Sowohl für die stoffliche als auch die energetische Holzverwendung wird künftig trotz der derzeit ungünstigen Marktlage ein erheblicher Mehrbedarf bestehen:
- Die Österreichische Energieagentur gibt in einer Studie den energetischen Mehrbedarf, bezogen auf das Jahr 2005, mit bis zu 5,2 Millionen Erntefestmetern bis zum Jahr 2010 an und bis zu 10,9 Millionen Erntefestmetern bis 2020.
- Univ.-Prof. Peter Schwarzbauer von der Universität für Bodenkultur prognostiziert den stofflichen Mehrbedarf in einer Studie mit (bis zu) 1,7 Millionen Erntefestmetern für 2010 und (bis zu) 6,9 Millionen Erntefestmetern für 2020.
Die Bandbreite des gesamten Mehrbedarfs bis 2020 wird in den genannten Studien von 7 - 17 Millionen Erntefestmetern gegenüber dem Referenzjahr 2005 angegeben. Zur Abdeckung des Bedarfs wäre ein Gesamteinschlag von 26 bis 36 Millionen Festmetern erforderlich. Verglichen mit der Nutzungsmenge im Jahr 2007 (höchster bisher gemessener Einschlag), bedeutet dies ein jährliches Mehrerfordernis von zumindest 4,5 Millionen Erntefestmetern ab 2020.
Die Ergebnisse der letzten Waldinventuren weisen eine durchschnittliche Nutzung der Zuwachsmenge von 60% aus: Die größeren Privatforstbetriebe und die Österreichische Bundesforste AG nutzen den Hiebsatz zu mehr als vier Fünftel. Der Kleinwald jedoch schlägt weniger als die Hälfte der Zuwachsmenge ein.
Das größte Zusatzpotenzial befindet sich daher in dieser Kategorie. Bemühungen, kontinuierlich mehr Holz auf den Markt zu bekommen, stoßen beim Kleinwald – unter anderem – auf folgende Probleme: unzureichende Infrastruktur, vorherrschende Mentalität (Wald als "Sparkasse") und stärkere Preiselastizität als in den anderen Besitzkategorien. Letztgenannter Punkt war beispielweise bei "guten" Holzpreisen 2006 / 2007 deutlich erkennbar und ist gleichzeitig eine Chance für eine Mobilisierung.
Ergebnisse
Ziel der Studie war es, in einer bundesweiten Gesamtbeurteilung die im österreichischen Wald verfügbare oberirdische Holz- und Biomasse, ihre Veränderung und die nachhaltig nutzbaren Mengen in den nächsten Jahren bis 2020 unter Zugrundelegung verschiedener Szenarien abzuschätzen.
Dazu wurden die Potenziale für jeweils fünf Preis- und vier Nutzungsszenarien errechnet:
- Das theoretische Potenzial beschreibt den Zuwachs im Ertragswald und die unter Berücksichtigung des Forstgesetzes mögliche Nutzungsmenge.
- Im ökologisch-ökonomischen Potenzial werden weitere Einschränkungen berücksichtigt: im Bereich "Ökologie" die kurz- und langfristige Nährstoffnachhaltigkeit, im Bereich "Ökonomie" ausschließlich Nutzungen, die einen positiven Deckungsbeitrag I ergeben.
- Das aufgrund naturschutzrechtlicher Vorgaben und naturschutzfachlicher Gesichtspunkte mögliche Potenzial wurde im naturschutzbedingten Potenzial errechnet. Dabei wurden zunächst naturschutzrechtliche Nutzungsausschlussgebiete sowie die Umsetzung von Natura 2000 in den diesbezüglichen Schutzgebieten berücksichtigt.
Schließlich werden vier Nutzungsszenarien untersucht. Im Szenario "Konstanter Vorrat" (KV) werden Nutzungen in einem derartigen Umfang unterstellt, sodass der Gesamtvorrat von 325 VfmSiR pro Hektar (Gesamtvorrat der letzten Waldinventur 2000/02) gleich bleibt. Der Klimawandel wird im Szenario "Climate Change" (CC) durch Hinaufsetzen der Waldgrenze um 200 Meter modelliert. Das Szenario "Waldbau" (WB) unterstellt intensivere Eingriffe in der Vornutzung, zusätzliche Stammzahlreduktionen im Bereich BHD 5 – 10 cm und die Nutzung aller Bestände mit negativem Wertzuwachs. Ein Absenken des Gesamtvorrates auf den Wert der Waldinventur 1981/85 (280 VfmSiR pro Hektar) wird dem Modell "Vorratsadaption" (VA) zugrunde gelegt.
Forstpolitische Konsequenzen
Die Szenarien "Konstanter Vorrat", "Climate Change" und "Waldbau" sind unter Berücksichtigung der forstgesetzlichen Bestimmungen fachlich und forstpolitisch gut argumentierbar. Hingegen erscheint das Szenario "Vorratsadaption" gesellschafts-, umwelt- und forstpolitisch zumindest diskussionswürdig, insbesondere auch deshalb, da der angepeilte Vorrat aus verschiedenen Gründen nicht erreichbar ist, sondern höher liegen wird. Bei erstgenannten Szenarien zeigt sich, dass naturschutzrechtliche Bestimmungen und insbesondere eine offensive Interpretation von Natura 2000 das Ziel eines Mindesteinschlags von 26 Millionen Erntefestmetern zumindest beim Szenarium "Konstanter Vorrat" bereits verhindern. Dazu müsste zumindest die Nutzungsstärke "Climate Change" oder "Waldbau" des Preisszenariums 2 bzw. 3 angestrebt werden. Einer umfassenden Diskussion bedarf es damit auch zwischen Natur- und Umweltschutz.
Weitere Forderungen des Naturschutzes, die sich in einer Absenkung des Einschlages in den jeweiligen Nutzungsmodellen auswirken, werden dem Österreich vorgegebenen Ziel, 34% des Energiebedarfes durch nachwachsende Rohstoffe zu decken bzw. vermehrt auf ökologische Baustoffe zu setzten, jedenfalls zuwider laufen.
Prognosen für fünf Preisszenarien, bezogen auf das Leitsortiment Fichte B 2b | ||
Preisszenario | Preis (in Euro) | Anmerkung |
1 | 71 | Preis-Mittelwert des Leitsortiments in den Jahren 2004 - 2006 |
2 | 81 | Preisniveau Ende 2006 |
3 | 100 | Annahme über langfristiges Preisniveau |
4 | 162 | untere Bandbreite des Ölpreises in den Jahren 1985 bis 2005 |
5 | 243 | obere Bandbreite des Ölpreises in den Jahren 1985 bis 2005 |
Hinsichtlich der Preisszenarien ist festzuhalten, dass diese als Durchschnittpreise über längere Zeiträume zu verstehen sind. Nutzungsrückgänge infolge von Preisrückgängen müssen in Perioden mit Preisen über dem jeweiligen Preisszenario kompensiert werden. Reaktionen im Einschlagsverhalten bei Preisänderungen sind im Kleinwald in beide Richtungen besonders ausgeprägt. Gleichzeitig ist in dieser Besitzkategorie das überwiegende Mehrpotenzial vorhanden.
Fortschritte im Bereich des Klimaschutzes sind nur dann erreichbar, wenn Holz verstärkt energetisch und stofflich eingesetzt wird. Verhindert eine überschießende Naturschutzumsetzung die dazu notwendige Abschöpfung zusätzlicher Holzmengen, werden gleichzeitig Klimaschutzziele untergraben.
Ergebnisse für Preisszenarien und verschiedene Potenziale in Mio. Festmeter-Äquivalente | ||||
KV | CC | WB | VA | |
Preisszenario 1 | ||||
Theoretisches Potenzial 1 | 32,7 | 34,0 | 35,7 | 38,4 |
Ökologisch-ökonomisches Potenzial 2 | 24,6 | 25,6 | 25,7 | 28,1 |
Naturschutzbedingtes Potenzial 2 | 23,9 | 25,1 | 25,0 | 27,4 |
Preisszenario 2 | ||||
Theoretisches Potenzial 1 | 32,7 | 34,0 | 35,7 | 38,4 |
Ökologisch-ökonomisches Potenzial 2 | 25,6 | 26,6 | 26,9 | 29,3 |
Naturschutzbedingtes Potenzial 2 | 24,9 | 26,1 | 26,2 | 28,5 |
Preisszenario 3 | ||||
Theoretisches Potenzial 1 | 32,7 | 34,0 | 35,7 | 38,4 |
Ökologisch-ökonomisches Potenzial 2 | 26,4 | 27,4 | 27,9 | 30,3 |
Naturschutzbedingtes Potenzial 2 | 25,7 | 27,0 | 27,2 | 29,5 |
Preisszenario 4 | ||||
Theoretisches Potenzial 1 | 32,7 | 34,0 | 35,7 | 38,4 |
Ökologisch-ökonomisches Potenzial 2 | 27,4 | 28,5 | 29,1 | 31,5 |
Naturschutzbedingtes Potenzial 2 | 26,7 | 28,0 | 28,4 | 30,7 |
Preisszenario 5 | ||||
Theoretisches Potenzial 1 | 32,7 | 34,0 | 35,7 | 38,4 |
Ökologisch-ökonomisches Potenzial 2 | 27,7 | 28,8 | 29,6 | 31,9 |
Naturschutzbedingtes Potenzial 2 | 27,0 | 28,3 | 28,8 | 31,1 |
Erklärung: 1 ... Vorratsfestmeter-Äquivalente, 2 ... Erntefestmeter-Äquivalente in Rinde
Schlussfolgerungen
Die Studienergebnisse machen deutlich, dass die Mindestzielsetzung eines Einschlages von 26 Millionen Erntefestmetern erst ab einem Eingriffsszenario "Climate Change" bzw. "Waldbau" in Kombination mit einem Preisszenarium 2 (81 Euro) erreichbar ist. Im Szenarium "Konstanter Vorrat" wird diese Zielsetzung erst im Preisszenarium 3 (100 Euro) knapp umsetzbar.
Naturschutzbedingte Vorgaben reduzieren deutlich das Nutzungspotenzial. Vorgaben in NATURA 2000-Flächen sind jedenfalls hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Einschlagshöhe zu prüfen. Offensichtlich wird jedenfalls, dass eine intensive Auseinandersetzung zwischen den Zielsetzungen des Natur- und Umwelt-/ Klimaschutzes erforderlich ist.
Unabhängig davon, welches Szenario verwirklichbar erscheint, steht jedenfalls fest, dass eine weitere Steigerung des Holzaufkommens erforderlich ist. Ein umfassendes Holzflussmanagement bildet die Voraussetzung zu dessen Realisierung.
Bausteine eines umfassenden Holzflussmanagements sind unter anderem eine bessere Abstimmung des Verhaltens aller Marktpartner, die Bildung eines gesamteuropäischen Forst-Holzclusters, Motivation aller Beteiligten sowie begleitende Maßnahmen. Diese umfassen beispielsweise die Forcierung von Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette, Setzen vertrauensbildender Maßnahmen, weitere Grundlagenforschung sowie eine gezielte Reduzierung von Defiziten im bestehenden Holzflussmanagement.
Die gesamte Branche steht vor enormen Herausforderungen, gleichzeitig aber auch vor großen Chancen. Diese können nur gemeinsam bewältigt und genützt werden!
Kontakt
- Gerhard Mannsberger,
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Forstsektion, Marxergasse 2, 1030 Wien, Österreich