Abb. 1: Lawinengefahr.
Abb. 2: Lawinenschutz durch Verbauung. (Foto: BMLFUW)
Ein effektiver Lawinenschutz hängt von vielen Faktoren ab: Schutzwälder, Verbauungen und ein Lawinenwarndienst sind beispielsweise wichtige Voraussetzungen. Wie Lawinen entstehen und was man dagegen tun kann, zeigt der Artikel.
Lawinen sind in der Fachsprache definiert als rasche Schneebewegungen über eine Länge von mehr als 50 Meter. Bei kürzeren Strecken spricht man von Schneerutschen. Sehr langsame Schneebewegungen von wenigen Zentimetern bis maximal einige Meter pro Tag bezeichnet man als Schneegleiten. Druckkräfte von bis zu 100 Tonnen pro m2 und Geschwindigkeiten von bis zu 300 km pro Stunde können von abgehenden Lawinen erreicht werden.
Das Lawinengeschehen hängt von Wettereinflüssen ab. Starke Schneefälle, Schneeverfrachtung durch Wind, plötzliche Erwärmung oder in die Schneedecke fallender Regen können die Lawinengefahr schnell ansteigen lassen. Grundlage eines effektiven Lawinenschutzes ist die Freihaltung von Gefahrenbereichen. Daneben sind technische Verbauungsmaßnahmen und insbesondere die Arbeit des Lawinenwarndienstes von größter Bedeutung für den Schutz vor Lawinengefahren.
Schutzwälder spielen in lawinengefährdeten Gebieten eine besonders wichtige Rolle. Durch Temperaturanstieg, Wetterextreme, aber auch Wildeinfluss stehen die Schutzwälder heute stärker unter Druck als je zuvor. Schadinsekten dringen in immer höhere Lagen vor und schwächen Schutzwälder. Geringer Niederschlag und hohe Temperaturen setzen den Bäumen zu. Schädigungen durch Wildverbiss hindert das Aufkommen von Jungbäumen, durch Schälungen wird die Rinde abgenagt, das Fegen der Geweihe schädigt die Stämme. Ist die Schutzfläche einmal zerstört, vergehen Jahrzehnte, bis der Wald wieder seine volle Schutzfunktion entfaltet.
Maßnahmen bei erkanntem Risiko
In der Praxis gibt es keine klare Richtlinie, wie Wald bei der Abschätzung von Lawinengefahr zu behandeln ist. Am Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft (BFW) wurden deshalb institutsübergreifend praxisnahe Faustformeln zur Bemessung der Disposition und Schutzwirkung erarbeitet.
Zuerst muss die Gefährdung eines Standortes für Lawinen bestimmt werden. Diese ist im Wesentlichen von Standortsmerkmalen wie Hangneigung, Hangform (Wölbung) und Hanglage, Schneedeckenhöhe und Bodenrauigkeit abhängig.
Die meisten wissenschaftlichen Ansätze gehen von einer Grenzneigung der Hänge bei 30° aus. Dieser Wert darf aber nicht isoliert betrachtet werden, da es im Steilgelände ab etwa 55° zur Selbstentlastung der Hänge durch kleine Lockerschneerutschungen kommt. In diesem Bereich nimmt dann auch der forstliche Einfluss auf den Lawinenschutz ab.
Relevante Hanglängen variieren zwischen 20 und 50 m, je steiler der Hang, desto kürzer die benötigte Hanglänge. Lawinenanbrüche liegen häufig an konvexen, sich nach unten versteilenden Stellen oder Geländeknicken. Je größer die Schneehöhe und je geringer die Rauigkeit des Bodens, desto höher ist auch die Lawinengefahr.
Ist eine potentielle Lawinenanbruchfläche lokalisiert, stellt sich die Frage nach der Schutzwirkung der Waldbestände. Japanische Forscher haben dazu die Faustformel aufgestellt, "dass die mittlere Baumhöhe etwa das Eineinhalb- bis Zweifache der Schneedeckenhöhe betragen muss, damit genügend viele Bäume (> 50 %) die Schneedecke überragen und somit auch stabilisieren können." Das entspricht auch Beobachtungen in den Alpen.
Die wintergrüne Überschirmung (Deckungsgrad) stellt eine zweite wichtige Einflussgröße dar. Demnach gilt: "Ein wintergrüner Deckungsgrad von 50-60 % mit Bäumen ab der effektiven Baumhöhe bei regelmäßiger Verteilung [...] ist ausreichend um einen gefährlichen Lawinenanbruch zu verhindern. Liegt der wintergrüne Deckungsgrad unter 50 % [...], dann hängt die Schutzwirkung von der Stammzahl der Bestände ab." Wobei auch das Totholz, sei es stehend oder als Querfällungen, berücksichtigt werden muss.
Um dem Rückgang der Schutzwälder entgegenzuwirken, wurden laut einem Artikel der ÖBf allein im Jahre 2011 über 600.000 Jungbäume in Schutzwäldern Österreichs gesetzt. Gepflanzt werden neben Fichte vor allem Baumarten wie Lärche, Zirbe oder Tanne, welche die Wälder stabiler machen. Die Fichte eignet sich für den Lawinenschutz besonders gut. Die Bäume stehen dicht, der Schnee bleibt in den Kronen hängen, während die Lärche, die im Winter keine Nadeln trägt, besonders sturmfest und steinschlagresistent ist.
Für eine effektive und sichere Raumplanung in lawinengefährdeten Gebieten ist die sorgfältige Beobachtung und Dokumentation der Lawinen- und Wildbachereignisse erforderlich. Auf Grundlage solcher Daten konnten für die Steiermark in Österreich bereits seit 2011 lückenlose Gefahrenzonenpläne (GZP) erarbeitet und veröffentlicht werden. Dabei wurden 1.250 Lawinen und 3.200 Wildbäche integriert. Gefährdungszonen werden je nach Gefahrenpotenzial einer Gefahrenklasse zugeteilt. Je nach Gefahrenzone ergeben sich hierbei angepasste Konsequenzen. Der Gefahrenzonenplan dient als Grundlage für Planungen auf den Gebieten der Raumplanung, des Bauwesens und des Sicherheitswesens. Er dient auch zur Priorisierung von Planungen der Schutzbauwerke. Die GZP sind ein besonderes Instrument der Gefahrenprophylaxe. Das heißt, zukünftige Bauvorhaben werden in weniger oder nicht gefährdete Bereiche gelenkt.
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