Sogenannte Mykorrhizapilze haben sich seit hunderten Millionen von Jahren gemeinsam mit Pflanzen entwickelt und leben heute in engen Lebensgemeinschaften mit ihren Pflanzenpartnern zusammen. Die Pilzgesellschaften sind sehr vielfältig (Abb. 1 und 2). In einer einzigen Handvoll Waldboden finden sich Hunderte bis Tausende verschiedener Pilzarten, die sich von Boden zu Boden und von Wald zu Wald unterscheiden.
Es gibt zwei Formen dieser Partnerschaft zwischen Pilz und Pflanze: die Endo- und die Ektomykorrhiza. Im Wald ist letztere relevant. Bei einer Ektomykorrhiza leben die Pilze ausserhalb der Pflanze. Ihr Geflecht legt sich zwar eng um deren feinste Wurzeln. Es dringt aber nicht in die Pflanzenzellen ein, wie es bei der Endomykorrhiza der Fall ist. Sowohl Pilze wie auch Bäume profitieren von ihrer Lebensgemeinschaft, einer sogenannten Symbiose. Im Gegensatz zu freilebenden Pilzen, die sich selbst ernähren, erhalten Ektomykorrhizapilze ihre Energie fast ausschliesslich von den Bäumen. Im Gegenzug versorgen die Pilze «ihre» Bäume unter anderem mit Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff oder schützen sie vor Krankheitserregern.
Bis anhin war unklar, ob sich diese Unterschiede auf Waldprozesse auswirken, etwa die natürliche Verjüngung oder das Baumwachstum. Denn bis vor kurzem wurden solche Prozesse nicht gleichzeitig mit der Erfassung von Pilzgemeinschaften gemessen. Denn die dafür nötigen Untersuchungen sind langwierig, aufwendig und teuer. Forschende der ETH Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL haben sie zusammen mit einem internationalen Team trotzdem durchgeführt. Nun liegen erste Resultate der entsprechenden Arbeiten vor. Sie deuten drauf hin, dass gewisse Pilze hervorragende Bioindikatoren für das Baumwachstum sein können und machen deutlich, wie wichtig der Pilzschutz für die Waldbewirtschaftung ist.
Energiefluss zwischen Baum und Pilz
Der Energiefluss in diesen Gemeinschaften ist beträchtlich: Die Pflanzen stellen ihren Pilzpartnern 5 bis 40 Prozent des Zuckers zur Verfügung, den sie selbst bei der Photosynthese herstellen. Die Nährstoffe wiederum, die sie von den Pilzen erhalten, sind essentiell für das Baumwachstum und blieben den Bäumen ohne die Pilze verschlossen. Das wirft die Frage auf, ob Unterschiede in der Artenzusammensetzung der Pilzgemeinschaften das Wachstum von Bäumen beeinflussen können. Denn nicht alle Mykorrhizapilze erwerben beispielsweise Stickstoff auf dieselbe Weise und mit demselben Energieaufwand.
Forschende der ETH Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL sind dieser Frage auf den Grund gegangen. Dafür setzten sie die Artenzusammensetzung der Pilzgemeinschaften auf über 130 Waldstandorten in Europa mit dem Baumwachstum auf diesen Standorten in Zusammenhang (siehe Infobox).
Und tatsächlich: Es zeigten sich gewaltige Unterschiede im Wachstum der Bäume – die mit der Artenzusammensetzung ihrer Pilzgemeinschaften zusammenhingen. Je nach dieser variierte die Wachstumsrate der Bäume um das Dreifache. Das heisst, Bäume mit der hierfür «idealen» Pilzgemeinschaft wuchsen dreimal schneller als solche, die mit der «schlechtesten» Gemeinschaft vergesellschaftet waren. Dieser Effekt war unabhängig von anderen Faktoren, die das Baumwachstums beeinflussen, wie dem Klima, Bestandsmerkmalen oder dem Stickstoffhaushalt im Boden.
Der Effekt der Pilzgemeinschaften entspricht in seiner Grössenordnung anderen grossräumigen Faktoren, die das Baumwachstum in Europa beeinflussen, beispielsweise dem Klima. Umso wichtiger ist es daher, im Detail weiter zu untersuchen, wie sich Mykorrhizapilz-Gemeinschaften auf das Wachstum (und die Mortalität) von Bäumen sowie die Kohlenstoffspeicherung im Boden auswirken. Dieses Wissen braucht es, um die Bewirtschaftung von Wäldern im Hinblick auf bestimmte Wachstumsergebnisse und Kohlenstoffbindungsszenarien unter einem sich ändernden Klima besser verstehen und fördern zu können.
Die Untersuchungsmethoden der Autoren
Für diese Untersuchungen hat unsere Forschungsgruppe das Bodenmikrobiom - also alle im Boden lebenden Pilze, Bakterien und Archaeen – für 137 Flächen (Abb. 3) mit molekularen Methoden bestimmt und analysiert (Erbgutanalyse). Besitzen Pilze viele Gene die Enzyme kodieren, die für die Zersetzung und Verfügbarmachung organischer Stickstoffverbindungen benötigt werden, deutet das darauf hin, dass sie organischen Stickstoff besser nutzen können als Arten, deren Erbgut nur wenige dieser Gene enthält.
Diese Informationen verknüpften wir dann mit detaillierten Waldinventurdaten aus dem europäischen ICP-Waldnetzwerk, das seit den 1980er Jahren Informationen über Wachstum und Gesundheit der Wälder liefert.
Schliesslich modellierten wir aufgrund all dieser Daten die Auswirkungen der Eigenschaften der Pilzgemeinschaften auf das Baumwachstum. Die verwendeten Modelle berücksichtigten gleichzeitig die Auswirkungen anderer bekannter Faktoren, die das Baumwachstum in diesem Waldnetzwerk beeinflussen. Das erlaubte uns, deren Einfluss von jenem der Pilze zu trennen.
Funktionelle Zusammenhänge
Analysen der Pilzgene deuten darauf hin, dass der Unterschied tatsächlich auf die unterschiedlichen Strategien zurückgehen könnte, mit denen die Mykorrhizapilze Stickstoff erwerben. Denn wie sich zeigte, besitzen Pilzgemeinschaften in schnell wachsenden Wäldern mehr Gene für den Erwerb von Stickstoff in seiner anorganischen Form. Bei Gemeinschaften in langsam wachsenden Wäldern dagegen sind solche Gene zahlreicher, die dem Pilz ermöglichen, Stickstoff in seinen organischen Formen zu nutzen, in denen er in organischer Materie wie etwa Blättern gebunden ist. Dazu muss der Pilz diese allerdings zuerst in bioverfügbare Einheiten zerlegen – unter insgesamt deutlich grösserem Energieaufwand, als für die Gewinnung anorganischen Stickstoffs nötig ist.
Da die Mykorrhizapilze ihre Energie von Bäumen beziehen, «kostet» Stickstoff aus organischen Quellen die Bäume also mehr, als wenn ihre Pilzpartner anorganischen Stickstoff verarbeiten. Dies könnte nach Ansicht der Forschenden ein Hauptgrund dafür sein, dass Pilze, die anorganischen Stickstoff nutzen, das Wachstum von Bäumen in viel stärkerem Masse fördern als solche, die sich komplexe und damit aufwendig zu erschliessende organische Stickstoffformen verfügbar machen. Denn den Zucker, den die Bäume ihren Partnern zukommen lassen, können sie nicht für ihr eigenes Wachstum nutzen.
Viel Pilz-Biomasse kostet den Baum viel
Ein ähnlicher Zusammenhang besteht mit der Art, wie die Mykorrhizapilze den Boden erkunden. Einige bleiben in engem Kontakt mit den Pflanzenwurzeln und entfernen sich nicht weit von diesen. Andere wandern über kurze, mittlere oder lange Strecken. Manche entfalten gar ausgedehnte dreidimensionale Strukturen im Boden. Eine bestimmte Gruppe von Pilzen – im Englischen als «medium fringe exploration type» bezeichnet –, die den Boden sehr intensiv durchdringen, kann dabei riesige Anteile der Biomasse im Boden stellen. Ihre Pilzfäden bilden Geflechte mit vielen Verzweigungen, die auch dickere Hyphen (Rhizomorphe) umfassen.
Abb. 4. Korrelation zwischen Baumwachstum und der relativen Häufigkeit von «medium fringe exploration type»-Ektomykorrhiza. Quelle: Anthony et al. (2022, ISME).
Es zeigte sich: Je mehr solcher Pilze in dieser Mykorrhiza-Gemeinschaft lebten, desto schlechter wuchsen die Bäume (Abb. 4). Dieser Effekt war in Nadelwäldern besonders stark, wo diese Pilzarten häufiger vorkommen als in Laubwäldern. Auch er könnte mit dem Energiebedarf der Pilze zusammenhängen. Denn für die Bildung ihrer riesigen Systeme benötigen die entsprechenden Pilze viel Energie. Diese erhalten sie von «ihren» Bäumen – die diese Energie wiederum nicht ins eigene Wachstum stecken können.
Das bedeutet aber nicht, dass solche Pilze das Wachstum der Bäume bremsen, wie die Forschenden betonen. Denn ohne ihre Pilzpartner könnten die Bäume wahrscheinlich sehr viel weniger Nährstoffe aufnehmen – sie profitieren also immer noch von der Gemeinschaft. Vielmehr hilft dieser Befund zu erklären, warum einige Mykorrhizapilzarten das Baumwachstum weniger effizient fördern als andere.
Pilze als Anzeiger für das Baumwachstum
Trotz dieser Fingerzeige ist nicht abschliessend geklärt, ob die Ergebnisse tatsächlich ursächliche Zusammenhänge oder «nur» Korrelationen aufzeigen. Um dies zu klären, sind unter anderem Feldversuche erforderlich, bei denen die Zusammensetzung der Mykorrhizapilzgemeinschaften im Boden aktiv verändert wird. Experimente unter kontrollierten Laborbedingungen, bei denen sterilisierte Böden mit verschiedenen Pilzgemeinschaften beimpft und mit Bäumen bepflanzt werden, sind bereits im Gange.
Aber selbst wenn die Pilze nicht selbst der Grund für die unterschiedlichen Wachstumsraten sein sollten, ändert dies nichts daran, dass sich das Wissen bereits praktisch nutzen lässt: Denn die Pilze könnten mindestens sehr gute Bioindikatoren für das Baumwachstum sein, wie weitere Untersuchungen zeigten.
Denn die Forscher konnten dabei tatsächlich Arten identifizieren, die als Anzeiger für ein besonders schnelles oder eher langsames Baumwachstum dienen können. Manche kommen sowohl in Nadel- als auch Laubwäldern vor, andere nur in einem Waldtyp. Die weltweit verbreitete Art Cenococcum geophilum beispielsweise ist in schnell wachsenden Nadelwäldern häufig. Sie ist dafür bekannt, dass sie Bäumen hilft, mit stressigen Bedingungen zurechtzukommen. C. geophilum besitzt allerdings keine auffälligen Fruchtkörper und ist daher keine Art, die man beim Begehen eines Waldstücks «einfach so» direkt erkennen kann.
Bei anderen Arten ist das allerdings durchaus möglich: Sie produzieren sichtbare «Pilze». So ist beispielsweise der Ockertäubling (Russula ochroleuca) in schnell wachsenden Laub- und Nadelwäldern sehr häufig anzutreffen (Abb. 5). Er ist besonders gut an die Aufnahme von anorganischem Stickstoff angepasst. Der essbare Maronen-Röhrling (Imleria badia) wiederum ist in schnell wachsenden Nadelbaumwäldern weit verbreitet (Abb. 6).
Abb. 5. Der Ockertäubling (Russula ochroleuca) war die einzige Indikatorart für schnelles Baumwachstum sowohl in Laub- als auch in Nadelbaumbeständen. Foto: Jörg Gilgen, swissfungi.wsl.ch.
Abb. 6. In schnell wachsenden Nadelbaumwäldern weit verbreitet: der essbare Maronen-Röhrling (Imleria badia). Foto: Félicien Corbat, swissfungi.wsl.ch.
Eine Liste solcher Arten könnte dazu dienen, die Produktivität von Wäldern anhand der Häufigkeit der entsprechenden Pilz-Fruchtkörper im Unterholz auf einfache Weise mit einer Begehung einzuschätzen.
Auswirkungen auf die Forstwirtschaft und den Naturschutz
Es bestehen darüber hinaus zahlreiche weitere Auswirkungen auf die Waldbewirtschaftung und den Naturschutz. Die wichtigste ist aufzuzeigen, wie essentiell der Schutz von Pilzen ist. Aber im grössten Teil Europas bleiben die Bemühungen zum Schutz von Pilzen weit hinter denen für andere Organismen wie Pflanzen oder Tiere zurück.
Wälder, in denen bestimmte Pilze mit unterschiedlichen Wachstumsraten der Bäume in Verbindung gebracht wurden, sollten intensiver überwacht werden. Diese Wälder, und die Lebensräume der Pilze in ihnen zu bewahren, dient nicht nur der Erhaltung der Pilze. Es schützt und fördert über den Einfluss der Pilze auf die Bäume auch Waldfunktionen wie etwa die Holzproduktion oder den Schutz vor Naturgefahren.
Die neuen Resultate eröffnen zudem die Möglichkeit, Mykorrhizapilz-Gemeinschaften in Wäldern aktiv zu steuern, um das Wachstum der Bäume zu regulieren: Möglicherweise liesse sich beispielsweise die Leistung von Setzlingen verbessern, indem man geeignete Pilze aus den Wäldern vor Ort zum Impfen von Böden nutzt oder hierfür Pilzarten verwendet, die mit besonders schnellem Baumwachstum in Verbindung gebracht wurden. Dies könnte letztlich zu besseren Ergebnissen bei der Auspflanzung im Feld führen. Derzeit laufen Untersuchungen dazu, wie sich einige dieser Pilze (die sich kultivieren lassen), auf die Wachstumsraten von Bäumen im Gewächshaus auswirken.
Abb. 7. Auswirkungen von drei Ektomykorrhizapilzarten (Amanita rubescens, Lactarius quietus und Piloderma olivaceum) auf das Wachstum von Kiefernsämlingen im Gewächshaus. Bäume, die mit P. olivaceum geimpft wurden, der Art, die am besten in der Lage ist, organischen Stickstoff aufzunehmen, wuchsen am schnellsten, insbesondere bei erhöhtem atmosphärischem CO2, wenn die Verfügbarkeit von Stickstoff das Wachstum der Bäume besonders einschränkt. Quelle: Mike Dettwiler (MS-Arbeit, 2021).
Pilzgemeinschaften im Wald der Zukunft
Zurzeit beschleunigen Pilze, die anorganischen Stickstoff aufnehmen, das Wachstum von Bäumen mehr als solche, die organische Stickstoff-Formen nutzen. Doch dieser – heutige – «Nachteil» könnte sich in der Zukunft in einen Vorteil umkehren.
Denn steigende Konzentrationen an Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre können theoretisch das Baumwachstum beschleunigen, da Bäume für die Photosynthese CO2 benötigen. Um tatsächlich zu wachsen, brauchen sie aber auch Stickstoff. Dieser wiederum könnte dereinst in seiner anorganischen Form im Boden knapper werden, weil sich die Nachfrage aufgrund des beschleunigten Wachstums der Bäume erhöht. Passiert das, könnte dies den positiven Effekt des Kohlendioxids auf das Wachstum abschwächen oder gar ganz stoppen.
Allerdings: In Waldböden gibt es viel mehr organischen als anorganischen Stickstoff. Deshalb könnten in Zukunft eben jene Pilze wichtig werden, die heute mit dem langsamen Wachstum von Bäumen in Verbindung gebracht werden, weil sie Stickstoff in seiner organischen Form aufschliessen und dann aufnehmen. Sie können «ihre» Bäume auch dann noch mit genügend Stickstoff versorgen, wenn der anorganische Stickstoff aufgrund der für die Zukunft erwarteten höheren Photosynthesetätigkeit knapp wird. Die mit ihnen vergesellschafteten Bäume könnten dadurch weiterhin von den höheren CO2-Konzentrationen profitieren. Darauf deuten zumindest Gewächshaus-Experimente hin: In Versuchen unter den 2100 erwarteten CO2-Konzentrationen fördern Pilzarten, die organischen Stickstoff am besten nutzen, das Wachstum von Baumsämlingen am stärksten (Abb. 7).
Literatur
Ausführliche methodische Informationen und Literaturverweise finden sich in der wissenschaftlichen Publikation, die diesem Artikel zugrunde liegt: