Für den richtigen, problemlösungs-orientierten Umgang mit der Thematik Wald-Wild tragen die kantonalen Jagdverwalter, respektive modern gesprochen die "Wildtiermanager", eine grosse Verantwortung. Wildtiermanagement ist weit mehr als die Organisation der Bejagung des Wildes. Es bedeutet das integrale Verwalten (= managen) der Wildtiere und ihrer Lebensräume, im Interesse der Allgemeinheit - und nicht im einseitigen Interesse der Jäger, der Förster, oder der Naturschützer.
Wildtiermanager bewegen sich also im Überschneidungsbereich von Ökologie, Naturschutz, Jagd, Forst- und Landwirtschaft. Und da auch der Verbiss der Waldverjüngung durch das Schalenwild nie nur alleine von der Grösse des Wildbestandes abhängt - sondern vom Nahrungsangebot und dessen Zugänglichkeit -, liegt die Lösung von Wald-Wild-Problemen nicht einfach im Absenken der Bestände. Die dem Ziel angepasste, strukturell richtige Bejagung, die örtliche Reduktion des Wildbestandes unter Vermeidung von Bejagungsstress, die Biotophege und Beruhigung der Wildeinstände innerhalb und ausserhalb des Waldes sind die Garanten für ein erfolgreiches Management der Wald-Wild Thematik.
Abb. 2 - Vom Wild geschälte Vogelbeere
Foto: Ulrich Wasem (WSL)
"Der Wald bietet den Wildtieren ausreichend Lebensraum und Ruhe. Die Wildbestände sind an ihre Lebensräume angepasst und haben eine natürliche Alters- und Geschlechterverteilung. Die natürliche Verjüngung der Wälder wird durch die Wildhuftiere nicht verhindert." So formuliert das Waldprogramm Schweiz des Bundes (WAP-CH) denn auch die Zielsetzung für das Handlungsprogramm des nächsten Jahrzehnts im Bereich Wald-Wild. Erreicht werden soll dies, indem die Kantone:
- in regionalen Wildräumen denken, planen und handeln
- die Jagdplanung auf die Wildräume und die Bedürfnisse des Waldbaus, insbesondere im Schutzwald, abstimmen
- die Anforderungen an die wildbiologisch richtige Bejagung und die wildtierfreundliche Waldbewirtschaftung einhalten
- das Wild bei Unterschreitung eines Mindestmasses an Naturverjüngung wirksam regulieren
- Waldränder und das angrenzende Offenland wildtierfreundlich pflegen
- Gebiete mit wildökologisch besonderer Bedeutung in der Waldentwicklungsplanung Berücksichtigen und über Ruhezonen vor übermässiger Störung schützen
Abb. 3 - Widlverbiss hängt nicht alleine von der Grösse des Wildbestandes ab, sondern auch vom Nahrungsangebot und dessen Zugänglichkeit.
Foto: Ulrich Wasem (WSL)
Der Bund sieht seine künftige Rolle im Bereich Wald in der Sicherung von Leistungen, welche der Allgemeinheit zu Gute kommen, insbesondere den Schutz vor Naturgefahren und die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Entsprechend dieser Zielsetzung fokussiert der Bund die Subventionen auf die Schutzwaldpflege und die Förderung der Biodiversität im Wald. Ab in Kraft treten des neuen Finanzausgleichs NFA zwischen Bund und Kantonen - vorgesehen ist der 1.1.2008 - wird der Bund nicht mehr Einzelprojekte fördern, sondern im Rahmen von Programmvereinbarungen Leistungen und Wirkungen einkaufen. Was betreffs der Thematik Wald-Wild heute also im Kreisschreiben 21 der Forstdirektion des BAFU (Bundesamt für Umwelt) geregelt ist, wird in Zukunft für jeden Kanton über Verträge zur Schutzwaldpflege und zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität im Wald zu vereinbaren sein.
Die Schutzwaldpflege wird sich im NFA-Zeitalter nach der Konzeption NaiS (Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald) richten müssen. Bei der Beurteilung der Verjüngung im Schutzwald schlägt NaiS vor, dass folgende Einflussfaktoren beurteilt werden: Samenangebot, Licht im Bestand, Konkurrenz durch die Kraut- und Strauchschicht, sowie Verbiss durch Wildtiere. Wird der Verbiss als relevante Einflussgrösse beurteilt, wird für die entsprechenden Wildräume ein Wald- Wild-Konzept zu erstellen sein, welches integrierter Bestandteil einer Schutzwaldvereinbarung zwischen Bund und Kanton sein wird. Dieses soll Auskunft geben über:
- die Abgrenzung des Wildraums
- den Schutzwaldperimeter
- die Gebiete mit besonderer wildökologischer Bedeutung
- die Schutzwaldfläche, die die Verjüngungssollwerte nicht erreicht
- die Art der Basis-Wildregulierung
- waldbauliche und jagdliche Ziele
- die geplanten Massnahmen zur Erreichung dieser Ziele, insbesondere betreffs Lebensraumverbesserung und -beruhigung, sowie Schwerpunktbejagung
Abb. 4 - Hochsitz auf einer Windwurffläche: Eine dem Ziel angepasste, strukturell richtige Bejagung ist Voraussetzung für erfolgreiches Wald-Wild-Management.
Foto: Thomas Reich (WSL)
Bei der Planung der Massnahmen sollen drei wichtige Grundsätze berücksichtigt werden:
- Die Jungtier- und Weibchenbejagung entspricht im gesamten Wildraum und bei allen vorkommenden Schalenwildarten den wildbiologischen Erkenntnissen betreffs zielführender Bestandes-Eingriffe.
- Moderne, aktive Wildschadenverhütungsmassnahmen wie Biotophege und Lebensraumberuhigung werden im gesamten Wildraum mit "Schutzwaldgeld" finanziert und umgesetzt.
- Zäune und chemischer Einzelschutz werden grundsätzlich nur im Schutzwald und in Gebieten mit wildökologisch besonderer Bedeutung unterstützt.
Inwieweit auch die Programmvereinbarungen mit den Kantonen über die Biodiversität im Wald in Zukunft die Thematik Wald-Wild beinhalten werden, ist im Moment noch offen. Diskutiert wird aber, dass diese Verträge neben der Förderung von Waldreservaten, der Umsetzung von Artenförderungsprogrammen und der Unterstützung von Vernetzungsmassnahmen auch die Jungwaldpflege im Nicht- Schutzwald regeln sollen. Der Einsatz von Bundesgeld würde das BAFU einerseits zur Definition der Jungwaldpflege, und andererseits zur Formulierung der Anforderungen an Jungwaldpflegeprogramme verpflichten. In diesem Zusammenhang könnten auch Kriterien für die wildbiologisch richtige und zielführende Bejagung Bedeutung erlangen.