Streu- und holzabbauende Pilze helfen mit, Blätter, Nadeln und Holz abzubauen und deren Inhaltsstoffe wieder in den Nährstoffkreislauf zurückzuführen. Ebenso wichtig für das Ökosystem Wald sind diejenigen Pilze, die mit Waldbäumen in einer engen Lebensgemeinschaft leben (Abb. 1), die sogenannten Mykorrhizapilze. Diese Symbiose dient beiden Partnern – dem Baum wie dem Pilz.

Abb. 1. Fruchtkörper und dazugehörige Mykorrhizen des Zitronentäublings (Russula ochroleuca, oben) und des Anisklumpfusses (Cortinarius odorifer, unten), eines Vertreters der Schleierlinge, der artenreichsten Gattung unter den Mykorrhizapilzen.

Was ist eine Mykorrhiza?

Der Begriff Mykorrhiza (aus dem Griechischen mukês für Pilz und rhiza für Wurzel) bedeutet nichts anderes als "Pilz-Wurzel", oder etwas feiner übersetzt "verpilzte Wurzel". Eine Mykorrhiza ist eine Wurzel, die von einem Mykorrhizapilz besiedelt ist (Abb. 2). Der Pilz hüllt die äussersten, feinsten Wurzeln mit einem dichten Fadengeflecht (sog. Mycel) ein und bildet einen Pilzmantel (Abb. 3).

Etwa ein Drittel der in unseren Wäldern wachsenden Grosspilze sind Mykorrhiza­pilze. Unter diesen rund 2000 Arten be­fin­det sich eine ganze Reihe von wert­vol­len Speise­pilzen (z. B. Trüffel und Stein­pilz), aber auch viele Gift­pilze (z. B. Fliegen­pilz und Knollen­blätter­pilz). Viele Mykorrhiza­pilze sind wirts­spezifisch, also an ganz bestimmte Baum­arten ge­bun­den (z. B. Lärchen­röhrling, Eichen­reizker). Andere wachsen aus­schliesslich in Laub­wäldern oder Nadel­wäldern. Im Wurzel­werk eines Baumes leben in der Regel mehrere verschiedene Mykorrhiza­pilze nebeneinander.

In Mittel­europa sind die Wurzeln der Bäume durchwegs mit Mykorrhizen besetzt.

Video: Was ist die Mykorrhiza?

Funktion der Mykorrhiza

Austausch von Nährstoffen
Die Mykorrhiza ist ein Organ, in dem Stoffe zwischen Baum und Mykorrhizapilz ausgetauscht werden. Während der Baum das Photosyntheseprodukt Zucker an den Pilz abgibt, erhält er von diesem im Gegenzug verschieden Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor, die der Pilz mit den feinen Pilzfäden aus den kleinsten Bodenporen aufgenommen hat (Abb. 4). Die Durchdringung des Bodens durch die Pilzfäden, welche von der Mykorrhiza aus in den Boden ausstrahlen, ist um ein Vielfaches intensiver als durch die Wurzelhaare. Deshalb weisen Pflanzen mit Mykorrhizen oft erhöhte Konzentrationen an Stickstoff und Phosphor im Gewebe auf. Für den Austausch der Stoffe zwischen Pilz und Baum bedarf es einer speziellen Austauschzone, des sogenannten Har tig‘schen Netzes (nach dem deutschen Forstbotaniker T. Hartig benannt). Dieses Netz besteht aus einem dichten Pilzgewebe, welches sich zwischen den Rindenzellen der Feinwurzeln installiert und so einen engen Kontakt zwischen den beiden Partnern gewährleistet.

Schutz vor Schadstoffen
Mykorrhizen können die Bäume auch vor giftigen Effekten von Schadstoffen schützen. Im Unterschied zu den für die Pflanzen lebensnotwendigen Schwermetallen, z. B. Eisen, Zink oder Kupfer, sind andere Schwermetalle wie Blei, Nickel oder Quecksilber toxisch. Da Schwermetalle nicht abgebaut werden können, werden sie in der Biosphäre angereichert und stellen zunehmend ein Gefährdungspotential für lebende Organismen dar. Mykorrhizapilze erweisen sich zum Teil als erstaunlich robust gegenüber erhöhten Schwermetallgehalten im Boden. Die Pilze halten Schwermetalle zurück, die sonst vom Baum aufgenommen würden. Diese Eigenschaft kommt einer eigentlichen Filterfunktion gleich. Der Nachteil ist aber, dass diese Schwermetalle in den Pilzfruchtkörpern angereichert werden. Dies kann zu gesundheitsgefährdenden Konzentrationen in Speisepilzen führen. Ähnlich wie bei den Schwermetallen verhält es sich mit den radioaktiven Substanzen. Die Hauptquelle in Europa stellte der Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 dar.

Weitere Funktionen
Mykorrhizierte Pflanzen weisen eine erhöhte Toleranz gegenüber verschiedenen Stressfaktoren auf. Die Bäume sind somit weniger anfällig gegenüber Frost und erhalten zudem eine erhöhte Abwehrkraft gegen krankheitserregende Bodenorganismen. Darüber hinaus bewirken die Phytohormone der Mykorrhizapilze eine Förderung des Pflanzenwachstums.

Gefährdung der Mykorrhizapilze durch Stickstoff

Seit Jahrzehnten steigen die durch Aktivitäten des Menschen verursachten Emissionen von Luftschadstoffen und damit auch die Einträge von Säuren und Stickstoff in die Wälder. Pro Hektar und Jahr werden in der Schweiz etwa 20 bis 80 kg Stickstoff atmosphärisch eingetragen, aus Landwirtschaft, Industrie, Heizungen und Verkehr. Stickstoff ist für die Ernährung der Pflanzen notwendig; allerdings können sich erhöhte Stickstoffeinträge indirekt negativ auf die Bäume auswirken, indem sie die Mykorrhizapilze beeinträchtigen. Es ist zu befürchten, dass gewisse Pilzarten verschwinden werden. Hohe Stickstoffkonzentrationen wirken sich auch negativ auf die strukturelle Ausbildung der Mykorrhizen aus. Durch diese strukturellen Veränderungen wird der Austausch von Nährstoffen und Kohlenhydraten zwischen Pilz und Pflanze reduziert, was sich negativ auf die Baumgesundheit und die Frucht körperbildung der Mykorrhizapilze auswirken kann.

Ohne Pilze kein Wald?

Ohne Wald gäbe es mit Sicherheit keine Mykorrhizapilze und wir würden viele der bekannten Speisepilze wie Steinpilze, Eierschwämme, Täublinge, Milchlinge und Trüffeln vergeblich suchen. Wie verhält es sich nun umgekehrt? Die Frage, ob ein Wald ohne Mykorrhizapilze leben könnte, ist nicht ohne weiteres zu beantworten; wir haben wenig praktische Erfahrung, da es in unseren Wäldern zum Glück noch immer und überall genügend Mykorrhizapilze gibt. Sicher ist jedoch, dass auf nährstoffarmen Böden Waldbäume ohne Mykorrhizapilze kaum fähig wären, mineralische Nährstoffe in genügender Menge aufzunehmen. Aus experimentellen Untersuchungen weiss man auch, dass Waldbäume ohne Mykorrhizapilze chancenlos sind in der Abwehr von pathogenen Erregern im Wurzelbereich und insgesamt anfälliger werden gegenüber Stress, zum Beispiel gegenüber Trockenheit und Frost und schädlichen Umwelteinflüssen. Mykorrhizapilze sind folglich für die Waldbäume lebensnotwendig und es ist anzunehmen, dass unsere Wälder ohne Mykorrhizapilze ganz anders aussehen würden.

Forstliche Massnahmen zur Förderung von Mykorrhizapilzen

  • Die Durchforstung dichter dunkler Altbestände kann die Fruchtkörperproduktion von Mykorrhizapilzen fördern.
  • Je mehr verschiedene Baumarten in einem Wald wachsen, desto grösser ist die Artenvielfalt an Mykorrhizapilzen.
  • Nach Sturmschäden sind die verbleibenden Jungpflanzen Refugium für Mykorrhizapilze, die ihren Baumpartner verloren haben. Sie helfen mit, die Pilze in die neue Baumgeneration hinüberzuretten.
  • Schlagabraum nicht verbrennen. Einzelne Totholzstämme liegen bzw. stehen lassen.

Literatur

Literaturverweise finden sich im Originalartikel (PDF).

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