Verbreitung und Name

Früher bildeten die Lindengewächse eine eigene Familie (Tiliaceae). Neuerdings werden sie als Unterfamilie Tilioideae zu den Malvengewächsen (Malvaceae) gestellt. Die Anzahl der Gattungen und Arten innerhalb der Lindengewächse ist wissenschaftlich umstritten. Die Linden (Tilia) umfassen je nach Quelle 20 bis 45 Arten.

Die Winterlinde (Tilia cordata) gedeiht vom Atlantik, Mittel- und Nordeuropa bis zum Ural, über Zentralrussland bis Westsibirien (Karte). Die Sommerlinde (Tilia platyphyllos) erreicht östlich den Kaukasus (Karte). In der Schweiz ist die Winterlinde häufiger als die Sommerlinde und bevorzugt geschützte Lagen im Mittelland und in Föhntälern. Beide Linden wurden an zahlreichen Orten angepflanzt, an denen sie ursprünglich nicht vorgekommen sind.

An den ihr entsprechenden Standorten in den Voralpen und im Bergland wachsen Linden bis etwa 1500 m. ü. M. Sie schätzen frische, nährstoff- und basenreiche, oft kalkhaltige bis mässig steinige Böden. Grössere Bestände sind eher selten. Einer der bekanntesten Lindenwälder ist der Seerenwald zwischen Betlis und Quinten an den Südhängen des Walensees (Kanton St. Gallen). Beliebt sind Linden als Park- und Alleebäume sowie als mächtige Einzelbäume auf Dorfplätzen.

Der lateinische Name "Tilia" wird abgeleitet vom griechischen "tilos", gleichbedeutend wie Bast oder Faser, aber auch von "ptilon", was Flügel bedeutet und sich auf das Aussehen des Blütendeckblattes bezieht. Zudem ist das Wort Linde verwandt mit dem lateinischen "lentus", zu Deutsch "lind" = weich, biegsam und zäh.

Für beide vorgestellten Lindenarten sind veraltete lateinische Namen bekannt. Die Winterlinde wurde nebst Tilia cordata unter anderem als Tilia parvifolia (kleinblättrig) bezeichnet. Die Sommerlinde Tilia platyphyllos weist in einem anderen lateinischen Namen Tilia grandifolia (grossblättrig) auf eine der wenigen morphologischen Unterschiede zu ihrer Schwester hin.

An das Vorkommen von Linden machen viele Flur-, Orts- und Regionalnamen aufmerksam: Linden, Schönlinde, Lindau, Linz, Limpach, Lindenbühl, Lindenegg, Lindenberg, Lindenwald oder Lindenholz. Von der französischen Bezeichnung "Tillend" stammen die Ortsnamen Theil, Thy, Tilla sowie Tilly. Nebst Gasthäusern "Zur Linde" oder "Zu den drei Linden" leiten sich auch Familiennamen von dieser Baumart ab: Linné, Linde, Van der Linde, Lindner, Lindenmann, Lindelius oder Tiliander.

Botanik

(gilt für die Winterlinde, Unterschiede zur Sommerlinde in Klammer)

Freistehend sind beide Lindenarten wohlgeformte, stattliche Bäume mit kurzem, bis zu 3 m dickem Stamm mit einer von starken, knorrigen Ästen getragenen, tief herabreichenden, weitausladenden runden Krone. Im geschlossenen Waldbestand bilden die Linden hingegen meist einen langen, astfreien, mit einer schwach borkigen, graugrünen Rinde versehenen Stamm. Die Krone ist unter solchen Wuchsbedingungen hochangesetzt.

Winterlinden werden bis 30 m, Sommerlinden bis 40 m hoch. Beide Arten können in Ausnahmefällen über 1000 Jahre alt werden. „Die Linde kommt 300 Jahre – steht 300 Jahre und vergeht 300 Jahre“, so ein oft gelesenes Zitat.

Aus den im Frühjahr anschwellenden, hellbraunen, länglichen Knospen (Sommerlinde: tiefrötlich und rundlich) wachsen bläulich-grüne, schief-herzförmige, 5–8 cm grosse, langgestielte und nur unterseits behaarte Blätter (Sommerlinde: stumpfgrün, beidseits behaart, bis 15 cm gross).

Die 5–11 gelblichen, an einer Dolde hängenden Blüten blühen Ende Juni bis Ende Juli (Sommerlinde: 2–4 Einzelblüten, zwei Wochen früher) und wachsen an einem zungenförmigen, blassgrünen Tragblatt. Linden sind einhäusig (beide Geschlechter am gleichen Baum); sie blühen und fruchten erst im Alter von 20 bis 30 Jahren. Die kleinen, dunkelbraunen, mit einer glatten, kaum kantigen Schale versehenen Kapselfrüchte lassen sich zwischen den Fingern zerdrücken (Sommerline: meist nur drei, aber grössere und kantigere Früchte, nicht zerdrückbar).

Das weisslich bis gelblich-rötliche, mit einem Seidenglanz versehene Lindenholz weist undeutliche Jahrringe auf. Das Holz der Winterlinde ist fester, härter, biegsamer und schwerer als dasjenige der Sommerlinde.

Waldbauliche und ökologische Bedeutung

Im Mittelalter war die Linde wegen ihrem Wiederaustrieb, respektive der vegetativen Verjüngung aus Stockausschlag bei der Nieder- und Mittelwaldbewirtschaftung geschätzt. Danach verlor sie an waldbaulicher Bedeutung, auch Aufgrund geringer Holznachfrage. Vor wenigen Jahrzehnten wurde erkannt, dass sich Linden gut als Beimischung in Wertlaubholzbeständen eignen. Speziell die schattentolerante Winterlinde hat eine Vielzahl waldbaulich günstiger Eigenschaften und dient als Begleitbaumart zur Schaftpflege verschiedener Wertlaubhölzer (speziell der Eiche).

Linden einen hohen ökologischen Wert. Durch ihr feingliedriges, tiefgehendes Herzwurzelwerk werden die Waldböden gefestigt. Das sich schnell, innert Jahresfrist zersetzende, viel Eiweiss und Kalk enthaltende Lindenlaub verbessert die Bodenqualität wie kaum eine andere Baumart.

Auch für Mensch und Tier sind Linden seit alters her ein Segen. Wir Menschen schätzen die Heilkräfte, beispielsweise als Lindenblütentee. Der würzige Duft der Blüten lockt zahlreiche Insekten an und bietet vor allem Bienen eine ausgezeichnete Weide.

Verwendung

Bereits den Pfahlbauern war die Linde bekannt. Sie nutzten die Vorteile des zähen, schlecht zerreissbaren Bastes (lebendes Gewebe zwischen Holz und Baumrinde) zum Binden von Werkzeugen und zum Flechten von Matten. Im Mittelalter wurden aus Bast Schnüre, Seile und Bogensehnen hergestellt. Wohl deshalb nannten die Meskwaki-Indianer aus dem Gebiet der Grossen Seen die dortigen Linden "Schnurbaum". Bei unsern Grosseltern war im Zusammenhang mit der Linde noch hie und da von "Bastholz" die Rede.

Das Holz beider Lindenarten ist biegsam, leicht spalt- und gut bearbeitbar und wird deshalb von Drechslern und Holzbildhauern geschätzt. Es findet Verwendung bei Modellschreinern, Spielwaren-, Schuh- und Prothesenfabrikanten und Hutformern sowie zur Herstellung von Musikinstrumenten, Kuckucksuhren, Flachpinseln, Schachfiguren und Zeichenkohle. Im Mittelalter war Lindenholz als "Lignum sacrum" (heiliges Holz) bekannt und wurde zum Schnitzen von religiösen Figuren und Altären verwendet.

Mythologie, Volks- und Heilkunde

Die Linde ist ein Baum des Volkes, ebenso bekannt, beliebt und verehrt wie die starke, mächtige Eiche. Noch heute erinnern alte Linden in Städten, Dörfern und Siedlungen an längst vergangene Zeiten. Sei dies als Dorf- oder Hoflinde, wo sie als Tanz-, Friedens- und Kommunikationsbaum (für amtliche Bekanntmachungen) Treffpunkt für Jung und Alt war. Oder sei es als Rechtsbaum, wo früher geschlichtet, vermittelt sowie gerichtet und in Einzelfällen das Urteil gleich an einem starken Ast vollzogen wurde (judicium sub tilia "Gericht unter der Linde").

In der Schweiz zählen die Murtener Linde (gepflanzt 1476) und die Linde von Linn (zirka 670 Jahre alt) sowie die vielerorts landschaftsprägenden "Freiheitsbäume" auf Hügeln zu den geschichtsträchtigsten Bäumen. In die Landschaft gepflanzte Einzelbäume hatten im Mittelalter eine wichtige, heute leider längst vergessene Funktion. Als Richts-, Markier- und Grenzlinden dienten sie als Orientierungshilfen.

Bereits den Germanen galt die Linde als heiliger Baum und war der Göttin Freya (Göttin der Fruchtbarkeit, des Wohlstandes und der Liebe) geweiht. Dieser oft in der Nähe von Häusern gepflanzte Baum bot Schutz vor Blitzschlag, vor Hexen und bösen Geistern. Mit der Christianisierung in Europa wurden die Freya-Linden, nicht zuletzt wegen ihren herzförmigen Blättern, zu Marien-Linden. Treffend äusserte sich der Reformator Martin Luther (1483–1546): "Unter den Linden pflegen wir zu singen, trinken und tanzen und fröhlich zu sein, denn die Linde ist uns Friede- und Freudebaum".

Literarisch ist die Linde seit Jahrhunderten stark verankert, zum Beispiel im Nibelungenlied, aber auch der Minnesänger Walther von der Vogelweide (1170–1230) lobpreiste die Linden. Oder das unzählige Male gesungene "Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum …" von Wilhelm Müller (1794–1827).

Bezüglich heilender Wirkung der Lindenblüten wird kein Unterschied zwischen Sommer- und Winterlinde gemacht. Beide helfen bei einer Fülle von Krankheiten und Unpässlichkeiten. Vor allem Blütentee verschafft "Lind-erung" bei Erkältung und Grippe. Er ist fiebersenkend, schleimlösend, schweiss- und harntreibend. Bei Vergiftungen, Darmerkrankungen und zur Wundbehandlung ist Lindenholzkohle ein altbewährtes Hausmittel.

    Quellen
    • Unsere einheimischen Nutzhölzer (Paul Guggenheim)
    • Unsere Baumarten; Wald und Holz 9/01 ((Rudolf Beyse)
    • Baumriesen der Schweiz (Michel Brunner)
    • Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (Nr.2/1991)
    • Wikipedia

    (TR)