichen Nr. 28WB102301) aus Mitteln des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung sowie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.
Darüber hinaus möchten wir uns bei unseren Partnern bedanken, die durch ihre vielfältige Unterstützung zu einem Gelingen des Projekts SILVITI beitrugen. Konkret bedanken wir uns bei Landesforsten Rheinland-Pfalz, die im Projekt durch die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz (FAWF) und das Forstliche Genressourcenzentrum Rheinland-Pfalz in Trippstadt vertreten waren, ebenso wie durch die Forstämter Trier, Wittlich und Traben-Trarbach sowie die vor Ort beteiligten Forstreviere. Des Weiteren bedanken wir uns beim Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau e.V., dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel, sowie dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Department Biozönoseforschung in Halle (Saale).