Gefährdungen – Bekanntes und Neues

Zu den abiotischen Faktoren zählen Dürre, Hitze, Spätfrost, Frosttrocknis, Sturm, Staunässe oder Hagel. Mit der Zunahme von Witterungsextremen im Klimawandel wächst die Bedeutung dieser Gefährdungsursachen in besonderem Maße (Wohlgemuth et al. 2019). Das trifft für die Wälder in Brandenburg insbesondere auf Dürre und Spätfrost zu. 

Bei den biotischen Faktoren ist die Vielfalt der – häufig baumartenspezifischen –Einflussgrößen immens. Dazu kommen Arten, die zwar bekannt sind – als forstlich unbedeutend, oft sogar als selten gelten oder unter besonderem Schutz stehen – aber unerwartet auffällig werden. Ein Beispiel ist der Eichenspinner (Synonym Quittenvogel, Lasiocampa quercus). Die Schmetterlingsart gilt als selten. Die Raupen verursachten überraschend im Sommer 2021 in der Nähe von Beeskow intensive Blatt- und Nadelverluste auf circa 500 ha. 

Immer spürbarer werden indirekte Auswirkungen des Klimawandels. Das betrifft nicht nur Veränderungen der Populationsdynamik von Insekten, der Verbreitungsareale der Arten, der Pathogenität von Schaderregern oder auch der Rolle einzelner Faktoren bei komplexen Schadereignissen. Das steigende Ausmaß komplexer Schäden wird in den vergangenen Jahren bei allen Hauptbaumarten immer auffälliger.

 

Gefährdungen – Verdrängtes?

Der Waldumbau ist “in aller Munde” als unverzichtbarer Weg der Schaffung möglichst resilenter und damit auch klimastabiler Wälder. Bekannte Grenzen und zu erwartende Rückschläge bei dieser “Jahrhundertaufgabe” spielen aber in politischen Statements, Aufrufen von NGO’s und sogar manchmal im forstfachlichen Austausch kaum eine Rolle. Leider erfolgt außerhalb wissenschaftlicher Bewertungen häufig keine realistische Beurteilung des Umsetzungszeitraumes, der Verfügbarkeit von Pflanzen beziehungsweise Saat oder der nötigen Arbeitskräfte und speziell der Herausforderungen beim Waldschutz. Dass sich alle Akteure einen herausfordernden Wettlauf mit klimawandelbedingten Veränderungen liefern müssen, findet selten Erwähnung.

Dabei beeinflussen Dürreperioden bereits seit Jahren zunehmend den Erfolg von Waldumbaumaßnahmen. Unsicherheiten in Bezug auf die Klimaszenarien und damit auch die zukünftige Baumartenwahl erhöhen die Unsicherheit bei Entscheidungsprozessen in der Praxis. Die Vielfalt der auf junge Bäume wirkenden abiotischen und biotischen Stressfaktoren ist immens. Mit der Zunahme von Witterungsextremen muss zukünftig häufiger mit komplexen Schäden und auch sich über Jahre hinziehenden Störungskaskaden gerechnet werden. 

Wir müssen deshalb dringend, nicht nur über Waldumbau, sondern mindestens genauso intensiv über Walderhalt reden. Das betrifft in Brandenburg hunderttausende Hektar Kieferforsten. Deren Altholzschirm spielt eine wesentliche Rolle für Verjüngung und Waldumbau. Dabei kommt auch der Kiefernnaturverjüngung als ein Strukturelement im Altersklassenwald Bedeutung zu.  

Bei jeder Massenvermehrung nadelfressender Insekten fällt nach Kahlfraß der Kronen auch die Verjüngung den Raupen zum Opfer. Die polyphage Nonne (sie besitzt ein breites Nahrungsspektrum) verschont dann auch Laubbäume nicht.

Sonderfall Störungen

Erfolgt die Prognose von Kahlfraßereignissen muss bei Entscheidungen über Waldschutzmaßnahmen immer einkalkuliert werden, dass ein Verlust des Kiefernschirms Konsequenzen für die folgende Verjüngung auf den Störungsflächen hat.  Das trifft sowohl bei einem Totalverlust des Bestandes als auch bei einer Verlichtung durch Fraßschäden zu. Die Abnahme des Kronenschlussgrades und damit die schützende Wirkung der Altkiefern hinsichtlich Frost, Hitze und Wind nimmt sehr deutlich ab (Kallweit & Mayer 2008). Bei vielen Umbaumaßnahmen wird mit einem lichten Kiefernschirm dieser Schutzmechanismus anteilig genutzt.

Gerade Waldbrandflächen sind eine spezielle Herausforderung hinsichtlich der Wiederbewaldung (Dalitz 2020). Insbesondere große, von Vollbränden betroffene Flächen weisen über Jahre extreme abiotische Bedingungen auf. Aus Waldschutzsicht gibt es auch einige Spezialisten unter den Pilzen und Insekten, die von Waldbränden profitieren.

Störungen werden im Hinblick auf die Biodiversität immer noch fast ausschließlich positiv bewertet. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und insbesondere im Hinblick auf Waldarten muss diese Einschätzung hinterfragt werden. Dazu gibt es im Lehrbuch “Störungsökologie” (Wohlgemuth et al. 2019, S. 369) eine entsprechende Aussage: “Eine breit abgestützte Analyse für Wälder der gemäßigten und borealen Zone, welche sich auf 478 wissenschaftliche Veröffentlichungen zu Störungseffekten auf Ökosystemleistungen bezieht (Thom & Seidl 2016), kommt zu dem Schluss, dass Störungen einen überwiegend negativen Effekt auf die Ökosystemleistungen des Waldes haben”.

Gefährdungen – Einschleppung, Etablierung neuer Schaderreger

Die Gefährdung durch eingeschleppte und potenziell neue Schaderreger als Folge von globalem Handel, Verkehr und Tourismus ist sehr hoch. Auch dazu gibt es Informationen im Waldschutzordner. Deren Ziel sollte vorwiegend die Warnung und Anleitung für ein Monitoring sein, da nur bei rechtzeitiger Entdeckung eine Eindämmung und Ausrottung überhaupt möglich ist. Die Realität ist aber leider häufiger, dass im Waldschutzordner über die Etablierung informiert wird. 

Offen ist, wie intensiv sich eine Ausweitung des Anbauareals der einzelnen, insbesondere neu in den Fokus rückender Baumarten auswirkt. Jede neue Baumart birgt neue Gefährdungen, aber erhöht andererseits auch die Vielfalt ökologischer Nischen, kann so auch das Risiko streuen oder sogar minimieren. 

Waldschutzrisikomanagement – Herausforderungen

Vor dem Hintergrund der zunehmend komplexer werdenden Gefährdung der Wälder sind und bleiben die Informationen aus der Praxis, aus Forstämtern und Forstbetrieben unverzichtbar, nicht nur für das Waldschutzteam am Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde (LFE). Das betrifft die Dateneingaben der Forstpraxis im monatlichen Waldschutzmeldedienst und in den WebOffice-Bausteinen “Waldschutz”, die unter anderem die Qualität unserer “Aktuellen Waldschutzinformation” bestimmen. Wenn unser Angebot, schwierige Diagnosen zu übernehmen, intensiv genutzt wird, erfahren wir mehr und schneller Details zum Geschehen auf der Fläche. Genauso sind gemeinsame Vor-Ort-Beratungen ein Gewinn für beide Seiten.

Unbedingt intensiviert werden muss die Praxisforschung für Waldschutzthemen. Dass wir das im Fokus haben, belegt das Teilprojekt Risikomanagement im für zwei Jahre geplanten Projekt des Landesbetriebes Forst Brandenburg (LFB) “Waldentwicklungstypen”. Die Inhalte der Aufgabenbeschreibung und erste Ergebnisse spiegeln die Vielfalt der Problematik wider. Ziel ist die Ermittlung und Bewertung möglichst aller potenzieller Gefährdungen für das zu betrachtende zukünftige Baumartenspektrum. Aufgrund der hohen Dynamik der Prozesse (Faktorenkomplexe und Klimawandelszenarien) müssen die Einschätzungen in Zukunft stetig evaluiert werden. Wir benötigen außerdem mehr Wissen zu außerhalb von Brandenburg oder Deutschland bekannten Waldschutzverfahren, betreffend Prophylaxe, Monitoring und Gegenmaßnahmen. Ein Schwerpunkt bleibt die Frage des “ultima ratio” im Waldschutzrisikomanagement, also der Rahmenbedingungen für Notfallentscheidungen im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes. Das betrifft nicht nur die Praktikabilität der Umsetzung hinsichtlich der Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln, der Anwendungsbestimmungen und der Genehmigungsverfahren.

Fazit

Ein stetig anzupassendes Waldschutzmonitoring ist im Hinblick auf den erfolgreichen Walderhalt, -umbau und die Walderneuerung alternativlos. Die Zahl der Forstpraktiker auf der Fläche sowie der Umfang der Praxisforschung werden im Land Brandenburg aus Waldschutzsicht aktuell den enormen Herausforderungen kaum gerecht. Das trifft im Besonderen auf die Forschung zu alternativen Verfahren im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes zu. Bundesweit wird die Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln und auf Ebene des Landes Brandenburg die Genehmigungspraxis für einen Einsatz im Notfall kritisch bewertet. 

Wissenszuwachs und Handlungsoptionen im Waldschutz-Risikomanagement sind auch mitentscheidend, ob Waldverjüngung erfolgreich gelingt. Vor dem Hintergrund des Klimawandels wird nur eine pragmatische und zukunftsorientierte Bewertung der Waldschutzsituation und der Optionen des Waldschutzrisikomanagements der “Jahrhundertaufgabe Waldumbau” gerecht.

Eberswalder Waldkolloquium

Hier finden Sie die Vortragsfolien des Eberswalder Waldkolloquiums 2024 “Wege zur Waldverjüngung und Wiederbewaldung”.

Weitere Informationen

Der “Waldschutzordner” bietet Fachwissen speziell für die Forstpraxis in Brandenburg.

Zu den aktuellen Waldschutzinformationen in Brandenburg.

Umfangreiche Fakten zu möglichen Konsequenzanalysen von Pflanzenschutzmitteleinsätzen bzw. Kahlfraßereignissen gibt es seit 2023 im Webtool "Waldschutz– Adaptives Risikomanagement in Eichen- und Kiefernwäldern“ auf www.artemis-waldschutz.de