Der Sturm "Vivian" hat im Februar 1990 vor allem Gebirgswälder betroffen, viele davon waren Schutzwälder. Da Lawinenanrisse und Steinschlag stark von der Oberflächenrauhigkeit beeinflusst werden, erschien nach "Vivian" die Annahme plausibel, dass liegen gelassenes Holz auf ungeräumten Windwurfflächen Lawinenanrisse und Steinschlag besser verhindert als die spärlichen Holzreste auf einer geräumten Fläche. Die vielen Strukturen aus Holz erhöhen nämlich die Oberflächenrauhigkeit stark: Je dichter und höher der Verhau aus lebenden Bäumen, Totholzständern, Baumstümpfen, Wurzeltellern und liegenden Stämmen ist, desto wirksamer dämpft oder verhindert er Steinschlag und Lawinen (Abb. 1).
Zusammenfassung der Resultate
Die Eidg. Forschungsanstalt WSL hat in Zusammenarbeit mit den kantonalen Forstdiensten mehrere Windwurfflächen im Gebirge als Forschungs- und Demonstrationsflächen gesichert. Darauf wurden verschiedene Räumungs- und Wiederbewaldungsvarianten eingerichtet (geräumt, ungeräumt, bepflanzt, unbepflanzt; Abb. 2).
Seitdem haben mehrere Forscherteams den Zustand und die Entwicklung von Vegetation, Boden, Wiederbewaldung, Wild, Insekten, Biodiversität, Pilzen und Mykorrhiza untersucht. Im Rahmen einer Diplomarbeit haben wir in dem ungeräumten Teil aus Luftbildern der Jahre 1991 und 2001 die Strukturelemente fotogrammetrisch erfasst, ihre Dichte und Höhe über der Bodenoberfläche berechnet und mit jenen in den Anforderungsprofilen zur Verhinderung von Lawinenanriss und Steinschlag verglichen, wie sie in der Wegleitung NaiS "Nachhaltigkeit im Schutzwald und Erfolgskontrolle" zusammengestellt sind. Wir haben die folgenden Szenarien untersucht:
- unbestockter Hang
- ursprünglicher Wald
- ungeräumte Windwurffläche
- geräumte Windwurffläche
Abb. 2 - Versuchsfläche Disentis am 04.03.1994: In der Bildmitte ist die ungeräumte Behandlungsvariante mit einer Fläche von 2,49 ha zu erkennen. Dort wurden die Baumstämme liegen gelassen.Foto: W. Frey
Zusammenfassung der Resultate
- Wird ein funktionsfähiger Schutzwald durch einen Sturm geworfen, geht die Schutzwirkung gegen Lawinenanrisse und Steinschlag vorerst nicht verloren, sondern verbessert sogar noch, da auf einer ungeräumten Fläche die zahlreichen Oberflächenstrukturen aus Holz verdämmend wirken.
- Wird eine Windwurffläche geräumt, verringert sich die Schutzwirkung markant.
- Die Schutzwirkung einer Windwurffläche (geräumt oder ungeräumt) nimmt im Gegensatz zum intakten Wald im Lauf der ersten Jahrzehnte kontinuierlich ab. Obwohl über das Tempo des Zerfallsprozesses auf Windwurfflächen im Gebirge noch wenig bekannt ist, kann man davon ausgehen, dass das zerfallende Holz für einige Jahrzehnte einen ähnlichen Schutz bietet wie der Wald.
- Nach 30 bis 50 Jahren dürfte der abnehmende Schutz durch das Holz zunehmend durch die Verjüngung des aufkommenden Waldes übernommen werden. In hohen Lagen dauert die Wiederbewaldung aber lange. Es besteht dort die Gefahr, dass in ungünstigen Fällen etwa 20 bis 50 Jahre nach dem Sturm eine Periode ohne genügenden Schutz entsteht.
- An hoch gelegenen Standorten mit Verjüngungsschwierigkeiten lässt sich die Wiederbewaldung durch Pflanzung um mehr als ein Jahrzehnt beschleunigen. Pflanzen kann man selbst in ungeräumten Flächen, wenn auch aufwändiger.