Für die vorliegende Studie sollte das Holz- und Biomassenpotenzial bis zum Jahr 2020 unter Annahme unterschiedlicher Nutzungsstrategien und Wuchsverhältnisse (wie Klimawandel) sowie unter verschiedenen ökonomischen wie ökologischen Einschränkungen abgeschätzt werden. Dafür wurde zuerst für den Zeitraum von 2000-2020 ein "theoretisches" Nutzungspotenzial hergeleitet.
Darunter ist jene Nutzungsmenge zu verstehen, die sich aufgrund waldbaulicher und/oder ertragskundlicher Rahmenbedingungen ergibt. Dieses theoretische Potenzial verringert sich aufgrund standörtlicher und bringungstechnischer Einschränkungen auf ein ökologisch vertretbares und ökonomisch sinnvolles Nutzungspotenzial. Darüber hinaus fließen auch verschiedene Aspekte des Naturschutzes ein.
Das Waldwachstumsmodell
Für die Prognose des Waldwachstums kam das einzelbaumbasierte Waldwachstumsmodell PROGNAUS zum Einsatz. Das Kernstück von PROGNAUS besteht aus baumarten- und standortsspezifischen Funktionen, mit deren Hilfe der BHD- und Höhenzuwachs sowie die natürliche Mortalität geschätzt werden können. Darüber hinaus ist es möglich, mit dem Modell die Stammzahl und Baumartenverteilung der sich verjüngenden Bäume zu bestimmen.
Seit seiner Entwicklung Mitte der 1990er Jahre wurde das Waldwachstumsmodell mehrmals verbessert und ergänzt, sodass auch Holzgüteklassen und Stammschäden prognostiziert werden können. Weiters wurden Biomassefunktionen in das Waldwachstumsmodell eingebaut, die zur Abschätzung der Trockenmasse von Ästen und Nadeln einzelner Bäume verwendet werden. Mit Ausnahme dieser Biomassefunktionen wurden alle Teilmodelle auf der Datengrundlage der Österreichischen Waldinventur (ÖWI) entwickelt.
Datengrundlage
Als Ausgangssituation dienten die Daten der ÖWI aus der Erhebungsperiode 2000/02. Diese Aufnahmen werden auf Probeflächen durchgeführt, die systematisch im gesamten Bundesgebiet verteilt sind. Die Repräsentativität ermöglicht zuverlässige Aussagen für ganz Österreich. Die Stichprobenbäume werden mit einem kombinierten Verfahren ausgewählt, bei dem Bäume ab einem BHD von 10,5 cm mittels Winkelzählprobe (Zählfaktor k = 4 m²/ha) und Bäume mit einem BHD von 5,0-10,5 cm auf einem fixen Probekreis mit Radius r = 2,60 m erhoben werden. Bäume unter 5,0 cm BHD werden nicht erfasst.
Von jedem Stichprobenbaum werden BHD und Höhe gemessen sowie Baumart und Schadmerkmale (Schäden aufgrund von Holzernte, Schälung oder Steinschlag) angesprochen. Diese baumindividuellen Daten sind eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung von PROGNAUS.
Darüber hinaus sind von den ÖWI-Probeflächen für die Wachstumsprognose erforderliche Standortsmerkmale wie Wuchsraum, Seehöhe, Neigung, Exposition, Relief, Bodentyp, Humusmächtigkeit und Wasserhaushalt bekannt. Insgesamt standen für die Studie Messungen von 78.983 Stichprobenbäumen auf 11.518 Probeflächen zur Verfügung.
Die Nutzungs- und Klimaszenarien
Die modellmäßige Entscheidung, wann ein Bestand oder Einzelbaum regulär genutzt wird, war ein zentrales Element der Wachstumsprognose. Bei allen Szenarien wurden die Nutzungseingriffe zu Beginn des jeweiligen Prognoseabschnitts in zwei Schritten festgelegt: Zunächst wurde auf jeder Probefläche mit Hilfe eines waldbaulichen Modells überprüft, ob aufgrund der Bestandessituation ein Eingriff aus waldbaulicher Sicht erfolgen sollte und um welche Art des Eingriffs (Stammzahlreduktion, Auslesedurchforstung, Niederdurchforstung, Kahlhieb, Verjüngungshieb oder Einzelstammentnahme) es sich dabei handelte.
Im zweiten Schritt wurde dann die Dringlichkeit des Eingriffs bestimmt. Für die Endnutzungsflächen geschah das durch die Reihung der Probeflächen nach dem modellmäßig abgeschätzten Wertzuwachs. Vornutzungsflächen wurden hingegen nach der Bestandesdichte gereiht und die Eingriffe auf den dichtesten Probeflächen zuerst umgesetzt. Alle potenziellen Nutzungseingriffe wurden somit für jeden einzelnen Bestand (jede einzelne ÖWI-Probefläche) auf waldbaulich-ertragskundlicher Grundlage geplant. Dadurch war gewährleistet, dass allfällige Nutzungen einerseits auf den Probeflächen mit den niedrigsten Wertzuwächsen bzw. höchsten Bestandesdichten oberste Priorität hatten und andererseits auf jeder Probefläche die Eingriffe nach genau definierten waldbaulichen Gesichtspunkten erfolgten.
Für die Simulation eines Nutzungsszenarios wurde zunächst eine vorläufige Anzahl an End- und Vornutzungsflächen festgelegt, auf denen die zuvor als möglich oder notwendig eingestuften Nutzungseingriffe während des zwanzigjährigen Prognoselaufes tatsächlich umgesetzt wurden. Am Ende des Prognosezeitraums wurden die Ergebnisse überprüft, inwieweit die Vorgaben des jeweiligen Nutzungsszenarios erreicht wurden, gegebenenfalls wurde der Prognoselauf mit einer veränderten Anzahl an End- und Vornutzungsflächen wiederholt.
Vier Szenarien durchgerechnet
Beim Szenario Konstanter Vorrat (KV) wurde auf allen Vornutzungsflächen genutzt, auf denen zu Beginn des Prognosezeitraums Durchforstungsnotwendigkeit bestand. Danach wurde die Anzahl der Endnutzungsflächen festgelegt unter der Vorgabe, dass der Vorrat der Periode 2000/02 von 325 VfmSiR/ha über den gesamten Prognosezeitraum konstant blieb.
Im Waldbauszenario (WB) wurde die Endnutzung auf den Probeflächen mit negativem Wertzuwachs durchgeführt und die Vornutzung verstärkt: Nicht nur der zu Beginn des Prognosezeitraums festgestellte, sondern auch der sich im Zuge der Prognose neu ergebende Durchforstungsbedarf wurde einbezogen. Zusätzlich wurden die Eingriffe durch Stammzahlreduktionen im BHD-Bereich von 5 -10 cm ergänzt. Eine mögliche Vorratsabsenkung wurde dabei in Kauf genommen.
Etwas anders waren die Vorgaben für das Szenario Vorratsadaption (VA), bei dem der Vorrat gezielt abgesenkt werden sollte. Erreicht wurde diese Vorratsabsenkung durch eine Steigerung der Zahl der Endnutzungsflächen gegenüber dem WB-Szenario.
Im Climate Change-Szenario (CC) sollte die Auswirkung einer möglichen, klimabedingten Zuwachsveränderung auf die Nutzungsmenge eines bereits bekannten Nutzungsszenarios abgeschätzt werden. Als Vergleichsszenario diente das KV-Szenario: Durch Steuerung der Endnutzung wurde der Vorrat über den gesamten Prognosezeitraum auf 325 VfmSiR/ha konstant gehalten. Veränderte Wuchsverhältnisse aufgrund einer möglichen Erwärmung wurden für den Seehöhenbereich über 600 m durch eine generelle Reduktion der Seehöhe um 200 m angenommen, was einer Erwärmung von etwa 1°Celsius innerhalb von zwanzig Jahren entspricht. Unter 600 m Seehöhe wurde diese Reduktion entsprechend linear auf Null eingeschliffen. Der Anfall von Kalamitätsholz (Zufallsnutzungen) wurde mit einem Modell aus der letzten Holzaufkommensstudie berechnet, in dem die Auswirkungen veränderter Klimabedingungen keine Berücksichtigung fanden. Die Menge von neu hinzukommendem Totholz wurde mit Hilfe des in PROGNAUS implementierten Mortalitätsmodells geschätzt.
Praktische Umsetzung eines Prognoselaufes
Da es sich bei den Ergebnissen der Zuwachsfunktionen von PROGNAUS um fünfjährige Zuwächse handelt, wurde die gesamte Prognose in vier Fünf-Jahresschritten durchgeführt. Am Beginn eines jeden Prognoselaufes wurden 78.983 Datenzeilen in das Simulationsprogramm eingelesen. Jede Datenzeile repräsentierte genau einen Stichprobenbaum der ÖWI und enthielt neben Baumart, BHD und Höhe auch die im Wald angesprochenen Schadmerkmale sowie die probeflächenspezifischen Standortsmerkmale.
Auf Basis der von einem Stichprobenbaum repräsentierten Stammzahl je Hektar wurden die Bestandesmerkmale wie Hektarvorrat, Grundfläche, Wertzuwachs, Bestandesdichte und Konkurrenzfaktoren berechnet. Im Anschluss daran erfolgte die Auszeige mit Hilfe des waldbaulichen Modells unter Beachtung des Wertzuwachses und der Bestandesdichte. Sollte ein bestimmter Stichprobenbaum im Laufe der Prognose genutzt werden, so wurde der Zeitpunkt des Ausscheidens in seiner Datenzeile vermerkt.
Am Beginn jeder Fünf-Jahresperiode wurden dann die zur Nutzung vorgesehenen Stichprobenbäume aus dem Datensatz entfernt und in einer separaten Tabelle abgespeichert. Danach wurden die Konkurrenzfaktoren aktualisiert und mit Hilfe der Mortalitäts- und Zufallsnutzungsmodelle wurde ermittelt, welche Bäume darüber hinaus aus dem Datensatz zu entfernen waren. Die Daten dieser Bäume wurden ebenfalls gespeichert. Danach wurden die Konkurrenzfaktoren abermals aktualisiert, für jeden verbliebenen Stichprobenbaum BHD- und Höhenzuwachs berechnet und zu den Ausgangswerten addiert.
Anschließend wurde mit dem Einwuchsmodell bestimmt, wie viele Bäume auf einer Probefläche neu hinzukommen. Für jeden neuen Baum wurde dann eine eigene Datenzeile mit allen Informationen zu den übrigen Datensätzen hinzugefügt. Am Ende einer Zuwachsperiode wurden alle Bestandes- und Konkurrenzmerkmale aktualisiert, sodass mit den Berechnungen für die Folgeperiode begonnen werden konnte.
Ergebnisse
Das „theoretische“ Nutzungspotenzial aus dem österreichischen Ertragswald ohne Berücksichtigung der ökonomischen und ökologischen Einschränkungen variiert je nach Szenario und Periode zwischen 27,6 und 35,4 Mio. VfmSiR (Abbildung 1). Die höchsten Nutzungsmengen ergeben sich erwartungsgemäß beim Vorratsabbauszenario (VA), gefolgt vom Waldbauszenario (WB). Das Climate Change-Szenario (CC) hat einen etwas höheren Zuwachs und damit höhere Nutzungsmengen als das Szenario "Konstanter Vorrat" (KV).
Abbildung 1: "Theoretisches" jährliches Nutzungspotenzial im Ertragswald (Summe aus regulären und zufälligen Nutzungen jedoch ohne Ast- und Nadelbiomasse) für verschiedene Nutzungs- und Klimaszenarien
Der Vornutzungsanteil ist beim WB-Szenario am höchsten, gefolgt vom VA-Szenario. Am niedrigsten ist der Vornutzungsanteil beim KV- und CC-Szenario. Während der Vornutzungsanteil bei den beiden ersten Szenarien eine nahezu gleich bleibende Tendenz aufweist, ist bei den letztgenannten Szenarien ein gewisser Abwärtstrend des Vornutzungsanteils erkennbar (Abbildung 2).
Abbildung 2: Entwicklung des Vornutzungsanteils für verschiedene Nutzungs- und Klimaszenarien
Die verstärkten Vornutzungen beim WB-Szenario führen zu einer Abnahme des Vorrates, der aber mit 297 VfmSiR/ha am Ende des Prognosezeitraums noch deutlich über den 280 VfmSiR/ha des VA-Szenarios liegt (Abbildung 3).
Abbildung 3: Entwicklung des Hektarvorrats für verschiedene Nutzungs- und Klimaszenarien