Lawinendiagnosewerzeug ADS liefert die Antwort

Ein Mehr an Wintertourismus verlangt auch verlässlichere Vorhersageinstrumente für die Lawinengefahr. Neben den bewährten, technischen Schutzmaßnahmen oder der Gefahrenzonenplanung gewinnen Prognose- und Diagnosemodelle zunehmend an Bedeutung. Das BFW entwickelt jetzt dafür ein Lawinendiagnose-Werkzeug. Es soll beispielsweise dem Betriebsleiter eines Skigebietes oder dem Sicherheitsverantwortlichen eines gefährdeten Straßenabschnittes helfen zu entscheiden, ob er je nach Schneedeckenaufbau und Witterung das Gebiet frei geben kann, eine Sperrung oder andere Sicherheitsmaßnahmen einleiten soll.

Das Institut für Naturgefahren, Innsbruck, des BFW entwickelt in einem Kooperationsprojekt mit dem Skigebiet Lech, dem Land Vorarlberg und dem BMVIT das Diagnose-Werkzeug ADS (Avalanche Diagnosis System), das genau diese Frage klären soll. Mit dem Programm wird erstmals in einem Skigebiet die Gefahr einer Lawinenauslösung für einzelne Hangabschnitte ange­geben.

Kombination von verschiedenen Ansätzen

Die Berechnung der Lawinen­gefahr in ADS erfolgt durch vier unabhängige Verfahren: Experten­modelle, datenbasierte Modelle (statistische Methoden, Ähnlichkeitsuntersuchungen) und physikalische Modelle. Die vier Methoden verwenden alle verfügbaren Informationen: Aufzeichnungen aus der Vergangenheit bis hin zum Expertenwissen der Personen, die vor Ort seit vielen Jahren die Gefahr beurteilen; die Informationen des Lawinenwarndienstes; die laufenden Daten der automatischen Wetter­messstationen und manuelle Beobachtungen. Um wichtige Punkte, wie die Einwehung von Schnee oder die flächige Oberflächentemperatur, berück­sichtigen zu können, werden auch neuere Messgeräte wie Laserscanner verwendet.

Mit einem Expertensystem wird die Stabilität der Schneedecke beurteilt. Datenbasierte Modelle haben den Vorteil, dass sie echte Wahrscheinlichkeitswerte liefern und relativ genau die Gefahr angeben. Der Nachteil ist jedoch, dass schwierige und vor allem seltene Bedingungen nicht mit diesen Verfahren beschrieben werden können. Mit dem vierten Typ, den physikalischen Modellen, werden der Schneedeckenaufbau und die schneemechanischen Eigenschaften für bestimmte vorher ausgewählte Hangabschnitte ge­rechnet.

Gerade der Winter 2004/2005 zeigte, wie wichtig die schneemechanischen Eigenschaften der Schneedecke sind. Obwohl die Schneemengen im langjährigen Durchschnitt blieben, konnte ein Spitzenwert an Lawinenabgängen und Todesfällen verzeichnet werden. Der Grund ist einfach und trotzdem kompliziert: Die ungünstige Schnee­decken­entwicklung sorgte für ein sehr schwaches Fundament und damit eine geringe Stabilität. Auch wenn dieser Zusammenhang einfach ist, bleibt es jedoch eine echte wissenschaftliche Herausforderung, die Stabilität der Schneedecke und die Wahrscheinlichkeit eines Lawinenabgangs mit ausreichender Genauigkeit zu be­rechnen.

Mit den physikalischen Modellen kann zum Beispiel die Temperaturverteilung in der Schneedecke, die Dichte und der Schichtaufbau berechnet werden. Die Unterschiedlichkeit des Schneedeckenaufbaus im Gelände setzt der Berechnung erwartungsgemäß Grenzen.

Diagnosewerkzeug

Der wichtigste Teil des ADS-Systems ist die Diagnoseseite. Dort werden alle wichtigen Informationen übersichtlich dargestellt: Wetterentwicklungen in den letz­ten fünf Tagen, Gefahr und Lawinenabgänge an den letz­ten Tagen und die aktuell berechnete Gefahr. Im Hinter­grund liefern verschiedene Datenbanken (wie Wetter- und Lawinendatenbank) die notwendigen Informationen. Den Kern des Systems bilden die vier eigentlichen Programme, mit denen die Gefahr berechnet wird.

Die neuen Computerhilfsmittel sollen in der Zukunft die Verantwortungsträger bei ihren manchmal sehr schwierigen Entscheidungen unterstützen. Zu betonen ist jedoch, dass diese Hilfsmittel nie den Menschen werden ersetzen können (so wie der Arzt von keinem Blutbildbefund ersetzt werden kann). Sie sollen dazu beitragen,

• Informationen systematisch zu sammeln (alleine die Dokumentation wird in Zukunft bei schwierigen Situationen helfen) und

• Entscheidungen durch Berechnungen zu unterstützen und im besten Fall sicherer zu machen.